Der Besuch in Füllinsdorf BL startet mit einem Streichkonzert: Andreas Eschbach bereinigt zuerst die aus dem Internet ausgedruckte Liste mit den angebauten Gemüsekulturen. Seit der letzten Aktualisierung der Homepage sind ein Drittel der Kulturen weggefallen. Und das ist typisch für die Gemüsebranche, die sich immer mehr spezialisiert. Trotzdem ist das Angebot mit rund 15 verschiedenen Gemüsen bei den Eschbachs immer noch bemerkenswert.
Bündelung des Angebotes
Die Breite des Produktsortiments war bereits ein Thema als Hans Eschbach (Jahrgang 1936) zusammen mit seinem Vater vor 50 Jahren von Birsfelden nach Füllinsdorf aussiedelte. "Mein Vater gründete deshalb bereits in den 50iger-Jahren die Gemüseproduzenten-Zentrale Basel (GZB), um das Angebot zwischen den Produzenten rund um Basel besser zu organisieren", sagt Hans Eschbach. Ihm sei schon damals klar gewesen, dass es wirtschaftlich nachteilig ist, wenn jeder Produzent alle Gemüse selbst anbaut. "Es war aber trotzdem schwierig, die Produzenten auf eine Linie zu bringen." Hans Eschbachs Vater war seiner Zeit damit voraus, denn die gleichen Diskussionen führt die Branche heute. Nur spricht man von Plattformen, deren Zweck aber eigentlich der Gleiche ist wie bei der GZB: Die Angebotsbündelung. Sein Sohn Andreas liefert heute sein Gemüse an die Lieferantenplattform von Coop, direkt an Migros sowie an Gastro- und Handelsbetriebe.
Zweimal ausgesiedelt
Seit fünf Generationen sind die Eschbachs Gemüsegärtner. 1888 startete der Urgrossvater von Hans Eschbach ausserhalb der Stadtmauern von Basel mit dem Gemüseanbau als Haupterwerb, was damals alles andere als üblich war. Das meiste Gemüse wuchs zu dieser Zeit in privaten Gärten. Die Familie fuhr mit ihren Produkten auf den Markt nach Basel oder verkaufte direkt an wohlhabende Leute. Knapp dreissig Jahre später siedelten die Eschbachs erstmals aus: Am neuen Standort in Birsfelden bauten sie zusammen mit zwei anderen Familien unter anderem Spargeln an. Nach dem Verkauf dieses Betriebes rund 40 Jahre später suchten die Eschbachs Ende der 50iger-Jahre in der Region neues Land für den Gemüseanbau. Auf einer Sonntagsausfahrt kamen Vater und Sohn schliesslich in Füllinsdorf vorbei. "Hier wäre es schön", sagten sie sich. Und es klappte: Die Eschbachs konnten das meiste Land von der Gemeinde im Baurecht übernehmen. Schon bald standen neben dem Wohnhaus drei 60 Meter lange freistehende Gewächshäuser. Im Sommer wuchsen dort Tomaten und Gurken, im Winter Produkte wie Schnittlauch, Peterli, Radiesli, Nüsslisalat oder das regionale Traditionsprodukt "Ostergruss", ein roter Rettich.
Energie effizient nutzen
Die Gewächshäuser von damals stehen heute noch, allerdings "verbunden" mit neueren Haus-Typen. Ein Sinnbild quasi für die dauernde Weiterentwicklung des Betriebes. "Energetisch ist es ein Vorteil, wenn die Häuser nicht frei stehen", sagt Andreas Eschbach. Auf dem neusten Stand diesbezüglich sind die im letzten Jahr erstellten zusätzlichen 40 Aren Gewächshausfläche. Überhaupt steht in Füllinsdorf das Thema Energie weit oben auf der Prioritätenliste. Schon Vater Hans wurde gezwungenermassen darauf sensibilisiert: "Meine ersten Gewächshäuser baute ich während der Erdölkrise 1973." Um für steigende Energiepreise gewappnet zu sein, ist gerade im intensiven Gewächshausanbau Energiesparen besonders angesagt. "Mit gezielten Kulturverschiebungen und technischen Heizungsoptimierungen konnten wir den Ölverbrauch in den letzten sechs Jahren halbieren", sagt Andreas Eschbach. Im Kopf hat er zudem ein Projekt, mit Hilfe einer Wärmepumpe die Energie im Wasser des neu erstellten Regenwasserauffangbeckens zu nutzen.
