Drei Uhr nachmittags. In Thomas Blums Stall ist es mäuschenstill. Kein Muhen ist zu hören. Stattdessen liegen seine 50 Kühe friedlich wiederkauend auf dem mit Stroh bedeckten Stallboden oder stehen gemütlich umher. Ausser Hanni. Das vierjährige Tier trottet seelenruhig durch den Laufstall. Ihr Euter ist voll, sie will gemolken werden. Behutsam passiert sie ein Tor, das ihr Zugang zu dieser auf den ersten Blick futuristisch anmutenden High-Tech-Maschine verschafft: Der Melkroboter. Dieser identifiziert Hanni mittels Chip am Halsband als Kuh Nummer 15. Danach gibt es eine Ration Kraftfutter. Während Hanni gemütlich am Fressen ist, setzt sich der hydraulische Arm in Bewegung. Mit Hilfe einer Kamera und eines Lasers lokalisiert er die Zitzen, die er sodann einzeln mit warmem Wasser und Luft säubert, vormelkt sowie trocknet. Dann beginnt der eigentliche Melkvorgang. Nach rund sieben Minuten ist dieser beendet, die Zitzen werden desinfiziert. Das Resultat leuchtet auf dem Bildschirm auf der linken Seite auf: Hanni hat 13,9 Liter Milch gegeben. Mit 4,3 Litern floss am meisten Milch durch die hintere, linke Zitze; am wenigsten durch diejenige vorne rechts, nämlich 2,8 Liter. Der Roboter hält aber noch weitere Informationen parat: So hat sich Hanni letztmals um 7.01 Uhr melken lassen und am Tag zuvor um 23 Uhr nachts. Angezeigt werden auch die Zellzahlen (ein Mass für die Milchqualität). Mit einem Wert von unter 200 hat Hanni einwandfreie Milch gegeben.
Immer mehr Bauern setzen auf Melkroboter
In der Schweiz sind rund 250 Melkroboter im Einsatz. Angesichts der rund 25‘000 Milchbauern ist deren Anzahl zwar noch gering. Aber: "Die Nachfrage hat in den letzten Jahren stark zugenommen", erklärt Urs Schmid vom Melkroboter-Hersteller DeLaval. Franz-Xaver Albisser von Lely, dem zweiten grossen Melkroboter-Anbieter, sieht dies gleich: "Die Pionierphase ist vorbei, wir befinden uns nun auf Wachstumskurs." Dass immer mehr Bauern auf einen Roboter setzen, hat mit immer grösser werdenden Betrieben zu tun. Gegenüber einem Melkstand hat er zudem den Vorteil, dass er weniger Platz in Anspruch nimmt und ein Bauer deshalb letztlich mehr Kühe halten kann. Melkroboter haben aber ihren Preis und kosten um die 200‘000 Franken. Laut Franz-Xaver Albisser hat der durchschnittliche Melkroboter-Betrieb rund 50 Kühe. "Es gibt auch Betriebe mit 30 Kühen, die einen Melkroboter von uns einsetzen", so Urs Schmid. Vor allem in Deutschland, Holland und Dänemark sind Melkroboter in grosser Anzahl im Einsatz.
Keine fixen Melkzeiten mehr
Seit letztem September melkt nicht mehr Landwirt Thomas Blum seine Kühe, sondern der Roboter. Im Zuge des Um- und Ausbaus seines 34 Jahre alten Laufstalls stand auch eine Erneuerung des Melksystems an. Zwei Jahre lang hat sich der 34-Jährige aus dem luzernischen Roggliswil mit Melkrobotern auseinandergesetzt, hat Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen. Heute sagt er: "Ich bin rundum zufrieden. Ich will nicht mehr zurück." Zurück zum einstigen Melkstand, wo Blum selbst Hand anlegen musste; zurück in die Zeit, wo er morgens und abends je zwei Stunden am Melken war. Heute müsse er nicht mehr um 4.30 Uhr aufstehen und am Abend habe er erst noch eine Stunde früher Feierabend. Dennoch fiel ihm der Wechsel nicht leicht. "Am Anfang war es schon komisch, nicht mehr in den Stall gehen zu müssen, um zu melken", erklärt Blum. Dank des Roboters hat der Landwirt nun mehr Zeit für andere Arbeiten auf seinem 30-Hektaren Betrieb, den er 2003 von seinem Vater übernommen hat. Zudem ist er zeitlich flexibler, weil er nicht mehr morgens und abends an fixe Melkzeiten gebunden ist. Und sollte einmal eine Störung auftreten, dann wählt der Roboter die Nummer von Blums iPhone. Dann heisst es etwa: "Der Melkroboter war untätig für zwei Stunden."
Kein Problem für die Kühe
Die Kühe hätten sich schnell an den Roboter gewöhnt. Nach einer Woche seien sie damit vertraut gewesen – selbst die älteren Tiere. Blum hat beobachtet, dass es mit der Umstellung auf den Roboter ruhiger geworden ist im Stall. Ein ungeduldiges Warten auf das Melken gebe es nicht mehr. Den grössten Vorteil sieht Blum im Umstand, dass die Kühe nun selbst entscheiden können, wann sie gemolken werden wollen. Denn der Roboter ist 24 Stunden in Betrieb. Laut Blum lassen sich besonders viele Kühe zwischen ein und drei Uhr nachts melken. Durchschnittlich sucht eine Kuh 2,8 Mal pro Tag den Melkroboter auf.
Der Roboter nimmt Blum nicht nur viel Arbeit ab, er liefert ihm auch eine Vielzahl wichtiger Daten, über die er früher nicht verfügte. So kennt der Landwirt nun etwa die Zellzahlen jeder Kuh. "Sind diese zu hoch, weiss ich, dass etwas nicht stimmt und kann entsprechend eingreifen." Das Gleiche gilt für die Milchmenge. Gebe eine Kuh plötzlich unerwartet weniger Milch, kann Blum postwendend reagieren.
Inzwischen ist Zonta an der Reihe, Kuh Nummer 29. Ruhig steht sie im Roboter und frisst ihre Ration Kraftfutter, während sich der automatische Arm in Bewegung setzt, ihre vier Zitzen lokalisiert und mit melken beginnt. 12,3 Liter Milch gibt die mit 12 Jahren älteste Kuh von Thomas Blum. Zonta lässt sich bereits zum zweiten Mal melken an diesem Tag. Vermutlich wird sie den Roboter noch einmal aufsuchen – vielleicht mitten in der Nacht, wenn Thomas Blum bereits am schlafen ist.
