Der Traktor von Landwirt und Lohnunternehmer Andreas Wyssbrod aus dem bernischen Rubigen läuft ganz von alleine, wie von Geisterhand gesteuert, und erst noch schnurgerade. Möglich machen dies der AutoTrac-Modus an seinem John Deere-Traktor, ein Bordcomputer und das satellitengesteuerte Global Positioning System (GPS). Für Wyssbrod ist das automatische Fahren eine grosse Entlastung: "An Spitzentagen, beim Säen beispielsweise, fahren wir manchmal 15 bis 16 Stunden Nonstop. Das ist ein rechter Stress", sagt er. "Wenn ich den AutoTrac aktiviert habe, dann kann ich auch mal ein Sandwich essen oder etwas trinken oder mich mehr der Sämaschine widmen und mal einige Minuten rückwärts schauen." Und er kann auch bei Nacht und Nebel arbeiten. Wyssbrod bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau und einem Lehrling einen gemischten Pachtbetrieb mit Ackerbau und Milchvieh sowie weiteres Pachtland, zusammen gut 30 Hektaren. Unterstützt von Aushilfsfahrern macht Wyssbrod als Lohnunternehmer auf weiteren 400 bis 500 Hektaren Lohnarbeiten, hauptsächlich Direktsaat, also Aussaat ohne Bodenbearbeitung.
Gerade bei der Direktsaat leistet AutoTrac weitere unersetzliche Dienste: Früher musste Wyssbrod mit dem Spur-Markeur das Stoppelfeld jeweils gut rillen, damit er wusste, wo er bereits gesät hatte. Der Spur-Markeur ist ein scharfkantiges Rad, das beim Fahren schräg in den Boden gedrückt wird und eine Spur hinterlässt. Heute regelt dies alles der Bordcomputer, den Wyssbrod per Touchscreen programmieren kann. "Dadurch, dass es jetzt viel weniger Überlappungen beim Säen gibt, kann ich 10 bis 15 Prozent Saatgut, Diesel und Zeit einsparen", sagt Wyssbrod. Auch ist er beim Wenden am Feldende viel schneller, weil er nicht mehr rückwärts- und vorwärtsfahren muss, sondern auch mal zwei Spuren überspringen kann, damit er immer vorwärts fahren kann. Der Bordcomputer zeichnet alles auf und Wyssbrod sieht auf dem Monitor, wo gesät ist und wo nicht.
Die Felder richtig ausmessen
2002 war das Jahr der Entscheidung für Andreas Wyssbrod. Sollte er eine neue Sämaschine kaufen, die wie bis anhin mechanisch angetrieben war oder eine elektronisch gesteuerte? "Ich entschied mich für die Sämaschine, die man über ein Terminal vom Traktor aus elektronisch steuert", erzählt Wyssbrod. Gleichzeitig kaufte er einen neuen Traktor mit Antenne und das Parallel-Tracking-System (siehe auch Kasten) von John Deere. "Im Ausland stand damals Precision Farming im Vordergrund, das heisst Ertragskartierung vom Mähdrescher aus und die darauf abgestimmte Düngerverteilung", sagt Wyssbrod weiter. Ihn hingegen interessierte das Parallelfahren und für die Lohnarbeit das Ausmessen von Flächen: Bevor er auf einer Landparzelle Saatgut ausbringe, müsse er jeweils wissen, wie gross der "Bitz" Land wirklich sei, damit er genügend Saatgut habe. Sage der Landwirt, das Stück sei 1,5 Hektaren gross, so umfasse das Land in Tat und Wahrheit dann oft 2 Hektaren. Wenn ihm während der Arbeit das Saatgut ausgehe, so sei unklar, wer jetzt schuld daran sei, er oder der Auftraggeber. Ein vertrackte Situation, die Wyssbrod vermeidet: Wenn er das erste Mal auf ein Feld kommt, umrandet er dieses einmal mit dem Traktor, um so mit Hilfe von GPS die Feldgrösse genau auszumessen. Dann nimmt Wyssbrod den Taschenrechner, um zu schauen, ob er genügend Saatgut dabei hat. Falls es knapp ist, kann er bei der Saatdichte dann 5 oder 10 Prozent runtergehen.
