Die vom Bundesrat vorgeschlagene Bilanzreserve, mit der die Auswirkungen der künftigen Grenzöffnungen im Agrarbereich abgefedert werden sollen, ist im Nationalrat durchgefallen. Mit 111 zu 60 Stimmen bei 13 Enthaltungen beschloss der Nationalrat Nichteintreten. Konkret möchte der Bundesrat bis 2016 die Zolleinnahmen für landwirtschaftliche Produkte von 400 bis 500 Millionen Franken jährlich dafür reservieren.
Katze im Sack
Dagegen waren zum einen die Vertreter der SVP, weil sie die Bilanzreserve als Präjudiz für einen Agrarfreihandel mit der EU betrachten, den die SVP strikte ablehnt. Den Bauern werde "in schlaumeierischer Art Sand in die Augen gestreut", sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Ernst Schibli. Die Tatsache, dass der Bundesrat nicht über ein gesichertes Finanzierungskonzept verfüge, zeige, dass die Vorlage nichts anderes sei als eine Alibi-Übung, eine Sterbeprämie für einen Grossteil der Bauernbetriebe.
Zum anderen kritisierten die Grünen und die SP, dass noch gar nichts über die Begleitmassnahmen bekannt sei. "Wir können nicht im Ernst auf ein virtuelles Finanzierungskonzept für undefinierte Begleitmassnahmen eintreten", sagte der Bündner SP-Nationalrat Andrea Hämmerle. Wie der Bundesrat mit dem vagen Konzept bei den Bäuerinnen und Bauern Vertrauen schaffen wolle, sei schleierhaft.
Vorsorgen
Die Vertreter von FDP und CVP sprachen sich für die Vorlage aus. "Je länger es geht, desto schwieriger wird es wohl sein, genügend Geld für Begleitmassnahmen zu reservieren, denn ich glaube, die finanzielle Situation beim Bund wird nicht besser", sagte Markus Zemp, und ergänzte, wer dazu ja sage, sage nicht automatisch Ja zum Agrarfreihandel.
Für die Bilanzreserve sprach sich auch die BDP-Fraktion. Hansjörg Hassler argumentierte, die Doha-Runde könne irgendwann zu einem Abschluss kommen. Ohne Begleitmassnahmen würde die Situation für die Bauern dann sehr ungemütlich. Es sei deshalb unverantwortlich, auf die Bildung der Bilanzreserve nicht einzutreten. Allerdings bemängelte auch Hassler, dass diese Lösung sehr unverbindlich sei und dass ein Fonds sicherer weil zweckgebunden wäre.
Bauernverbandspräsident Hansjörg Walter war als einziger SVP-Vertreter für die Bilanzreserve: Die Vorsorge, die der Bundesrat hier aufgleisen wolle, sei zu begrüssen. Eine Begleitgruppe sei daran, die Begleitmassnahmen zu definieren. Auch er gehöre diese Gruppe an und man werde den Bericht fristgerecht bis Mitte abliefern. Gegenüber der Presse erklärte Walter, er wolle sich später nicht vorwerfen lassen, er habe sich nicht rechtzeitig für die finanzielle Absicherung eingesetzt.
Bundesrätin Doris Leuthard verteidigte die Vorlage, wenn auch vergeblich. In der WTO seien die Differenzen zwischen den USA und Indien möglicherweise schon bald ausgeräumt, und dann werde die Doha-Runde wohl schon 2010 abgeschlossen. Nach der Devise "gouverner c'est prévoir" sei es klüger, vorauszudenken und sich darauf vorzubereiten.
Ob die Bilanzreserve definitiv scheitert, wird sich im Ständerat zeigen, der das Geschäft noch beraten wird.
