
Eine Schweizer Milchkuh ist zumeist kein Produkt des Zufalls. Ihre genetische Abstammung ist von Milchviehzüchtern oftmals über Generationen hinweg genau geplant worden. Dem Milchviehbauern Kurt Sätteli aus Mörschwil im Kanton St. Gallen, wurde diese Liebe zur Zucht in die Wiege gelegt: "Mein Vater hat Braunvieh gezüchtet. Als ich den Hof übernahm, stand für mich ausser Frage, ob auch ich in die Zucht einsteigen will oder nicht. Nur die Kuhrasse habe ich gewechselt." Er habe sich ganz und gar der milchbetonten Holstein-Rasse zugewandt. 60 Milchkühe stehen in seinem Stall, die Jungtiere gibt er im Alter von fünf Monaten für die Aufzucht an zwei Betriebe in der Gemeinde. Zusammen mit seinem Sohn Dominik bewirtschaftet er 30 Hektaren Land. Neben der Milch ist der Anbau von Hochstammobst ein wichtiger Betriebszweig der Familie Sätteli – und eben der Verkauf von Zuchttieren.
Den richtigen Spender finden
Doch wie findet man den richtigen Samen für seine Kuh? Die Vielfalt an Stieren ist enorm, wie Fritz Schmitz-Hsu, Senior Geneticist bei Swissgenetics, sagt. Über alle rund vierzig Rassen hinweg bietet Swissgenetics Samendosen von über 1500 Stieren an. "Der Züchter muss sein eigenes Zuchtziel vor Augen haben und dann Kuh für Kuh entscheiden, welche Merkmale er verbessern oder halten will." Dann könne der Bauer anhand der umfassenden Information, die zu jedem Stier erhältlich sind, entscheiden, welcher am besten auf die Kuh passt. Schliesse er dann noch Verwandtenpaarungen aus, könne eigentlich nichts falsch gehen. "Der Landwirt ist sich aber auch bewusst, dass in der Zucht eins und eins nicht immer zwei ergibt. Der Zufall spielt nach wie vor eine grosse Rolle, trotz modernster Zuchttechnologien."
Zucht für langes Leben
Sein Sohn und er seien Züchter aus Leidenschaft. Durch die Wahl des optimalen genetischen Materials aber auch durch professionelle Haltung und Fütterung, könne die Leistung der Tiere auch heute noch stetig verbessert werden. "Wenn eine Kuh nach 24 Monaten das erste Kalb zur Welt bringt und dann gleich 34 Kilo Milch gibt, dann ist das einfach super!" Im Vergleich: Der Schweizer Durchschnitt liegt über alle Rassen hinweg bei 20 bis 25 Kilogramm nach dem ersten Kalb. Kurt Sätteli betont aber, dass die Milchleistung nicht das einzige sei, das in der Zucht im Vordergrund steht. Ebenso zentral seien ein gutes Fundament, also ein guter Körperbau, ein perfektes Euter sowie die Fähigkeit, soviel vom Futter wie möglich in Milch umwandeln zu können.
Beim Kauf eines Tieres achte der Käufer zudem auf die Vitalität und Langlebigkeit. Wer für eine Kuh zwischen 3'000 und 5'000 Franken bezahle, sei darauf angewiesen, dass diese viel und lange Milch gebe. "Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind extrem bei der Milchproduktion, deshalb ist eine Kuh, die lange lebt und viel Milch gibt, aus finanzieller Sicht ein Muss." Ihr Ziel ist es, Tiere zu züchten, die während ihrem Leben sieben bis acht Jungtiere zur Welt bringen und insgesamt 100'000 Kilo Milch geben.
Allrounder-Kühe gefragt
Dem stimmt auch Christine Flury, Dozentin für Tiergenetik an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen, zu. Langlebigkeit sei wichtiger denn je. Kühe, die gesundheitliche Probleme hätten, gingen oft zu früh und somit ungewollt ab. "Für einen Landwirt sind kranke Kühe eine grosse Herausforderung: Es braucht viel Zeit für die Beobachtung und Pflege. Zudem sind die Tierarztkosten hoch und allenfalls können die Produkte, wie Milch oder Fleisch, aufgrund des Einsatzes von Medikamenten nicht vermarktet werden." Die Schweizerische Produktionsform mit der Weidewirtschaft oft verbunden mit Alpung setze zudem ein grosses Mass an Robustheit voraus.
