Vom heutigen, innovativen Bauern wird gefordert, sich mit Unternehmertum und Kreativität ein zusätzliches Standbein zu schaffen. Unternehmerisch und kreativ sind sie auch, die Schweizer Bauern – dies wurde an der traditionellen Jahresmedienkonferenz des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) am 4. Januar 2008 auf dem Betrieb der Familie Krebs in Münchenwiler BE klar. Sylvia und Erich Krebs führen einen modernen Musterbetrieb, neben 100 Milchkühen und ebensovielen Aufzuchtrindern und -kälbern betreuen sie die beiden behinderten Männer Hansueli und Andreas, darüber hinaus halten sie 15 Pensionspferde.
Nicht nur in der Behindertenbetreuung sind die Bauern stark, sie haben auch andere Möglichkeiten, um unternehmerisch zu sein. Beispielsweise können Touristen in Gästezimmern oder im Stroh übernachten und am Morgen ein Bad im Heu geniessen. Zum Wortschatz des modernen Bauern gehört darum der Begriff "Paralandwirtschaft". Das Problem ist jedoch: Eine Definition des Gesetzgebers für "Paralandwirtschaft" gibt es bisher nicht.
Sylvia und Erich Krebs betreuen die beiden behinderten Männer
Hansueli (links) und Andreas (hinten) auf ihrem Hof in
Münchenwiler BE. Dies ist eine mögliche Art von Paralandwirtschaft. (zvg)
Paralandwirtschaft ist nicht Landwirtschaft
Am liebsten sähe Ulrich Ryser, beim SBV zuständig für raumplanerische Fragen, den Begriff "Paralandwirtschaft" im Landwirtschaftsgesetz geregelt. Dort nämlich ist definiert, was unter "Landwirtschaft" im Grundsatz zu verstehen ist: Die Produktion und der Verkauf von Nahrungsmitteln und die Bewirtschaftung von Land. Die Forderung des Bauernverbandes geht dem Bund aber viel zu weit. Denn im Landwirtschaftsgesetz ist nur geregelt, was der Bund finanziell unterstützt. Wäre der Begriff "Paralandwirtschaft" dort definiert, würden paralandwirtschaftliche Aktivitäten von staatlichen Förderungsmittel profitieren. "Und das würde das Parlament kaum goutieren", sagt Jörg Amsler, Leiter der Abteilung Strukturverbesserung beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW).
Enger sachlicher Bezug
Doch liegt es auch im Interesse des Bundes, den Begriff "Paralandwirtschaft" genauer zu klären. Dies tut er in der Raumplanungsverordnung. Denn will ein Bauer zum Beispiel Gästezimmer auf seinem Hof anbieten, muss er meistens um- oder ausbauen und hat so wohl oder übel mit der Raumplanung zu tun.
Paralandwirtschaft ist in der Raumplanungsverordnung als "Nebenbetrieb mit einem engen sachlichen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe" definiert. In der Verordnung erwähnt werden agrotouristische Angebote wie Besenwirtschaften, Schlaf im Stroh, Gästezimmer auf dem Bauernhof, Heubäder sowie sozialtherapeutische und pädagogische Angebote. Falls ein Bauer ein solches Angebot aufbauen will, darf er bis zu 100 m2 anbauen, obwohl sein Hof in der Landwirtschaftszone und nicht in der Bauzone steht.
Sind Lohnunternehmer genug nah an der Landwirtschaft?
Bei Agrotourismus und Betreuung ist der Fall klar, der "enge sachliche Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe", wie er im Gesetz verlangt wird, ist gegeben. Wie sieht es aber mit anderen paralandwirtschaftlichen Tätigkeiten aus? Diese Frage wird spätestens bei der Totalrevision des Raumplanungsgesetzes wieder auftauchen. Ist der Bezug eines Lohnunternehmens zur Landwirtschaft gleich eng wie bei einem bäuerlichen Anbieter einer Ferienwohnung?
Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Beim BLW sieht man zwischen Lohnunternehmer und Landwirtschaft keinen engen Bezug. "Was passiert, wenn der Lohnunternehmer nicht nur Kartoffeln gräbt oder Weizen drescht, sondern auch noch Lastwagentransporte durchführt, die nicht nur der Landwirtschaft dienen?", fragt sich Amsler. Anders sieht dies Ulrich Ryser vom Bauernverband: "Die Maschinen eines bäuerlichen Lohnunternehmers werden besser ausgelastet, wenn sie auf mehreren Betrieben eingesetzt werden können." Deshalb seien Lohnunternehmer zur Paralandwirtschaft zu zählen.
Nicht nur Lohnunternehmer sind ein Grenzfall, auch die Haltung von Pensionspferden ist aus raumplanerischer Sicht umstritten. Ryser vom Bauernverband argumentiert so: "In der Landwirtschaftszone stören Pferde nicht." Deshalb sollte die Haltung von Pensionspferden raumplanerisch uneingeschränkt erlaubt sein. Doch Amsler vom BLW kontert: "Wenn ein Bauer, der Pensionspferde hält, eine Reithalle baut, passt diese nicht in die Landwirtschaftszone." Darum sei es heikel, die Haltung von Pensionspferden unter die Paralandwirtschaft zu nehmen.
"Je breiter Paralandwirtschaft definiert wird und je mehr Beispiele von nebenlandwirtschaftlichen Tätigkeiten in die Raumplanungsverordnung aufgenommen werden, desto mehr wird in der Landwirtschaftszone gebaut", sagt Amsler.
Revidierte Raumplanung
hs. Seit dem 1. September 2007 gilt das teilrevidierte Raumplanungsgesetz, welches den Bauern neue Möglichkeiten, vorab beim Agrotourismus, ermöglicht. Eine umfassende Revision des Raumplanungsrechts ist vorgesehen. Die Anhörung der verschiedenen Interessensgruppen beginnt laut Jörg Amsler vom Bundesamt für Landwirtschaft in der ersten Hälfte 2008. Amsler rechnet jedoch nicht damit, dass das neue Gesetz vor 2010 im Parlament beraten wird. "Denn die Raumplanung ist sehr komplex und verschiedenste Interessen müssen berücksichtigt werden."
Bedrohte Gewerbler
Damit hat zum Beispiel der Gewerbeverband Mühe, wie Geschäftsleitungsmitglied Charles Buser sagt: "Der Grundsatz des Raumplanungsgesetzes ist ja gerade der, das Land in Bauzone und Nicht-Bauzone zu unterteilen, um die Landwirtschaftszone freizuhalten." Durch eine breite Definition könne allenfalls plötzlich jeder Bauer eine kleine Schreinerei oder Garage in der Landwirtschaftszone bauen und betreiben. "Deshalb kann für uns Gewerbler der Begriff Paralandwirtschaft nicht eng genug gefasst sein."