Lesen Sie den vollständigen Beitrag im neuen LID-Dossier "Tierwohl zwischen Gesellschaft und Politik".
Wenn man versucht, die Standards der Tierschutzgesetzgebung verschiedener Länder zu vergleichen, steht man vor einem nahezu unüberschaubaren Wirrwarr unterschiedlicher Vorschriften. Ein schematischer Vergleich über alle Länder und Regionen hinweg ist schwierig bis unmöglich.
Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass die Schweizer Tierschutzvorschriften in vielen Bereichen strenger und detaillierter sind als z.B. die Mindeststandards in den EU-Richtlinien, und die EU-Richtlinien sind wiederum strenger als Richtlinien in Südamerika oder Asien.
Strenge Regeln in der Schweiz
Wer die Schweizer Tierschutzgesetzgebung erfüllt, bietet seinen Tieren ein einigermassen artgerechtes Leben - das ist nicht ein Maximum an Tierwohl, sondern in erster Linie das Vermeiden von Tierquälerei. Was nach wenig tönt, ist international gesehen eine beachtliche Leistung: Zum Beispiel ist in der Schweiz als einzigem Land der Welt das Kastrieren von Nutztieren ohne Schmerzausschaltung (Betäubung) verboten.
Dazu kommt, dass in der Schweiz deutlich mehr Bereiche geregelt werden als in vielen umliegenden Ländern. Das Spektrum reicht in der Schweiz von Ausbildungsanforderungen für Tierhalter, über Anforderungen an die Tierunterkunft (Platzbedarf, Einstreu, Lärm, Beleuchtung), die Haltung und Fütterung bis zur Schmerzausschaltung bei zootechnischen Eingriffen, dem Zutrittsrecht für Vollzug und Kontrolle und den Abmessungen von Unterständen bei der dauernden Haltung im Freien. In anderen Ländern werden teilweise nur die Tiertransporte geregelt - was in erster Linie historisch begründet und seuchenpolitisch motiviert ist.
Geringe Anforderungen in der EU
In der EU gibt es zwar Mindestvorschriften, die für alle Mitgliedsländer gelten, doch deren Anforderungen sind gering. Bei den Tierschutzbestimmungen der einzelnen Länder bestehen grosse Unterschiede. Das EU-Parlament hat im Jahr 2012 eine Zusammenführung aller Vorschriften in einer einheitlichen EU-Tierschutz-Gesetzgebung gefordert, deren Einhaltung zudem streng überwacht werden sollte. Damit sollten gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Nutztierhalter in der EU geschaffen werden. Ausserdem sollten die neuen Gesetze endlich auch Milchkühe, streunende Hunde, Katzen und Haustiere einbeziehen. Diese Tierarten fallen nämlich bislang noch nicht unter die EU-Gesetzgebung.
Doch dieser Vorstoss stiess auf grossen Widerstand und zwar aus zwei Gründen: Erstens ist es bis heute noch nicht einmal gelungen, die bisherigen Vorschriften in allen Ländern durchzusetzen. Und zweitens ist die Mentalität in den EU-Staaten offenbar zu verschieden, um sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen zu können.
In der Schweiz dürfen Tiere maximal 6 Stunden transportiert werden. In der EU dürfen Schweine bis zu 24 Stunden am Stück transportiert werden, solange sie Zugang zu Trinkwasser haben. Lange Fahrten sind ungesund, sie schwächen das Immunsystem. Das kann laut Schweizer Tierschutz STS dazu führen, dass sich bei Hühnern Salmonellen stärker ausbreiten. Während in der Schweizer Hühnerhaltung Salmonellen dank eines ausgeklügelten Systems und tierfreundlicher Haltungsformen kaum vorkommen, werden in 20 bis 40% der EU-Geflügelhaltungen Salmonellen nachgewiesen. Fachleute gehen laut STS davon aus, dass in der EU bis zu 2 Mio. Schweine jährlich beim Transport verenden - das sind fast so viele wie in derselben Zeit in der Schweiz geschlachtet werden. Beim Geflügel wird geschätzt, dass gegen 10 Millionen Tiere in der EU jährlich dem Transport zum Opfer fallen. Das entspricht praktisch dem ganzen Geflügelbestand der Schweiz.
Gegenüberstellung Schweiz / EU
Die vier wichtigsten Unterschiede zur Tierschutzgesetzgebung zur EU lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Während die CH-Tierschutzgesetzgebung zu allen Nutztieren detaillierte Vorschriften und Mindestmasse vorgibt, fehlen EU-Richtlinien u.a. zur Haltung von Kühen, Mastvieh, Truten, Straussen und anderen Geflügelarten (ausser Hühnern), Schafen, Ziegen und Pferden. Damit sind Millionen von Nutztieren in der EU ohne gesetzlichen Schutz.
- Die EU schreibt keinen TÜV für serienmÄssig hergestellte und verkaufte Haltungssysteme und Stalleinrichtungen vor. In der Schweiz mÜssen diese auf TierschutzkonformitÄt und Praxistauglichkeit geprÜft und bewilligt werden, was den Tieren (aber auch den Tierhaltern) zugutekommt.
- In der Schweiz sind die allermeisten schmerzhaften Eingriffe verboten, in der EU hingegen dürfen beispielsweise junge männliche Kälber, Zicklein, Ferkel etc. ohne Schmerzausschaltung kastriert werden. Das in der Schweiz verbotene Schnabel- und Schwanz-Coupieren oder das Herausbrechen von Zähnen bei Ferkeln ist in der EU zulässig.
- Während in der EU Tiertransporte nicht beschränkt sind (40- bis 60-stündige Fahrten sind keine Seltenheit) dürfen in der Schweiz Tiere maximal 6 Stunden transportiert werden.