Die Schweizer Schweinepreise liegen im Keller. Auch in der EU nimmt der Druck auf die Schweineproduzenten immer mehr zu. Hüben wie drüben ringen die Bauern um Marktanteile. Dass die Schweizer Landwirte mit verhältnismässig hohen Produktionskosten kämpfen, ist bekannt. Die Schweineproduzenten bilden hier keine Ausnahme. Und nun legt die Suisseporc, der Schweizerische Schweinezucht- und Schweineproduzentenverband, eine Exportstudie für Schweinefleisch und Schweinefleischprodukte vor.
"Wir wurden oft gefragt, ob wir nicht in den Wolken schweben, eine Exportstudie zu präsentieren, wo doch sowieso klar ist, dass kein Schweinefleisch exportiert werden kann", sagte Adrian Schmitter, Geschäftsführer der Suisseporcs, Anfang November im "Schweizer Bauer" . Wie klar dies ist, müsse sich allerdings noch zeigen, die Suisseporcs habe es auf jeden Fall genauer wissen wollen. Marc Zuber von der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau (LBL) hat den Schweinefleischmarkt denn auch – im Auftrag der Suisseporcs – genauer unter die Lupe genommen und eine Exportstudie verfasst.
Preislich nicht wettbewerbsfähig, aber die Qualität stimmt
Es war zu erwarten: Die Studie zeigt auf, dass die Gestehungskosten für Schweinefleisch in der Schweiz viel zu hoch sind. Im Vergleich zur EU und zum Weltmarkt können die Schweizer Landwirte ihre Tiere nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen an schweizerische Fleischexportbetriebe liefern. Vorraussichtlich wird die Preisdifferenz zwischen der EU und der Schweiz auch mit der Agrarpolitik 2002 nur unwesentlich kleiner, wie Prognosen der Studie vermuten lassen. "In welchem Ausmass sich die Preise einander annähern werden, hängt vorwiegend vom Grenzschutzniveau ab, das wiederum wesentlich durch die WTO-Bestimmungen und das Verhältnis der Schweiz zur EU beeinflusst wird", erläutert Zuber.
Ob ein Agrarprodukt im Export eine Chance hat, hängt aber nicht allein vom Preis ab. Die Stärke der schweizerischen Schweineproduktion liegt in der Qualität. Zu nennen sind hier die zahlreichen Labelprogramme und das Qualitäts-Management-System für Schweizer Fleisch. Ausserdem werden tierfreundliche Haltungssysteme vom Bund gefördert, antimikrobielle Leistungsförderer werden ab 1. Januar 1999 als Futterzusatz verboten, und in den Schlachthöfen sollen die Tiere nach ihrer Qualität eingestuft und bezahlt werden. Diese Massnahmen können die qualitative Wettbewerbsfähigkeit des einheimischen Schweinefleisches weiter verbessern, meint Zuber, stellt aber klar, dass "die qualitativen Vorzüge von Schweizer Schweinefleisch das erhebliche Manko an preislicher Wettbewerbsfähigkeit für den Export nicht wettmachen können".
Dieser Meinung ist auch Jürg Schletti von der Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung (GSF). "Die italienischen und spanischen Markenschinken sind von ausgezeichneter Qualität", gibt er zu bedenken. Für Schweizer Produkte sei es da unheimlich schwer, sich einen Absatzmarkt zu schaffen. Vorderhand könnten Schweizer Produkte daher nur zum Weltmarktpreis exportiert werden. Aber bereits auf Produzentenebene werden die grossen Preisunterschiede sichtbar. Die Deutschen Landwirte erhalten momentan 1.60 DM (1.31 Franken) pro Kilo Schlachtgewicht für ihre Tiere. In der Schweiz degegen liegt der Preis, den die Bauern pro Kilo Schlachtgewicht lösen, bei 3.80 Franken, sagt Schletti.
Bestehender Exportmarkt
LID. Im Vergleich zur Importmenge sind die in der Zeitspanne 1988-1997 getätigten Exporte von Schweinefleisch marginal. Zu den ausgeführten Schweinefleischprodukten gehörten vorwiegend gesalzenes, getrocknetes und geräuchertes Schweinefleisch sowie Wurstwaren. Als Absatzmärkte standen ausgewählte Länder Asiens und – sporadisch – Osteuropa im Vordergrund. Die schweizerischen Fleisch-exporte werden heute in erster Linie im Rahmen sogenannter Austauschgeschäfte (ATG) getätigt. Diese Geschäfte ermöglichen es den inländischen Fleischverarbeitungsbetrieben, den Rohstoff für die Exporte grundsätzlich zu Weltmarktpreisen einzuführen. Der heute im Inland zum Exportprodukt veredelte Rohstoff ist demnach nicht schweizerischen Ursprungs.
Kurzfristig entlasten Austauschgeschäfte den Schweizer Schweinemarkt nicht. "Sie ermöglichen aber, dass sich eine Marke wenigstens im Ausland etablieren kann", erklärt Jürg Schletti von der Genossenschaft für Schlachtvieh und Fleischversorgung (GSF). Sollten sich die Rohstoffpreise in Zukunft angleichen, könnten die Schweinefleischproduzenten von den so bereits im Ausland erschlossenen Märkten profitieren.
Ausserordentliche Anstrengungen auf allen Marktstufen nötig
Für einen Ausbau der Exporte müssten denn auch auf allen Marktstufen – also in Produktion, Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Handel – ausserordentliche Anstrengungen unternommen werden, so die Studie. Eine erfolgreiche Exporttätigkeit setze zudem ein effi-zientes Exportmarketing voraus, welches auf das Exportprodukt und den Zielmarkt abgestimmt ist. Den zukünftigen Herausforderungen und marktwirtschaftlichen Veränderungen genüge eine auf Schweinefleisch ausgerichtete Export-Marketingorganisation nicht. "Es ist vielmehr eine Dachorganisation zu schaffen, die sämtliche potentiellen Agrar-Exportprodukte umfasst", schlägt Zuber vor. Als gemeinsames Qualitätslabel wäre beispielsweise das Q (Swiss Quality) der Agro Marketing Suisse (AMS) für den Export von Schweizer Agrarerzeugnissen geeignet.
