Die Schweizer Landwirtschaft will ein neues Label namens „Suisse Contrôlé“ einführen. Die Einführung steht und fällt mit dem Goodwill der Grossverteiler. Deshalb sorgte Anfang Februar ein Schreiben der Migros mit kritischen Fragen kurz für Hektik hinter den Kulissen. Der orange Riese wünschte Profilierungsmöglichkeiten für sich selbst. „Das ist nicht möglich“, stellt Niklaus Schällibaum von der Agro Marketing Suisse (AMS) klar. Die AMS betreut das Projekt. Die beiden Grossverteiler müssten nur schon deshalb gleich behandelt werden, weil ein Teil des Geldes aus der Absatzförderung des Bundes stamme. Die Fragen der Migros nach der Finanzierung und nach dem Engagement der gesamten Landwirtschaft habe man aber positiv beantworten können, sagt Schällibaum. Anfang März soll ein Treffen mit der Migros Klarheit schaffen.
Mit Coop hat die Landwirtschaft sich schon in dieser Woche getroffen, und die Sache scheint gut voranzukommen. Zu diskutieren gibt noch das Kontrollkonzept, das mit den Kantonschemikern und mit dem Bundesamt für Gesundheitswesen abgesprochen werden muss. Ferner geht es darum, mit welchen Aussagen für das Label geworben werden kann. Gesetzlich vorgeschriebene Produktionsbedingungen wie etwa das Tiermehlverbot dürfen nicht „ausgelobt“ werden, wie es in der Juristensprache heisst. Der Ökologische Leistungsnachweis dagegen wäre juristisch gesehen ein Verkaufsargument.
Konsumentenvertreterinnen haben keine Freude
Liselotte Steffen vom Konsumentenforum sieht im ÖLN kein Verkaufsargument für ein Label. Ein solches müsste aus ihrer Sicht für eine Produktion stehen, die klar über das gesetzliche Niveau und allgemeine Standards hinausgeht. Und nur mit der Herkunft Schweiz zu werben, sei schwierig, die Herkunft müsse ja jetzt schon deklariert werden. Steffen ist auch etwas enttäuscht, dass die Konsumentenverbände bis jetzt nicht einbezogen worden seien, obwohl dies versprochen worden sei. Gar nicht begeistert vom neuen Label ist auch Jacqueline Bachmann, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz: „Den Konsumenten hilft ein weiteres Label nichts, es trägt nur zur Intransparenz bei“. Sie kann sich auch nicht vorstellen, dass die Grossverteiler eines ihrer Fleischlabel zugunsten von „Suisse Contrôlé“ aufgeben werden.
Unerschütterlich optimistisch ist dagegen Niklaus Schällibaum. Die Vereinfachung des Labelsalats sei durchaus ein Ziel. „Mit einer guten Werbung gewinnt das Label rasch grosse Verbreitung“, sagt er. Und eine gute Werbung sei machbar angesichts der rund 100 Millionen, die den Branchenorganisationen zur Verfügung stünden. Da werde sich irgendwann bei manchem privatem Label die Frage stellen, ob es nicht besser aufgegeben würde.
"Monsieur Suisse Contrôlé" ist eingesetzt
Um der Sache mehr Schub zu verleihen, beschlossen die Organisationen letzte Woche, bei der AMS einen „Monsieur Suisse Contrôlé“ einzusetzen. Francisco Fernandez vom Verband schweizerischer Gemüseproduzenten, der diese Aufgabe übernimmt, befasst sich seit längerem mit dem Label. Seine Aufgaben seien Kommunikation und Repräsentation, sagt er. Konkret wird er etwa mit den Einkäufern bei den regionalen Migros-Genossenschaften sprechen, um sie vom Label überzeugen. Mit „Monsieur Suisse Contrôlé“ wird nun wieder in der Gemüse- und Obstbranche Dampf gemacht, wo die Idee ursprünglich herkommt. Diese Branche hat das Label schon anfangs Jahr an der Fruit Logistica in Berlin vorgestellt. Botschafter Thomas Borer wies dort stolz auf das neue Label hin, das schon seit Anfang Jahr eingeführt sei. Nicolas Fellay, Direktor der Gemüseproduzenten, bemängelt in diesem Zusammenhang, dass bei der AMS manche Leute geistig noch nicht vom Q-Label auf „Suisse Contrôlé“ umgeschaltet hätten. Man müsse da manchmal kontrollieren, dass die Dinge auch rechtzeitig passierten.