Früher weniger Bürokratie
Wie war das Leben als Gemüsegärtner früher? Im Unterschied zu heute habe es viel weniger Bürokratie und Vorschriften gegeben, sagt Hans Eschbach. "In den 60er-Jahren schrieb man nicht auf, was auf den Feldern gespritzt oder gedüngt wurde." Fruchtfolgepläne habe man aus eigenem Interesse aber bereits vor Jahrzehnten erstellt. "Man wusste, dass eine gesunde Fruchtfolge unabdingbar war für eine erfolgreiche Produktion." Trotzdem war früher nicht alles einfacher: Alte Kopfsalatsorten seien so anfällig auf Pilzkrankheiten gewesen, dass ein Anbau im Sommer fast nicht möglich gewesen sei. "Erst mit den modernen Hybridsorten hat sich das gebessert", sagt Hans Eschbach. Geändert hat sich die Zusammensetzung beim Personal. Früher arbeiteten auf dem Betrieb fast nur Schweizer. Heute kommen noch die Kadermitarbeiter und der Lehrling aus der Schweiz. Der Rest aus Ländern wie Portugal, Italien, Deutschland und immer öfter aus afrikanischen Ländern. Bei der Anzahl Mitarbeiter wird die Liste aus dem Internet erneut zum unfreiwilligen Zeitzeugen für die Rationalisierung: Von 30 Mitarbeitenden vor ein paar Jahren ist die Zahl auf heute 24 gesunken. Bei mindestens so hohem Arbeitsanfall, versteht sich. Und wie waren früher die Preise? "Der Büschel Radieschen kostete schon vor 40 Jahren etwa einen Franken wie heute", sagt Hans Eschbach. Inflationsbereinigt ist der Preis aber deutlich gesunken. "Dank rationellerer Produktion verdienen wir heute aber bei den Radieschen trotzdem nicht weniger als damals", sagt Sohn Andreas Eschbach. Die Produktpreise für Gemüse werden in den nächsten Jahren trotzdem weitersinken, prophezeit sein Vater. Eine weitere Strukturbereinigung sei unausweichlich.
Spezialisierung geht weiter
Etwas vorsichtiger in der Formulierung ist sein Sohn Andreas. "Es ist schwierig abzuschätzen, wie sich die Preise entwickeln." Wer wisse schon, was in der Zukunft noch passiere? Vieles sei schlicht nicht voraussehbar. Klar sei aber, dass die Kundschaft stark auf Preise reagiere. Mit seinen 1,6 Hektaren Gewächshaus- und den rund 18 Hektaren Freilandflächen gehört er zu den mittelgrossen Gemüsebaubetrieben. "Grösser werden ist nicht alles", sagt Andreas Eschbach. Es gehe primär darum, rationeller zu arbeiten und sich weiter zu spezialisieren. Deshalb hat er sich unter anderem auf den Anbau von Radieschen spezialisiert. "Nur zwei Gemüseproduzenten in der Schweiz ernten maschinell." In der regionalen Produktion sieht Andreas Eschbach eine weitere Chance: Mit dem "Ostergruss" setzt er deshalb wieder mehr auf die regionale Spezialität. Mit der Kresse pflegt er zudem ein Produkt, bei dem er schweizweit sogar zu den Pionieren gehört. Die Aussaatmaschine "Kressomat" und das Anbausystem hat er selbst entwickelt. Auf dem Sack mit der speziellen Erde steht "Eschbach-Substrat": Der Hersteller produziert es nach seinen Vorgaben.
Chancen für Spezialitäten
Andreas Eschbach ist überzeugt, dass es immer Möglichkeiten geben wird, Gemüse zu verkaufen. Als Problemfelder der Zukunft sieht er allenfalls die Verfügbarkeit von motiviertem Personal oder ein Anstieg des Zinsniveaus. "Viele Gemüsebetriebe müssen sich für teure Investitionen verschulden, um ihre Wettbewerbsfähig zu erhöhen." Sorgen bereiten dem Vater und dem Sohn zudem die Grenzöffnungs- und Freihandelsdiskussionen. Als grenznaher Betrieb kennen sie die Preise in Deutschland und Frankreich. Schweizer Gemüse sei zwar qualitativ besser als beispielsweise französisches und ein etwas höherer Preis deshalb gerechtfertigt.
Schweizer Bauern woher – wohin?
Seit 75 Jahren schlägt der LID Brücken zwischen Stadt und Land. In einer Artikelserie mit Bauern verschiedener Generationen sucht der LID 2012 Perspektiven für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft.
Trotzdem seien die Preise vor allem in Deutschland schon besorgniserregend: "Die Deutsche Produktion ist viel zu gross und das Lohnniveau erschreckend tief", sagt Hans Eschbach. Den Einkaufstourismus spüren sie unmittelbar. Für Hans Eschbach ist klar: "Bei einer Aufhebung des Grenzschutzes würden sich die Schweizer Gemüsepreise sofort nach unten anpassen." In diesem Fall müssten sie wenigstens gleich lange Spiesse wie die Konkurrenten in der EU haben, sagt Andreas Eschbach. Das heisst gleich hohe Investitionsgütersubventionen, tiefere Preise bei Hilfsmitteln oder auch günstigere Handwerker. Trotzdem ist er überzeugt, dass Schweizer Gemüse eine Zukunft hat: Er sieht vor allem Chancen für schwierig zu bewirtschaftende Kulturen wie bei ihm Radieschen oder Kresse. "Eng dürfte es für Massenprodukte wie Tomaten werden", sagt Andreas Eschbach. Ob dieser Übergang in einen offenen Markt in sechster Generation erfolgen wird, ist übrigens noch unsicher: "Von den drei Kindern hat sich noch niemand definitiv entschieden."


