

"Wir suchen Geflügelproduzenten". So stand es letzthin in einem Inserat, das der Schweizer Fleischverarbeiter Bell in den Agrarmedien erscheinen liess. Es sei nicht das erste Mal, dass mögliche Mäster via Inserat angesprochen würden, sagt Stefan Werren, Leiter Dienste, Planung und Technik bei Bell. "Die Suche nach neuen Produzenten ist eine permanente Aufgabe, um einerseits den steigenden Bedarf abdecken zu können und andererseits Produzenten, die altershalber die Bewirtschaftung ihres Betriebes und somit auch die Pouletmast einstellen zu ersetzen." Diese Lücken will Bell jeweils so rasch wie möglich kompensieren. Denn anders als beispielsweise bei der Milch, ist einheimisches Pouletfleisch kein Überschussprodukt. Schweizer Poulet kann gerade mal etwas mehr als die Hälfte der Nachfrage abdecken (siehe Kasten).
Pouletmast im Laufe der Jahre
Im Vergleich zum Jahr 1992 hat sich die Produktion von Schweizer Geflügelfleisch von 35'000 Tonnen Schlachtgewicht auf 85'000 Tonnen erhöht. Seit 1966 hat sich der Mastpouletbestand auf 6,5 Millionen verdreifacht. Diese Tiere leben auf gut 1'100 Betrieben. Mit Abstand am meisten Betriebe und Tiere gibt es in den Kantonen Freiburg und Bern. Fast 40 Prozent der Mastpoulets leben in Ställen mit 12'000 oder mehr Artgenossen. Nur gerade 0,1 Prozent der Tiere leben mit weniger als 500 anderen Poulets zusammen. Der Pro-Kopf-Konsum ist in den vergangenen 23 Jahren um 42 Prozent auf fast 12 Kilogramm pro Jahr angestiegen. Der Selbstversorgungsgrad stieg in derselben Zeit von 36 auf 55 Prozent an.
1'100 Mäster hat die Schweiz
Hanspeter Grod aus Rottenschwil im Kanton Aargau ist einer der rund 1'100 Landwirte, die Poulet mästen. "Mein Vater hat vor 26 Jahren mit der Mast begonnen. Ich habe diese im Jahr 2003 von ihm übernommen." Damals habe man erst einen Maststall und viel weniger Tiere gehabt als heute, dafür aber noch Milchkühe gehalten. Seine Frau und er hätten aber nach der Hofübernahme gemerkt, dass der Preiszerfall im Milchmarkt für sie je länger je mehr zum Problem werde. "Deshalb haben wir uns entschlossen, voll und ganz auf die Karte Pouletmast zu setzen." Zwei Jahre lang habe es von diesem Entschluss einen zweiten, viel grösseren Stall zu bauen, bis zur ersten Einstallung im Januar 2014 gedauert.
Seit diesem Datum ziehen pro Jahr rund acht Mal je 23'000 Eintagsküken auf dem Hof ein. Bei angenehmen Temperaturen und auf mit Stroh gepolstertem Boden fressen und gedeihen die Tiere bis sie 37 bis 40 Tage alt sind und in den Schlachthof gebracht werden. Ab dem 22. Tag dürfen sich die Poulets nach Lust und Laune im gedeckten Aussenbereich aufhalten. Hanspeter Grod mästet seine Tiere für Bell. Der Tochterkonzern von Coop übernimmt nicht nur die Schlachtung und Verarbeitung der Mastpoulets, sondern ist auch für die Beschaffung und Lieferung der Eintagsküken zuständig. Zudem ist die ganze Abrechnerei rund ums Futter Sache von Bell. "Zum Glück für uns Mäster", meint Grod. "Die Futterkosten für so viele Tiere sind hoch. Müsste man diese selber bezahlen, bevor das Geld für die geschlachteten Poulets auf dem Konto ist, würde das so manchen von uns in Schwierigkeiten bringen." Dennoch liege das Geschäftsrisiko beim Landwirten. Dieser mäste auf eigene Rechnung und nicht in einem Lohnverhältnis mit den Abnehmern. Grod ist von der Organisation der Pouletbranche überzeugt, spricht von Preissicherheit seit Jahren und einem Verdienst auf akzeptablem Niveau. Nie hätten er und seine Frau den Entscheid, die Milchkühe wegzugeben, bereut.