Fritz Schmitz-Hsu, Senior Geneticist bei Swissgenetics, dem grössten Schweizer Produktions- und Dienstleistungsunternehmen in der Rindviehzucht, fügt ergänzend hinzu, das heutige wirtschaftliche Umfeld führe zu grösseren Betrieben mit einem professionelleren Management. "In vielen Fällen wird weniger Zeit für die tierindividuelle Betreuung zur Verfügung stehen." Dies bedeute, dass es noch in einem verstärkten Mass eine wirtschaftliche, robuste, ganzheitliche Kuh gefordert sei.
Nicht einfach zu vererben
Doch die funktionellen Merkmale, wie etwa Eutergesundheit, Langlebigkeit oder Vitalität sind nur in kleinem Masse vererbbar. Laut Flury handelt es sich dabei um Merkmale, welche von sehr vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, bei welchen die Erblichkeit zudem tief ist. Dennoch lohne es sich, auch diese züchterisch zu bearbeiten. Das beste genetische Material ist aber für die Katze, wenn die Haltung und Fütterung nicht stimmt.
Auf dem Hof von Kurt und Dominik Sätteli wird deshalb diesen Parametern viel Aufmerksamkeit geschenkt. "Wir überlassen nichts dem Zufall. Vom ersten Tag an werden die künftigen Milchproduzentinnen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Eine ausgeklügelte Ernährung soll dazu beitragen, dass die Kuh später einmal viel Milch geben wird." Rund 3'000 Franken kostet die Aufzucht eines Zuchttieres. Somit wäre auch klar, warum ein Tier aus dem Stall der Familie Sätteli über 3'000 Franken kostet. Dieses Geld auf dem Markt auch wirklich zu bekommen, ist in der heutigen Zeit aber gar nicht so einfach. Der Markt sei gesättigt und viele Berufskollegen hängten die Melkerei an den Nagel. "Wir haben aber das Glück, dass wir einen guten Ruf haben. Wer bei uns oder über einen Händler ein Tier aus unserem Stall kauft, weiss, das er höchste Qualität bekommt." Natürlich könne er aber keine Garantie abgeben für die Gesundheit und Produktivität seiner Tiere. Das hänge einzig und alleine von der Haltung und Fütterung ab. Verkaufen tun Kurt und Dominik Sätteli vorwiegend in ihrer Heimat der Ostschweiz oder aber in der restlichen Schweiz. Export ist kein Thema. Seit der Bund die Exportzulagen für Zuchttiere gestrichen habe, ist der Markt völlig zusammengebrochen.
Milchvieh-Zucht im Wandel der Zeit
Gezüchtet wird schon seit mehreren hundert Jahren. "Ohne Zucht zieht man auch unpassende und kranke Tiere auf. Und das ist für die Nutztierhaltung sicherlich nicht sinnvoll", sagt Christine Flury, Dozentin für Tiergenetik an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen. Die Art, wie der geeignete Stier ausgelesen wird, hat sich jedoch stark verändert. Während man sich früher vor allem auf das Auge verliess um den richtigen Partner für eine Kuh auszusuchen, kann man nun auf eine Vielzahl an Daten zurückgreifen. "Heute stehen ausgeklügelte statistische Methoden zur Verfügung", sagt Fritz Schmitz-Hsu, Senior Geneticist bei Swissgenetics, dem grössten Schweizer Produktions- und Dienstleistungsunternehmen in der Rindviehzucht. "Die Informationen, die zu einer Kuh oder einem Stier vorhanden sind, haben sich in all den Jahren massiv erhöht." Das Ziel der Zucht sei aber über all die Jahrzehnte das Gleiche geblieben: Auswahl von Tieren zur Nachzucht, deren Nachkommen am besten dem jeweiligen Zuchtziel entsprechen. Über 80 Prozent der Samendosen, die Swissgenetics verkauft, stammen aus dem Inland – und zwar über alle Rassen hinweg. "Vor 15 Jahren war der Anteil an Schweizer Genetik noch wesentlich tiefer", so Schmitz. "Heute ist man sich bewusst, dass es vermehrt standortgerechte oder besser gesagt, dem eigenen Produktionssystem angepasste Genetik braucht." Zudem habe die inländische Rindviehzucht grosse Fortschritte erzielt.