Die Feld-Witwenblume, die Wiesen-Flockenblume und die Gemeine Skabiose mit ihren violetten Blüten sowie der Rotklee und der gelbe Hornklee erfreuen nicht nur das Auge, sondern ziehen auch am meisten Schmetterlinge an. Das zeigt eine Untersuchung von Andreas Bosshard, Büro für Ökologie & Landschaft in Oberwil-Lieli AG, und von Daniel Kuster vom Forschungsinstitut am Goetheanum in Dornach SO. Untersucht haben sie neuangelegte Wiesen auf Ackerland in elf Gebieten in den Kantonen Zürich und Aargau, die für das Mittelland typisch sind (siehe Kasten). 72 bis 98 Prozent der Tagfalter, die im Rahmen dieser Studie gezählt wurden, fanden sich auf den fünf erwähnten Blumen. Margeriten, Weissklee, gelbe Korbblütler oder Wiesensalbei wurden kaum besucht.
Wirtschaftlich zur Zeit uninteressant
"Die Untersuchungen zeigen erstmals, wie bedeutend neu angelegte blumenreiche Heuwiesen für Kleintiere sind", sagt Andreas Bosshard gegenüber dem LID. Ferner bestätige die Studie, dass sich mit der richtigen Mischung auf fast allen Ackerstandorten innerhalb von einem Jahr zu tragbaren Kosten Wiesen etablieren liessen, die botanisch, zoologisch und ästhetisch wertvoll seien. Die empfohlenen Samenmischungen für Extensivwiesen enthalten die bevorzugten Pflanzenarten wie Feld-Witwenblume, Gemeine Skabiose oder Hornklee.
Dennoch wurde der Typ "Extensive Wiese auf Ackerland" 1998 aus der Direktzahlungsverordnung gestrichen. Grund: Die Qualität war unbefriedigend, weil viele Bauern aus Kostengründen kein Blumenwiesensaatgut auf die Ackerflächen säten. Das war ganz legal, denn anders als für die Buntbrachen schreibt der Bund für Extensivwiesen auf Ackerland nicht vor, welche Mischungen wie angesät werden müssen. Dafür sind nun seit 1999 solche Wiesen auf Ackerland den extensiven Wiesen gleichgestellt. Das bedeutet nur noch halb so viel Bundesgeld, nämlich 1,500 statt 3,000 Franken pro Hektare, und das ist wirtschaftlich uninteressant. Für Schmetterlinge sind solche Biotope im Ackerland aber interessant, wie die Resultate zeigen.
Schmetterlinge zählen
LID. Untersucht haben Andreas Bosshard und Daniel Kuster drei 10 bis 25 Hektaren grosse Landschaftsausschnitte, die für das Mittelland charakteristisch sind. Alle Gebiete liegen zwischen 480 und 520 Meter über Meer im Kanton Zürich, im Weinland (Berg) und im Glattal (Riedikon und Seewald). Im Zentrum der Gebiete lag je eine 0,5 bis 0,6 Hektar grosse Versuchsfläche. Auf dieser wurde zwischen 1994 und 1995 eine blumenreiche, extensiv bewirtschaftete Heuwiese angelegt. Diese drei Gebiete besuchten die Forscher flächendeckend, zwischen Ende Mai und Mitte September 1999 insgesamt sieben Mal im Abstand von ungefähr zwei Wochen. Sie zählten alle Tagfalter, die sie entlang einer festgelegten Strecke im Abstand von zehn Meter beobachteten. Ferner notierten sie das Verhalten: Ob sie flogen, ruhten, sich sonnten oder Blüten besuchten. Zum Vergleich besuchten sie ferner von 1995 bis 2000 je zwei Mal pro Jahr acht 0,5 bis 3 Hektaren grosse neu angelegte Blumenwiesen im Mittelland. Dort erstellten sie ein Arteninventar der Tagfalter und Heuschrecken mittels optischer und akustischer Identifikation und Dichteschätzung. Initiiert hat das Projekt Andreas Bosshard, finanziert wurde es von den Bundesämtern für Landwirtschaft und für Umwelt, Wald und Landschaft, vom Kanton Zürich, einer Stiftung und dem Genossenschaftsverband fenaco.
