In den Regalen an den Wänden reihen sich Flaschen mit selbst gekeltertem Wein, Honig und Konfitüre, die Kisten sind gefüllt mit Frühkartoffeln, Äpfeln und Tomaten. Am Strassenrand weist eine Tafel den Weg zum Schryberhof, der Eingang ist mit Begonien und Fuchsien in Töpfen geschmückt. Kurt Mathys kehrt eben von der Liefertour zurück. Den Schryberhof im aargauischen Villnachern übernahm er 1982 und führte weiter, was sein Vater aufgebaut hatte. "Bis vor zehn Jahren betrieben wir neben der Direktvermarktung noch Grossviehmast und Aufzucht von Remonten", erzählt er. Der Absatz ging jedoch immer stärker zurück, der Markt wurde zu klein. Für Agathe und Kurt Mathys war schnell klar, dass sich dieser Betriebszweig nicht mehr lohnt. "Unser Hof ist mit gut 13 Hektaren relativ klein, trotzdem wollten wir ohne allzu viel finanzielle Unterstützung auskommen", sagt Mathys.
Umstellung hat sich gelohnt
Sie setzten ganz auf Direktvermarktung und hatten Erfolg. Beratung konnten sie sich damals nirgends holen, die Ratschläge vom Vater waren die einzige Hilfe. Auch den Umgang mit den Kunden lernte Mathys durch die tägliche Praxis, einen Verkaufskurs hat er nie besucht. "Die Umstellung auf die Direktvermarktung hat sich klar gelohnt", freut er sich. Von der Viehhaltung dagegen ist die Familie Mathys in der Zwischenzeit ganz abgekommen: Ausser sieben Pensionspferden für die Raufutterverwertung und 50 Hühnern werden heute keine Tiere mehr auf dem Bauernhof gehalten. Die Legehennen decken den Bedarf an Eiern für den Marktverkauf ab.
Neben Gemüse und Früchten gehört auch eigener Wein und Schnaps zum Sortiment des Schryberhofs. Gekeltert wird gemeinsam mit sieben weiteren Rebbauern, "das ist wirtschaftlich sinnvoller". Kurt Mathys baut auf den 1,4 Hektaren die Sorten Müller-Thurgau, Blauburgunder, Diolionoir, Dornfelder und Zweigelt an. Jährlich produziert er 5’000 Liter weissen und roten Wein, hinzu kommt noch etwas Schaumwein und Schnaps. 90 Prozent davon wird direkt im Hofladen verkauft, den Rest liefert Mathys an Restaurants in der Region.
LID-Sommerserie (1):
Typisch Schweizer Bauern
LID. Den typischen Schweizer Bauernbetrieb gibt es nicht. Typisch für die Schweizer Landwirtschaft ist vielmehr ihre Vielfalt: Die Schweizer Bäuerinnen und Bauern sind so verschieden, wie die Menschen, die Regionen, in denen sie wirtschaften. In den Bergregionen sieht das Bauernleben ganz anders aus als im Schweizer Mittelland. Die Schweizer Bauern denken auch verschieden: Manche bauern nach biologisch-dynamischen Grundsätzen, andere führen einen Grossbetrieb wie ein Unternehmen, manche pflegen den direkten Kontakt mit den Konsumenten, andere konzentrieren sich auf die effiziente Rohstoffproduktion. Der LID besucht und porträtiert in seiner diesjährigen Sommerserie Bäuerinnen und Bauern, die diese Vielfalt sichtbar machen.
Mit dem Typ "Direktvermarkter" eröffnen wird die Serie "Typisch Schweizer Bauern". In den nächsten Ausgaben porträtiert der LID die "Kleinbauern", die "Grossbauern", die "Bergbauern", die "Autobahnbauern", die "Verarbeiter" und die "Biodynamiker".
Importe ergänzen das Sortiment
Auch das Früchte-Angebot lässt sich sehen: Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Pflaumen und Kirschen bietet die Familie ihren Kunden an. Hinzu kommen Gemüse wie Bohnen, Kürbis, Sellerie und Nüsslisalat. Im Frühling wird das Sortiment zudem durch verschiedene Salate und Kohlrabi aufgestockt. "Im Herbst verzichten wir darauf, weil wir in dieser Jahreszeit unsere Arbeitsspitze verzeichnen", erklärt Agathe Mathys.