Handelsschranken als zweites Hauptproblem
Neben Preis, Qualität und Marketing sind aber noch weitere Faktoren für den Exporterfolg verantwortlich: Eine wesentliche Rolle spielen die Zutrittsmodalitäten der potentiellen Absatzmärkte, das heisst, die tarifären und nichttarifären Handelsschranken. Neben den hohen inländischen Rohstoffkosten erachten anerkannte Exportbetriebe die bestehenden Marktzutrittsrestriktionen denn auch als Hauptproblem für eine verstärkte Exporttätigkeit. Zusätzlich ist die Schweiz im Vergleich zur Exportkonkurrenz - beispielsweise aus der EU - mit dem Wettbewerbsnachteil konfrontiert, dass die Schweiz für Schweinefleisch und Schweinefleischprodukte im Rahmen des WTO-Agrarabkommens keine Exportsubventionen notifiziert hat. Eine staatliche Exportförderung über Ausfuhrbeiträge ist demnach auch inskünftig für die Schweiz kein Thema.
Spezialitäten für den asiatischen Raum
Zuber geht denn auch davon aus, dass es sich beim Export von Schweizer Schweinefleisch zumindest mittelfristig um "verhältnismässig kleine Mengen" handeln wird. Die grössten Exportchancen gibt er Schweinefleischspezialitäten, die in Länder mit kaufkräftigen Konsumenten - beispielsweise im mitteleuropäischen und asiatischen Raum - exportiert werden. Dies setze aber ein klar auf Qualität ausgerichtetes Exportmarketing voraus.
Gegenwärtig konzentrieren sich die Anstrengungen der Schweinebranche praktisch ausschliesslich auf den Binnenmarkt. Die Frage einer verstärkten Exporttätigkeit unter der Verwendung von Schweizer Schweinefleisch als Exportrohstoff ist deshalb bei den Schweineproduzenten erst seit kurzer Zeit ein ernsthaftes Thema. Die zukünftigen multilateralen und bilateralen Agrarabkommen sowie ein allfälliger EU-Beitritt würden zu einer weiteren Marktöffnung führen. Die inländische Schweinebranche könne ihre Marktanteile mittel- bis längerfristig daher nur halten oder ausbauen, wenn sich die Preise für Schweizer Schweinefleisch jenen des Auslandes annäherten und der Marktzutritt für schweizerische Exporte verbessert würde, so die Suisseporcs-Studie.
Der Export von Schweizer Schweinefleisch stellt also ein schwieriges Unterfangen dar. "In Anbetracht der veränderten wirtschaftlichen und agrarwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie aufgrund der integrationspolitischen Ziele des Bundes gilt es aber, die bestehenden Exporthindernisse mit allen Mitteln und der entsprechenden Risikobereitschaft schrittweise zu überwinden", betont Zuber. Nur wenn sich im Exportbereich neue Perspektiven ergeben, könne die inländische Schweinebranche ihr Produktionspotential erhalten, kommt die Studie zum Schluss.
Kontinuierlich sinkender Schweinefleischkonsum
"Für die Suisseporc wurde die Studie dringend notwendig, nachdem der Schweinefleischkonsum in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist und die GATT-bedingten Importe seit 1995 laufend zugenommen haben", erklärt Suisseporcs-Geschäftsführer Adrian Schmitter im "Schweizer Bauer". Gleichzeitig würden Rekordmengen von Grenzkäufen gemeldet, die der Schweizer Produktion fehlten. Ein weiterer sehr zentraler Grund sei der immer wahrscheinlicher werdende EU-Beitritt, durch den die Schweizer Bauern gezwungen würden, sich im europäischen Markt zu behaupten. "Die verbleibende Zeit gilt es zu nutzen", so Schmitter. Niemand in Europa warte auf Schweizer Schweinefleisch, aber: "Wenn wir heute resolut an die Lösung herangehen und alles richtig machen, ist es vielleicht möglich, in fünf Jahren einen kleinen Teil unserer Produktion zu exportieren."
EU-Schweineproduktion soll eingeschränkt werden
LID. Die EU befindet sich zur Zeit in einer einmaligen Krise auf dem Schweinemarkt. Die Produzentenpreise für Schweinefleisch sind um bis zu 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen, insbesondere seit dem Zusammenbruch der Exportmärkte in Südostasien und Russland wachsen die Überschüsse. Die 15 Regierungen drängen daher auf Massnahmen zur Einschränkung der EU-Schweine-produktion, wie dem Pressedienst des Agrarischen Informations Zentrum (AIZ) Wien zu entnehmen ist. Im Verwaltungsausschuss Schweinefleisch legten die Vertreter der nationalen Agrarministerien der EU-Kommission Vorschläge für vier Modelle einer Produktionseinschränkung vor: Zum einen stehen Prämien für den Ausstieg aus der Schweinefleischproduktion zur Diskussion, zum zweiten ein zeitlich begrenztes Besamungsverbot für Sauen, zum dritten ein befristetes Schlachtungsprogramm für Ferkel und zum vierten Prämien, die Landwirte veranlassen sollen, ihre Schweine mit geringerem Gewicht zu schlachten. Ein Sprecher der EU-Kommission gab dazu bekannt, man wolle sich derzeit noch auf nichts festlegen.