
Die Direktzahlungen in der Schweiz seien im Verhältnis zu den Markteinnahmen so hoch, dass der Markt bei Entscheidungen der Landwirte oft keine Rolle mehr spiele, erklärte Frank van Tongeren von der OECD an einer Informationsveranstaltung in Bern. Eine der Empfehlungen aus der OECD-Studie zur Schweizer Agrarpolitik lautet deshalb, das Gesamtniveau der Direktzahlungen zu senken. Damit könnten die Landwirte auf Marktsignale reagieren und es bestünde weiterhin ein Anreiz zur Produktion hochwertiger Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen, so die OECD.
Van Tongeren betonte, dass es sehr wohl Bereiche der Landwirtschaft in der Schweiz gebe, die konkurrenzfähig mit der EU sind. Andere hingegen nicht. Bei den anderen Betrieben dürfe man nicht die Illusion haben, dass sie neben gewissen Dienstleistungen wie Landschaftspflege auch noch die Ernährungssicherheit garantierten könnten. Die OECD ortet in diesem Bereich auch zwei potenziell widersprüchliche Ziele und sieht als Lösungsmöglichkeit ein duales System. Demnach würde ein Teil der Betriebe künftig für die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen wie Kulturlandschaften und Biodiversität mit Direktzahlungen entschädigt, ein anderer Teil würde hingegen mehr Freiheiten erhalten, die Produktion zu optimieren und auf Marktsignale zu reagieren. Der Bund könnte diesem Zweig unter anderem mit Investitionsstützungen unter die Arme greifen. Eine Möglichkeit zu bestimmen, wer zu welchem Zweig gehört, wäre die Lage des Betriebes. So könnten die Bergbauern unter den ersten Zweig fallen, die Bauern in Talgebieten hingegen untern den zweiten Zweig.
Wettbewerbsfähigkeit nur bedingt vorhanden
ji. Ein Vergleich mit der EU zeigt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie aktuell stark von Branchen abhängt, die den Grossteil der Rohstoffe aus dem Ausland holen (Kaffee, Schokolade) oder nicht aus der Landwirtschaft beziehen (Wasser). Als schwächste Sektoren macht die Studie die Fleisch- und Milchverarbeitung aus. Diese müssen Preise für die Rohstoffe bezahlen, die weit über dem Preisniveau der EU liegen. Laut OECD würde eine stärker marktorientiert und kommerziell ausgerichtete Landwirtschaft helfen, dass auch Branchen konkurrenzfähiger werden, die in erster Linie von Schweizer Rohstoffen abhängig sind.
Weniger für die Produzenten, mehr für die Konsumenten
Neben diesen Anpassungen im Direktzahlungsbereich sieht die OECD auch gesamtwirtschaftliche Vorteile, wenn sich die Preise der EU weiter angleichen und empfiehlt eine weitere Liberalisierung sowie eine Abschaffung der Ausfuhrsubventionen für verarbeitete Produkte. Wohlgemerkt wären die positiven Effekte gesamtwirtschaftlicher Natur, die Produzenten – also die Bauern – würden dabei verlieren, während die Konsumenten aufgrund tieferer Preise profitieren könnten. Die Situation wäre aber selbst dann noch gesamtwirtschaftlich positiv, wenn die Hälfte der Produzentenverluste durch neue Direktzahlungen ausgeglichen würde, so van Tongeren. Nicht untersucht wurde, wie sich dieses Szenario auf die ländliche Entwicklung auswirken würde.
Resultate sollen einfliessen
Man sei sich bewusst, dass es sich bei der Studie um eine ökonomische Sichtweise handle, andere Aspekte aber ebenfalls bedeutsam seien, sagte Bernard Lehmann, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW). Das BLW schätzt aber grundsätzlich den neutralen Blick auf die Schweizer Agrarpolitik und will die Studienresultate in die weitere Entwicklung mit einfliessen lassen.
Die gesamte Studie (englisch) ist unter http://bit.ly/1BtDcrP abrufbar. Eine deutsche Version ist noch nicht verfügbar.
SBV: "Studie wenig innovativ und widersprüchlich"
ji. Als alten Wein in alten Schläuchen bezeichnet der Schweizer Bauernverband (SBV) die OECD-Studie in einer Medienmitteilung. Die OECD wiederhole ihre üblichen Liberalisierungsgebote zur Förderung des Wirtschaftswachstums, die Ausführungen seien wenig innovativ und widersprüchlich, so der SBV. Kritisiert wird unter anderem auch, dass regionalökonomische Aspekte wie ländliche Entwicklung von der OECD-Studie ausser Acht gelassen werden. Es sei gut, dass sich der Bundesrat nicht nach dem Willen der OECD, sondern nach jenem des Schweizer Volkes richten müsse, so der SBV.
Die vollständige Mitteilung des Bauernverbandes finden Sie unter OECD UND DIE AGRARPOLITIK: ALTER WEIN IN ALTEN SCHLÄUCHEN.

