
LID: Sie haben 2017 einen Aufruf gestartet, alte Quittenbäume mit einem Stammumfang von 130 cm und mehr zu melden. Warum?
Klaus Gersbach: Bei den Quitten gibt es wie bei anderen Obstarten auch verschiedene Sorten. Über die in der Schweiz vorkommenden Varietäten war bislang aber nur wenig bekannt. Deshalb haben wir mit Unterstützung des Bundesamts für Landwirtschaft ein Inventarisierungsprojekt gestartet. Die grosse Frage war: Finden wir bei den Quitten auch eine robuste Sorte, wie wir sie bei den Äpfeln gefunden haben?
Und?
Wir haben einen Quittenbaum bei Turbenthal im Kanton Zürich entdeckt, der rund 100 Jahre alt und gegen die Quittenblattbräune erstaunlich robust ist. Das ist eine kleine Sensation, denn eine robuste Quittensorte war mir bislang nicht bekannt.
Was bringt die Entdeckung?
Es wäre schade gewesen, hätte man diesen Baum nicht entdeckt. So aber können wir ihn weiter nutzen und von seiner Robustheit profitieren. Einige Baumschulen, die mit Fructus zusammenarbeiten, haben bereits Zweige. Erste Jungbäume wird man im Herbst 2020 kaufen können. Ideal ist die "Gyrenbader Quitte" insbesondere für Hausgärten, weil man dort in der Regel keine Pflanzenschutzmittel einsetzt und die Quittenblattbräune deshalb ein Problem ist.
Was passiert bei der Quittenblattbräune?
Die Blätter fallen früher ab und die Früchte werden je nach dem nicht mehr reif. Es ist eine lästige Pilzkrankheit, die überall in der Schweiz vorkommt. Ich rate Personen, die einen Quittenbaum pflanzen wollen, dies an einem sonnigen Ort zu tun. Zudem sollte der Baum freistehend sein. Das senkt das Risiko für Quittenblattbräune und die Bakterienkrankheit Feuerbrand kann besser kontrolliert werden.
Gab es weitere überraschende Befunde?
Einer der wohl ältesten Quittenbäume steht mitten in der Stadt Basel. Er ist rund 150 Jahre alt und hat 20 Bäume seinesgleichen quer durch die Nordwestschweiz Auch in der Stadt Zürich existiert ein ebenso alter Baum mit sehr ähnlichen Eigenschaften. Das ist schon speziell.
Welche Bedeutung hat der Quitten-Anbau heute noch?
In den letzten Jahren sind viele Bäume dem Feuerbrand zum Opfer gefallen. Quitten sind besonders anfällig auf die Bakterienkrankheit, deshalb ist teils rigoros gerodet worden; insbesondere dort, wo Apfel- und Birnenanlagen in der Nähe waren. Quittensorten, die dem Feuerbrand trotzen, gibt es leider keine, diesbezüglich kann leider auch die Gyrenbader nach jetzigem Stand nicht helfen.
Zum Projekt
Klaus Gersbach und Michel Brunner haben im Auftrag von Fructus, der Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, und mit Unterstützung des Bundesamts für Landwirtschaft von 2017 bis 2018 alte Quittensorten inventarisiert. Zu Beginn des Projekts haben die beiden Obstexperten die Öffentlichkeit aufgerufen, Quittenbäume mit einem Stammumfang von 130 cm und mehr zu melden. Solche Bäume sind in der Regel mehr als 70 Jahre alt. Über 200 Meldungen gingen bei den beiden Obstexperten ein. 174 Blattproben haben sie molekulargenetisch analysiert.
14 verschiedene Quittensorten konnten Gersbach und Brunner identifizieren. Diese werden nun zur Erhaltung vermehrt und weiter getestet.
Weitere Informationen unter fructus.ch
Quittenbäume: Bestand stark geschrumpft
Der Quitten-Bestand hat sich in den letzten Jahrzehnten in nur eine Richtung entwickelt: nach unten. Wurden 1951 im Schweizer Feldobstbau 113'000 Quittenbäume gezählt, waren es 1991 nur noch rund 50'000. Ende der 1980er Jahre trat erstmals die Feuerbrand-Krankheit auf. Weil die Quitte besonders anfällig ist, geriet sie als möglicher Infektionsherd für Apfel- und Birnbäume in Verruf. Folge: Der Bestand schrumpfte nochmals drastisch.
Im Erwerbsobstbau spielen Quitten eine unbedeutende Rolle. Der Schweizer Obstverband weist für das Jahr 2017 eine Anbaufläche von gerade mal 8,6 Hektaren aus. Zum Vergleich: Äpfel werden derzeit auf knapp 4'000 Hektaren angebaut. Meist existieren Quitten als Einzelbäume auf Bauernhöfen und in privaten Hausgärten.


