"Die Trauben wurden uns aus der Hand gegessen", sagt Bruno Hugentobler, Obstbauberater und Initiant von Tafeltraubenversuchen am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg TG. Gegen drei Tonnen konnten die Thurgauer Tafeltrauben-Produzenten im ersten Erntejahr schneiden und problemlos absetzen. Möglich wurde die Ernte in diesem Herbst dank dem Hitzesommer. Eigentlich haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Thurgauer Tafeltrauben (Thurta) in den vor einem Jahr gepflanzten Anlagen erst für nächsten Herbst einen Ertrag erwartet.
Für nächstes Jahr erwartet Hugentobler 30 bis 50 Tonnen Thurgauer Tafeltrauben. Bei Vollertrag rechnet er mit 15 bis 20 Tonnen Trauben pro Hektare. Geerntet werden die bevorzugten Sorten in einem Normaljahr zwischen Mitte September und Mitte Oktober. Vermarkten will die Thurta die einheimischen Trauben aber, wenn die Hauptsaison der Importtrauben vorbei ist, also von Oktober bis Weihnachten. Deshalb werden lagerfähige Sorten bevorzugt und in Zusammenarbeit mit zwei deutschen Forschungsanstalten Lagerversuche durchgeführt.
Pflanzmaterial fehlt
In der Arbeitsgemeinschaft sind zurzeit neun Produzenten mit rund vier Hektaren Rebfläche zusammengeschlossen. Weitere vier Hektaren werden in diesem Herbst gepflanzt werden. Interessierte Produzenten gäbe es noch mehr, es fehlt aber an Pflanzmaterial. "Die Sorten, die sich bis jetzt am besten bewährt haben, stammen aus Tschechien und Ungarn", erklärt Hugentobler. Die Rebschulen dort seien zu wenig leistungsfähig, um die zurzeit grosse Nachfrage nach Tafeltrauben-Pflanzmaterial zu befriedigen. Denn nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland entdecken Bauern die Nische Tafeltrauben.
Decken lässt sich der Bedarf nicht von heute auf morgen, denn Reben werfen frühestens im dritten Jahr nach dem Pfropfen einen ersten Ertrag ab. Entweder werden junge Pfropfreben direkt in den Weinberg gesetzt oder sie verbringen die ersten zwei Jahre in der Rebschule und werden nachher in den Rebberg gepflanzt. Die Thurgauer haben letztere Variante gewählt.
Anders als im Thurgau ist im zweiten Hauptanbaugebiet, dem Wallis, vorerst keine grössere Ausdehnung der Tafeltraubenfläche geplant. "Die Vermarktung ist mit Unsicherheiten behaftet", erklärt Obstbauberater Jacques Rossier gegenüber dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst LID die Zurückhaltung der Walliser. In den letzten fünf Jahren haben zehn Produzenten rund 3,5 Hektaren gepflanzt. Dieses Jahr wurden ungefähr fünf Tonnen Tafeltrauben vermarktet, schätzt Rossier.
Interessant für Bioproduzenten
Interessiert sind im Wallis vor allem Bioproduzenten. "Im Biobereich ist die Konkurrenz aus dem Ausland nicht so gross", sagt Rossier, der Sortenversuche im Wallis leitet. Gestestet wird deshalb auch, welche Sorten ohne Pflanzenschutzmittel gedeihen. Rebsorten, die gegen Pilze resistent sind, werden auch von der Forschungsanstalt Wädenswil getestet, jedoch mit Schwerpunkt Weinbau. Ausserdem gibt es in der Schweiz züchterische Initiativen für Tafeltrauben. Im Oktober 2001 erhielt Silvia Blattner aus Soyhières JU für ihre krankheitsresistente Tafeltraube "Birstaler Muscat" den Prix d,innovation agricole suisse.
Inlandanteil noch minim
Ausserhalb des Thurgaus und des Wallis gibt es weitere Tafeltraubenpflanzungen, vor allem in der Zentralschweiz. Hugentobler schätzt die gesamte Fläche auf zehn Hektaren. Das ergibt in den nächsten Jahren rund 200 Tonnen Tafeltrauben. Zum Vergleich: Im letzten Jahr wurden gut 34,000 Tonnen Tafeltrauben importiert, in den Vorjahren jeweils rund 40,000 Tonnen.
Siehe auch: "Schweizer Trauben in den Startlöchern" im LID-Mediendienst Nr. 2585 vom 26. September 2002