Dass ein kontinuierliches Sortiment für einen regen Verkauf sorgt, weiss die Familie Mathys aus Erfahrung: "Bieten wir im Winter nur Lagergemüse an, verzeichnen wir sofort einen Umsatzeinbruch." 80 Prozent der verkauften Produkte stammen vom eigenen Hof, doch für Mathys muss sich auch der Anbau lohnen. Die Produktion von Beeren beispielsweise überlässt er lieber jenen Berufskollegen, die sich darauf spezialisiert haben. Deshalb kauft das Ehepaar seit 12 Jahren auch Importwaren ein, um das Sortiment möglichst reichhaltig zu gestalten. Die zugekauften Produkte werden klar deklariert.
Details zum Schryberhof
Adresse: Kurt und Agathe Mathys, Schryberhof 94, 5213 Villnachern AG
Betriebsform: Direktvermarktung; 30 Quadratmeter Ladenfläche
Grösse: 13,2 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche und 3,8 Hektaren Wald
Anbau: 2,7 Hektaren Obstbau, 1,4 Hektaren Reben, 1,4 Hektaren Sommerweizen, 90 Aren Soja, 80 Aren Gemüse, 0,6 Hektaren Weideland, Naturwiesen und Trockenstandorte
Tiere: 50 Hühner, 7 Pensionspferde
Übernahme des Betriebs: 1982
Mitarbeiter: 7 Teilzeitstellen, circa 100 Stellenprozent
Vom Grossverteiler distanzieren
Kurt Mathys weiss, dass er sich dadurch bei andern Direktvermarktern unbeliebt macht, doch der Kauf von Importwaren bringt ihm noch einen anderen Vorteil: Er kann sich so über die handelsüblichen Preise informieren. "Die Preiskalkulation ist bei der Direktvermarktung sehr wichtig", meint der 47-Jährige. Die meisten Buchhaltungen der Schweizer Bauern seien für den freien Markt nicht tauglich. Den Umsatz konnte das Ehepaar Mathys zwar jährlich steigern, die Handelspreise sind aber auch geklettert.
Die regelmässige Kalkulation der Preise erarbeiten Agathe und Kurt Mathys zusammen, für die Buchhaltung wird die Agro Treuhand Aargau beigezogen. Die administrativen Arbeiten wie Lohnauszahlungen und Buchungen erledigt Agathe Mathys. "Ich machte zwar einen Computerkurs, am meisten profitierte ich aber vom ‚Learning by doing’", sagt die 50-Jährige lachend.
Mathys verkauft seine landwirtschaftlichen Produkte jedoch nicht nur im Hofladen, sondern auch an Restaurants in der Umgebung und auf den Wochenmärkten in Brugg und Aarau. Drei Viertel der Kundschaft kommt regelmässig – und dies nicht, weil er der einzige regionale Anbieter ist. "Die Kunden kommen nicht von selbst, man muss sie zu sich holen", ist der Bauer überzeugt. Hier setzt die Familie Mathys auf vorbildlichen Service, ein persönliches Verhältnis zu der Stammkundschaft und Qualität. Agathe Mathys: "Wir haben kaum Wechsel beim Personal, das schätzen die Kunden." Die mechanische Waage soll einen Unterschied zu den elektronischen Gewichtsanzeigen im Grossmarkt markieren. Denn: "Wichtig ist, dass wir uns mit unserem Service ganz klar vom Grossverteiler abheben – das ist unsere Stärke." Saisongemüse wird an vorderster Front präsentiert und wenns gar nicht laufen will, stellt sich der Bauer persönlich vor den Marktstand und spricht die Passanten an.
Degustationen als Werbemittel
Für das Ehepaar ist klar, dass die Mund-zu-Mund-Propaganda die beste Werbung ist. Zudem lädt der Schryberhof vier Mal im Jahr zu öffentlichen Anlässen. "Dann sehen die Kunden, woher unsere Ware stammt", beschreibt Kurt Mathys die Vorzüge eines solchen Anlasses. Er verstehe nicht, weshalb andere Direktvermarkter diese Art der Werbung nicht vermehrt nutzten. Er deklariert die Degustations-Anlässe als Kundenpflege – Gewinn will er damit nicht erzielen.
Neben dem Direktverkauf hat sich die Familie Mathys einen weiteren Betriebszweig aufgebaut: Die Bewirtung von Gesellschaften. "Die Idee kam uns, als wir vermehrt Anfragen für Weindegustationen erhielten", erinnert sich Mathys. Die alte Scheune wurde 1995 zu einem Degustationsraum mit Platz für 40 Gäste umgebaut, 2002 folgte eine Gastroküche im Nebenraum, die den Aufwand vermindert. Die Bewirtung ist zu einem wichtigen Teil des Erwerbs geworden. Unter einer mit Reben überwachsenen Pergola können die Gäste auch im Freien dinieren.
