
Von Cécile Meili und Jonas Ingold
Für das Bundesamt für Landwirtschaft entwickelt sich die Landwirtschaft in die gewünschte Richtung. An einer Medienkonferenz vergangene Woche zeigte sich das BLW zufrieden über die Auswertungen des ersten Umsetzungsjahres der Agrarpolitik (AP) 2014-2017. "Die angestrebten Ziele können erreicht werden", sagte BLW-Direktor Bernard Lehmann
Herzstück der AP 14-17 ist die Neuausrichtung der Direktzahlungen, die mehr auf Leistungen sowie Fläche ausgelegt sind. Auf die Nutzung der Flächen hätte es aber kaum Auswirkungen gehabt, sagte Vizedirektor Christian Hofer. Die Landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) der Betriebe mit Direktzahlungen stieg um 0,3 Prozent oder 3'000 Hektar an. Hofer begründete diese Entwicklung mit der gezielten Förderung der Bewirtschaftung in ungünstigeren Lagen. Mit Hang- und Offenhaltungsbeiträgen sowie Alpungs- und Sömmerungsbeiträgen schaffte man Anreize für die Bewirtschaftung solcher Flächen. Hochrechnungen zufolge wurden 2014 auch mehr Tiere gesömmert. "Der abnehmende Trend der Sömmerung wurde damit wie erwünscht gebrochen", sagte Hofer.
Von grosser Bedeutung in der neuen AP sind auch freiwillige Programme. "Der Übergangsbeitrag hat seine Wirkung entfaltet, die freiwilligen Programme haben zugenommen", sagte denn auch Christian Hofer. 70 Prozent der Bauern beteiligten sich im letzten Jahr an der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion (GMF). "Die Schweizer Landwirtschaft war in dieser Hinsicht bereits in einer guten Position, deshalb erfüllten so viele Betriebe die Anforderungen. Mit diesem Programm kann die Landwirtschaft auch weiterhin die Position halten", so das BLW zur geäusserten Kritik, die Bedingungen für das GMF-Programm seinen zu tief angesetzt.
Mit den umstrittenen Landschaftsqualitätsbeiträgen wird die Erhaltung einer vielfältigen Kulturlandschaft angestrebt. 71 Projekte wurden im vergangenen Jahr bewilligt, weitere 40 sind dieses Jahr vorgesehen. Der ausgerichtete Bundesbeitrag lag im ersten Jahr der Programme bei 70 Millionen Franken. Die Kantone beteiligen sich unterschiedlich stark daran, die Tendenz zeigt aber nach oben. Die in die Kritik geratenen Massnahmen der Kategorie Hofbereich und kulturelle Werte, wie zum Beispiel eine geordnete Lagerung der Siloballen oder Bauerngärten, machten nur vier Prozent der Landschaftsqualitätsbeiträge aus, erklärte Hofer.
Der steigende administrative Aufwand aufgrund der neuen Programme wurde von vielen Seiten kritisiert. Das BLW will dem mit dem Projekt "Administrative Vereinfachung" entgegentreten. Man könne sich auch vorstellen, künftig vermehrt Ziele zu definieren und weniger Auflagen und Vorschriften zu erlassen", sagte Bernard Lehmann. Doch dies sei einfach gesagt, aber weniger schnell umgesetzt. So sei etwa eine Frage, wie man reagieren könnte, wenn die Ziele nicht erreicht würden. Lehmann betonte auch, dass neue Massnahmen und Programme immer einen Initialaufwand bedeuteten. "Mit der steigenden Erfahrung vereinfacht sich das aber", so der BLW-Direktor.
Talbauern verlieren
Der Vergleich der Jahre 2013 und 2014 zeigt deutlich: Die Direktzahlungen verschieben sich wie erwartet vom Tal- ins Berggebiet. 76 Prozent der Talbauern erhielten weniger Direktzahlungen als im letzten Jahr, in der Bergregion dagegen bekamen 59 Prozent der Betriebe mehr. Im Sömmerungsgebiet konnten sich sogar 95 Prozent aller Betriebe über mehr Direktzahlungen freuen. Ein Talbetrieb erhielt im letzten Jahr für seine Leistungen durchschnittlich 51'400 Franken, 1'400 Franken weniger als im Vorjahr. Ein Bergbetrieb bekam im Durchschnitt 59'900 Franken, 2'600 Franken mehr als 2013. Bei 60 Prozent aller Betriebe lag die Veränderung innerhalb +/- 5000 Franken. Mit den Übergangsbeiträgen sei die Umverteilung wirksam abgefedert worden, betonte Lehmann. "Wir glauben, dass die Umstellung sozialverträglich geschehen ist", so der BLW-Direktor. Total wurden im vergangenen Jahr 2,809 Milliarden Franken in Form von Direktzahlungen den Betrieben abgegolten. Pro Betrieb machten im Durchschnitt die Direktzahlungen einen Viertel des Umsatzes aus.