2005 kaufte Wyssbrod wieder einen neuen Traktor, diesmal mit dem AutoTrac für automatisches Fahren. Ein neuer Bildschirm, ein Touchscreen, kam 2007 hinzu. Wyssbrod liegt mit seinen Anschaffungen voll im Trend. Nach Auskünften von Martin Holpp von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART wurde GPS ab Mitte der Neunzigerjahren bei der Ertragskartierung von Getreide und der Ausbringung von Dünger eingesetzt. Richtig durchgesetzt habe sich die GPS-Technologie aber erst mit Lenksystemen für Traktoren und Mähdrescher.
Wyssbrod hat vor, in Zukunft auch die ganze Kundenverwaltung auf seinem Bordcomputer zu machen. Er will dereinst die Daten vom Traktor drahtlos auf seinen Buchhaltungscomputer übertragen. Derzeit hat Wyssbrod aber noch ein Schnittstellenproblem zwischen seiner deutschen Bordcomputer-Software Landdata Eurosoft und seinem schweizerischen Buchhaltungssystem. Andreas Bürki, High-Tech-Profi bei Matra, dem Generalimporteur von John Deere, erklärt, man sei daran, das Schnittstellen-Problem zu lösen.
Wie ein Traktor auf Schienen
Ein GPS-Lenksystem mit einfacher Genauigkeit ist heute ab 20'000 Franken zu haben. Agroscope ART hat berechnet, dass sich je nach Einsatz ein solches System ab 100 bis 150 Hektaren lohnen kann. Und die Tendenz geht dahin, dass die Technik bei sinkenden Preisen immer besser wird.
Vielversprechend findet Holpp den in einem ART-Projekt derzeit untersuchten Ansatz des Controlled Traffic Farming CTF. Hier wird Ackerbau "wie auf Schienen" betrieben, das heisst dank GPS-Lenksystemen bleiben die Fahrspuren dauerhaft an der gleichen Stelle. Dadurch lassen sich die durch die schweren Maschinen verursachten Bodenverdichtungen auf eine Minimalfläche reduzieren. Allerdings muss dann auch die Arbeitsbreite aller Maschinen aufeinander abgestimmt sein. Vor allem die Arbeitsbreite von Rüben- und Kartoffelerntemaschinen entspricht häufig nicht der Arbeitsbreite der übrigen Geräte und Maschinen.
Bürki von Matra wird an der Landtechnikmesse Agrama in Bern eine der neusten Weiterentwicklungen von John Deere präsentieren: iTEC Pro, das ist AutoTrac kombiniert mit Vorgewende-Management. Mit iTEC Pro fährt der Traktor nicht nur von alleine spurgerade, sondern wendet am Feldende auch automatisch zusammen mit dem Anschlussgerät: dieses wird automatisch aus der Spur gehoben und nach dem automatischen Wenden und Weiterfahren in der genau parallelen neuen Spuren wieder gesenkt.
Die neuesten und grössten 8’000er Traktore von John Deere haben schon heute eine automatische Lenkung serienmässig eingebaut. Wer AutoTrac aber verwenden will, muss einen fünfstelligen Betrag bezahlen, damit die automatische Lenkung per Code freigeschaltet wird. Die in der Schweiz am häufigsten verkauften John Deere Traktoren sind aber immer noch die 6’000er. "In 10 Jahren wird die automatische Lenkung bei Traktoren Standard sein", sagt Bürki von Matra. So wie es etwa heute die Klimaanlage in der Fahrerkabine sei. Denn wer mal mit dem automatischen Lenksystem gefahren ist, möchte es nicht mehr missen.