Pouletmast als sicherer Wert
Auch Robert Raval, Präsident des Verbandes Schweizer Geflügelproduzenten, ist begeisterter Mäster. Er sagt, die Geflügelmast sei nicht zuletzt dank den Abnahmeverträgen der grossen Verarbeiter Micarna, Bell, Frifag und Kneuss ein sicherer Wert. Warum aber gibt es trotz diesen positiven Aspekten zu wenig Pouletmäster in der Schweiz? "Es liegt mit Sicherheit nicht am Willen der Landwirte. Es gibt immer wieder solche, die sehr gerne umstellen möchten. Aber es gibt da zwei sehr grosse Hürden, die überwunden werden müssen", sagt Robert Raval. Bei einigen Umstellungswilligen scheitere es an der Finanzierung der hohen Investitionskosten. Anders als beispielsweise bei der Umstellung von Milch- auf Mutterkühe, kann auch ein umgebauter Kuhstall für die Pouletmast nicht verwendet werden. Es müssen eigens für die Mast konzipierte Ställe gebaut werden." Für den Bau eines Maststalles wird je nach Grösse mit 600'000 bis einer Million Franken gerechnet. Und auch wenn die Finanzierung gesichert wäre, ist noch lange nicht gesagt, dass ein Projekt realisiert werden kann. Denn laut Raval ist es in den vergangenen Jahren schwierig geworden, geeignete Standorte zu finden. Vielerorts seien die Anwohner skeptisch und es gebe oft Einsprachen.
Das Problem, dass sich zu wenig neue Mäster finden lassen, wird sobald wohl nicht behoben werden können. Bleibt die Frage, ob es andere Wege gäbe, Schweizer Geflügelfleisch zu produzieren. "Nun ja", sagt der ehemalige Präsident des Verbandes Schweizer Geflügelproduzenten, Peter Röthlisberger. "Es gibt in der Schweiz Bestrebungen, ausgediente Legehennen, so genannte Althennen, zu Fleisch zu verarbeitet statt sie zu entsorgen." Er findet dies zwar einen guten Ansatz, gibt aber zu bedenken, dass bei einem solchen Tier sehr wenig Fleisch am Knochen sei und es deshalb viel Aufwand bedeute, ein Kilogramm Fleisch zu gewinnen. Einen Ersatz für Pouletmast sei dies auf keinen Fall. Auch der Idee ein Zweinutzungshuhn zu züchten, steht er eher kritisch gegenüber. Hier scheitere es wohl an der Wirtschaftlichkeit.
Ein Suppenhuhn für jeden Haushalt
Stefan Werren von Bell sagt, Althennen nach ihrer Legetätigkeit als "Suppenhuhn" zu verwerten, sei zwar noch immer wenig gefragt, aber dank dem Engagement unter anderem von Coop sehe man es bereits wieder öfter im Regal. "Würde pro Jahr und Haushalt nur ein Suppenhuhn verzehrt, wären die Schweizer Legehennen übrigens praktisch vollständig als Lebensmittel zu verwerten", so Werren.
Um der steigenden Nachfrage nach Schweizer Pouletfleisch gerecht werden zu können, sucht Bell nicht nur Mäster, sondern ist auch dabei, die Verarbeitungskapazitäten anzupassen. Dies betrifft zum einen die Bruteierproduktion und die Brüterkapazität. Andrerseits ist die Erweiterung des Schlachthofs derzeit in vollem Gange. "Wir hoffen, die neuen Produktionsanlagen im nächsten Jahr in Betrieb nehmen zu können", sagt Stefan Werren.