Heute bewirtet die Familie Mathys jährlich rund 50 geschlossene Gesellschaften. Kurt Mathys: "Wir haben dafür eigentlich nie Werbung gemacht, doch heute sind wir jeweils bereits im Juni ausgebucht." Natürlich müsse man aufpassen, dass nicht jedes Wochenende reserviert sei, meint Agathe Mathys. "Die Arbeit kann einen sonst auffressen." Gemeinsam mit ihren beiden Töchtern bekocht und bedient sie die Gäste, bei Schwierigkeiten holt sie sich Rat bei ihrem ältesten Sohn, der eine Kochlehre absolviert hat.
Abhängigkeit verringern
Den Hof übernehmen will später einmal der 19-jährige Michael – einer der Drillinge in der siebenköpfigen Familie – der eben die landwirtschaftliche Fachschule abgeschlossen hat. Die fünf Kinder zwischen 17 und 20 Jahren helfen alle auf dem Hof mit, genauso wie der 83-jährige Vater von Kurt Mathys. "Er will noch etwas zu tun haben und für uns ist er eine grosse Hilfe", beschreibt Mathys die gegenseitigen Vorteile der väterlichen Hilfe. Für die Bedienung am Markt in Brugg und Aarau beschäftigt der Bauer je drei Teilzeitangestellte, was ungefähr hundert Stellenprozent entspricht. Zusätzlich hilft am Freitag eine weitere Angestellte bei der Bedienung im Hofladen, der täglich nachmittags, und samstags den ganzen Tag geöffnet ist.
Geerntet wird jeweils montags und donnerstags. Die Ware wird gewaschen, grob gerüstet und in zwei unterschiedlich temperierten Kühlräumen gelagert. "Ohne eine gute technische Einrichtung lässt sich eine profitable Direktvermarktung nicht betreiben", ist Mathys überzeugt.
Alle müssen anpacken
Und was sind die Vorteile dieser Betriebsform? "Wir können dadurch die Abhängigkeit zu den Grossverteilern vermindern", erläutert der Bauer. Zudem könne man preislich gut mit dem Niveau des Marktes mithalten, da importierte Ware meist teurer sei. Nachteile sind die langen Präsenzzeiten, das ständige persönliche Engagement und, wie Sohn Michael anfügt, das Marktfahren bei jedem Wetter. "Ist man allein stehend, ist diese Betriebsform nicht möglich", meint Mathys. "Die ganze Familie muss mit anpacken."
Der Direktverkauf bietet Agathe und Kurt Mathys die Möglichkeit, ihren kleinen Bauernbetrieb rentabel zu führen. Die Direktzahlungen tragen rund 15 bis 20 Prozent zum Einkommen bei: Der Schryberhof liegt in der voralpinen Hügelzone und die Mathys produzieren nach den Richtlinien des Labels "IP-Suisse". Für Kurt Mathys ist aber klar, dass der Staat nicht ewig Geld für die Landwirtschaft locker machen wird, deshalb will er nicht allzu abhängig sein von der finanziellen Hilfe des Bundes. Die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft sieht Mathys vor allem in grösseren Bauernbetrieben, die sich auf gewisse Produkte spezialisieren. "Wirft man einen Blick ins Ausland, sieht man, wie sich die Landwirtschaft in der Schweiz entwickeln wird", glaubt Mathys.
Vergrössern und weiter spezialisieren
Als Direktvermarkter sieht er sich als Einzelkämpfer, der Austausch mit anderen Bauern sei teilweise schwierig. Mit seinem Betrieb will er sich weiter spezialisieren und so jene Kundengruppe ansprechen, die nicht nur beim Grossverteiler einkaufen will. "Wenn wir zu unseren Kunden Sorge tragen, können wir auch unseren Platz behaupten", meint Mathys. Gerade die junge Generation spreche auf persönliche Beratung und freundliche Bedienung an. Deshalb wolle und könne er die Preise in den nächsten Jahren nicht extrem steigern, "denn auch junge Familien sollen auf dem Markt einkaufen können". In Zukunft möchte die Familie Mathys ihren Hof vergrössern und profitable Geschäftszweige ausbauen. Mathys: "Wir müssen in Bewegung bleiben und uns den Kundenwünschen anpassen."
Bild 1: Vermarkten seit zehn Jahren alles selbst:
Agathe und Kurt Mathys.
Bild 2: Die Direktvermarktung verbessert das Einkommen
und macht unabhängiger von Grossverteilern und Staat.
Bild 3: Gut 13 Hektaren gehören zum Schryberhof - dank
Direktvermarktung und Gästebewirtschaftung gibt es aber
Arbeit für mehr als eine Familie.
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