Neuangesäte Wiese ist besonders artenreich
Besonders viele Schmetterlinge zählten die Forscher auf der neu angesäten Heuwiese in Berg, die mitten in einem Gebiet mit viel Ackerbau (60 Prozent) und wenig Ausgleichsflächen liegt. Auf der Heuwiese registrierten sie 145 Schmetterlinge von 12 Arten. Insgesamt sahen sie in Berg 544 Falter, auch Schachbrettfalter, Ochsenauge und Kleines Wiesenvögelchen, die im Mittelland selten geworten sind. 46mal beobachteten sie ferner das Gewöhnliche Widderchen. Dieser Schmetterling ist im Mittelland über weite Strecken verschwunden. In Berg wurde er nur auf der angesäten Wiese gesehen, nicht aber auf einer schönen, blumenreichen, relativ grossen alten Heuwiese, die landschaftlich günstig liegt an einem Südhang unterhalb eines Waldstückes. Das mache die Schmetterlingsvielfalt auf der neuen Heuwiese besonders bemerkenswert, schreiben die Forscher in der neusten Ausgabe der Zeitschrift Agrarforschung. Auf intensiv genutzten Weiden und Ackerflächen fanden sie praktisch keine Schmetterlinge. Dieses Flächen haben zu wenig Blumen oder weisen nur wenige Blumenarten auf.
Blütenreichtum allein genügt nicht
Die Schmetterlingsvielfalt steigt aber nicht einfach, wenn es mehr Ausgleichsflächen hat. Das zeigen die Untersuchungen in Riedikon. Obwohl es dort doppelt so viele Ausgleichsflächen gibt (10 Prozent), beobachteten die Forscher dort ein Drittel weniger Schmetterlingsarten. Nur jeder Dritte war ferner ein typischer Wiesenfalter. Insgesamt zählten sie 246 Falter, oder 0,06 Falter pro Are. Am meisten Schmetterlinge (1,7 Falter pro Are) flogen auf einem saumartigen Extensivwiesenstreifen, der weitgehend isoliert liegt und nur 284 Quadratmeter gross ist. Unter anderem sahen sie Rotklee-Bläulinge und Schachbrettfalter, deren Raupen sich nur dort entwickeln konnten. Dies zeige, sagen die Forscher, wie wichtig solche Saumbiotope im intensiv genutzten Umfeld seien.
Ferner fanden Bosshard und Kuster wenig Schmetterlinge auf Buntbrachen. Auf einem Landstück mit Buntbrache und einem neu angelegten blumenreichen Wiesenstreifen zählten sie 42 Schmetterlinge, ein Drittel davon seltene typische Wiesenarten. Auf einer ähnlichen Buntbrache ohne Wiesenstreifen sahen sie dagegen nur 17 Falter. Als seltenere Arten in wenigen Exemplaren fanden sie nur Ochsenauge und Heufalter. "Trotz des Blütenreichtums scheinen Buntbrachen allein für Tagfalter viel weniger attraktiv zu sein verglichen mit Extensivwiesen oder einer Kombination", schliessen sie aus dieser Beobachtung. Das obwohl auf Buntbrachen bis 50 Prozent mehr Blumenarten blühten.
Naturschutzgebiete und Wiesen ergänzen sich
Am meisten typische Wiesenschmetterlinge beobachteten die Forscher in Seewadel, dem dritten Untersuchungsgebiet. Dieses Gebiet hat am meisten ökologische Ausgleichs- und Naturschutzflächen und einen hohen Anteil an Wiesen und Weiden. Nur hier sahen sie die gefährdeten Arten Mädesüss-Perlmutterfalter und Baldrian-Scheckenfalter, und zwar in und um das Naturschutzgebiet. Insgesamt zählten sie in Seewadel auch am meisten Falter, nämlich 992 oder 0,4 Falter pro Are, auf der neu angesäten estensiven Wiese ähnlich viele wie im angrenzende Naturschutzgebiet mit Feucht- und Magerwiesen. Auf der Wiese zählten sie sogar mehr verschiedene Arten als im Naturschutzgebiet. "Verschiedene Falterarten des angrenzenden Feuchtgebietes nutzten die Fläche vorübergehend in grosser Zahl zum Nahrungserwerb, vor allem im zweiten Aufwuchs", schreiben die Forscher.
Aus den Untersuchungen in acht weiteren Gebieten schliessen die Forscher, dass sich die beschriebenen Resultate für gelungene neu angesäte blumenreiche Heuwiesen verallgemeinern lassen: "Solche Wiesen fördern die Vielfalt (Biodiversität) der Kleintierwelt." Der Effekt sei am grössten, wenn die Wiesen nahe bei Rainen, Buntbrachen, Naturschutzgebieten oder anderen artenreichen Lebensräumen lägen. Deshalb empfehlen Bosshard und Kuster in ihrem Artikel in der Agrarforschung, den Beitrag wieder auf ein "anreizfähiges Mass" zu erhöhen. Ob sie Gehör finden werden, ist offen.