
Über 600 Agronomen aus aller Welt, trafen sich kürzlich in Mailand, um das eigene Berufsprofil zu schärfen. Dazu eingeladen hatte die Weltvereinigung der Agronomen, die World Association of Agronomists (WAA), die an der Expo Milano 2015 den Pavillon "Global Farm of the Future 2.0" noch bis Ende Oktober 2015 betreibt. Am Freitag, dem 18. September fand der 6. Weltkongress der WAA mit der Präsentation der universellen Charta der Agronomen durch den neuen Präsidenten Andrea Sisti aus Italien ihren feierlichen Abschluss. In vier Jahren soll der nächste Weltkongress in Argentinien stattfinden.
Der Weltkongress stand unter dem Motto "Ernährung und Identität". In den nächsten Wochen folgen die technischen Berichte zu den behandelten Themenfeldern Biodiversität und Züchtung, Nachhaltigkeit und Produktivität, Regionalentwicklung und Identität, Ernährung und Lebensmittelverschwendung, Klimawandel und Agrarproduktion, Bildung und soziale Verantwortung. Die Agronomen diskutierten die Inhalte aufgrund ihrer unterschiedlichsten Hintergründe und Erfahrungen. Dabei teilten sie sich auf über 40 Pavillons auf, um stets die Vielfalt der kulturell und agrarökologisch geprägten Ernährungssysteme vor Augen zu haben. Die Diskussionen drehten sich dann aber um die Fragen, wie die Agronomen ihre Rolle und Aufgaben in diesen Themenfeldern sehen und was dies für ihre eigene Aus- und Weiterbildung bedeutet.
Fachleute für nachhaltige Ernährungssysteme
Die Agronomen wollen mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten die Produzenten, Verarbeiter und Verteiler entlang der verschiedenen Wertschöpfungsketten bei der Entwicklung nachhaltiger Ernährungssysteme fachlich begleiten. Sie sehen nicht nur die Potenziale dafür, sondern auch die praktischen Möglichkeiten, wie die regionalen Wertschöpfungsketten und Esskulturen gestärkt werden können. Auf die Renaissance regionaler Identitäten und Initiativen bauen immer mehr Unternehmen, wie zum Beispiel das neue Gastrounternehmen EATALY, das an der Expo in Mailand für grosses Aufsehen sorgt, und auch Länder wie Marokko, das den Export umweltbewusst und fair produzierter Spezialitäten für die mediterrane Küche konsequent vorantreibt. Geschmack, Sicherheit, ökologische und soziale Nachhaltigkeit und Gesundheit sind in allen Regionen der Welt gültige Qualitätskriterien, an denen sich die weitere Entwicklung messen lassen muss.
Verpflichtung zu verantwortlichem Handeln
In der universellen Charta verpflichten sich die Agronomen deshalb – als akademisch ausgebildete Generalisten mit Bodenhaftung – zu vernetztem Denken sowie zu ökologisch und sozial verantwortlichem Handeln. In einigen Ländern ist das Berufsprofil der Agronomen als Folge der gesellschaftlichen Relevanz gesetzlich geschützt, so in der kanadischen Provinz Quebec oder in mehreren Ländern des Mittelmeerraumes. Eine solche gesetzliche Regelung wird in vielen Ländern nicht möglich sein, umso wichtiger sind aktive nationale Berufsorganisationen, die sich bei den Hochschulen für eine hochstehende Lehre und Forschung in den Agrar- und Lebensmittelwissenschaften einsetzen können.
*Der Autor vertritt den SVIAL in der CEDIA und ist deren Vizepräsident. Dieses Amt nimmt er gegenwärtig im Rahmen seiner Anstellung als Senior Expert wahr. So soll eine kompetente und lückenlose internationale Vertretung sichergestellt werden, bis der/die neue Geschäftsführer/-in des SVIAL diese Funktion ordnungsgemäss übernehmen kann.
WAA - World Association of Agronomists
Gegründet von dreissig nationalen Berufsverbänden aus Südamerika, Spanien und Portugal, führte die WAA 1994 in Santiago (Chile) den ersten Weltkongress durch. Die WAA ist eine politisch und religiös neutrale gemeinnützige Organisation, die von Agronomen geführt wird. Die WAA fördert den Beruf Agronom bzw. Agrarwissenschaftler in allen Regionen der Welt. Die WAA befasst sich mit Fragen der Berufsethik, den sich wandelnden Herausforderungen für Agronomen und den damit verbundenen Rollen und Aufgaben, den gefragten Fähigkeiten und dem dafür notwendigen Wissen. Sie setzt sich für eine exzellente akademische Ausbildung an Hochschulen ein. Sie beteiligt sich an der sozialen und ökonomischen Entwicklung der ländlichen Räume und engagiert sich für die Entwicklung nachhaltiger Ernährungssysteme. Sie setzt sich dafür ein, dass Agronomen und die agrarwissenschaftliche Expertise in internationalen Regierungs- und Nichtregierungs-Organisationen genügend vertreten sind. Neuer Präsident der WAA ist seit dem 17. September 2015 Andrea Sisti, der als Präsident des italienischen Verbands der Agrar- und Forstingenieure CONAF auch den Weltkongress an der Expo Milano 2015 leitete.
Der Schweizerische Verband der Ingenieur Agronomen und Lebensmittel-Ingenieure (SVIAL) ist nicht direkt Mitglied der WAA, beteiligt sich aber am Austausch unter den Berufsverbänden der europäischen Nachbarländer im Rahmen von CEDIA, der Confederation Européenne des Associations d’Ingénieurs Agronomes, die wiederum Mitglied der WAA ist.