Reaktionen von Verbänden
Es sei schlicht unmöglich, bereits nach einem Jahr die Veränderungen und Folgen bei den Landwirtschaftsbetrieben komplett zu erfassen, schreibt der Schweizer Bauernverband (SBV) zur ersten Bilanz des BLW. Vor allem, weil andere Faktoren wie Produzentenpreise oder Witterungsbedingungen ebenfalls grossen Einfluss hätten. So seien die höheren Einkommen 2014 in erster Linie auf gute Marktsituationen zurückzuführen. Tatsächlich wies auch das BLW an der Medienkonferenz darauf hin, dass in diversen Bereichen Aussagen zur Wirkung noch nicht möglich seien.
Die Betriebe hätten sich bereits überraschend schnell und in grossem Umfang an den neuen Agrarpolitik-Programmen beteiligt, schreibt der SBV weiter. Ein Grund dafür sei, dass einzelne Kantone sehr aktiv beim Entwickeln von Landschaftsqualitätsprojekten gewesen seien, um die drohenden finanziellen Ausfälle für die Landwirtschaft aufzufangen. Der SBV hält es aber in verschiedenen Fällen für fraglich, ob die Massnahmen sinnvoll sind. Weiter hätten Betriebe Verluste aufgrund des Wegfalls der Tierbeiträge mit der Teilnahme an der grünlandbasierten Milch- und Fleischproduktion abgefedert. Kritisiert wird vom Bauernverband dabei der hohe administrative Aufwand, den die neuen Programme mit sich bringen. Der SBV begrüsst aber das Projekt zur administrativen Entlastung der Landwirtschaft.
Ebenfalls zum ersten Fazit des BLW geäussert hat sich die Agrarallianz. Sie wertet dieses positiv und sieht keinen Anlass für Gesetzes- oder Verfassungsanpassungen. Die Allianz fordert Bund, Kantone und alle Verbände auf, den Bauern Zeit zu geben und die Erfahrungen mit dem neuen System in den kommenden Jahren vorbehaltlos auszuwerten. Das Dauergetrommel im Parlament rund um produzierende Landwirtschaft, Cassis-de-Dijon und weiteres sei gefährlich für das Image, heisst es weiter. Die Organisation weist unter anderem darauf hin, dass 83 Prozent aller Direktzahlungen einen sehr engen Bezug zur Produktion hätten und nur 17 Prozent prioritär der Ökologie dienten.
Die Landwirtschaftsbetriebe seien offensichtlich dazu bereit, ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu leisten, wenn sie dafür fair abgegolten würden, schreibt Vision Landwirtschaft. Kritisiert wird von der Organisation das Bundesamt: Es sei unverständlich, dass dieses auf dem Verordnungsweg bereits wieder den Retourgang einschalten wolle. So habe das BLW unter dem irreführenden Titel "Administrative Vereinfachungen" zahlreiche Rückschritte der Reform vorgeschlagen. Besonders, dass Mittel für die Biodiversität gekürzt werden sollen, wird von Vision Landwirtschaft beanstandet. Das BLW habe sich vor den Karren einiger Interessengruppen spannen lassen, welche die Reformbemühungen bekämpften.
Die Kleinbauernvereinigung hält es für erfreulich, dass sich die Bäuerinnen und Bauern gut der neuen Agrarpolitik angepasst haben. Sie kritisiert aber, dass viele Direktzahlungen flächenbezogen sind. Damit seien grosse Betriebe im Vorteil, das Bauernsterben gehe weiter und werde von der Politik gar forciert. Leider habe das BLW keine Angaben gemacht, welche Betriebe nach Grössenklassen besonders von den neuen Direktzahlungen profitiert hätten oder zu den Verlierern gehörten, so die Kleinbauern. Vermehrt zum Problem werden gemäss der Vereinigung die Auswüchse nach oben. Verlangt werden deshalb klare Obergrenzen.