Es war kein Zufall, dass der Schweizerische Verband der Ingenieur-Agronomen und der Lebensmittel-Ingenieure (SVIAL) das Fürstentum Liechtenstein als Austragungsort für den Weiterbildungskurs mit dem Thema "Öffnung der Märkte - Folgerungen für das Agrarmarketing" ausgesucht hatte. Liechtenstein gehört zu den sogenannten Kleinstaaten, ist stark mit der Schweiz verbunden, aber dank der EWR-Mitgliedschaft etwas näher am europäischen Geschehen als die Schweiz. Referenten aus der Nahrungsmittelbranche und aus dem Marketingbereich berichteten über im Ausland gemachte Erfahrungen, die beim Export von verarbeiteten Agrarprodukten gemacht wurden. Den rund 60 Kursteilnehmerinnen und -Teilnehmern wurde aufgezeigt, dass dem harten Gegenwind der internationalen Märkte vor allem mit innovativem Denken und optimalen Kostenstrukturen entgegengehalten werden kann.
Kostenstrukturen in den Griff bekommen
Am Beispiel des Schweizer Biscuitsherstellers Kambly wurde gezeigt, dass auch Betriebe von mittlerer Grösse fähig sein können, wettbewerbsfähige Schweizer Produkte ins Ausland zu exportieren. Ermöglicht wird dies durch eine maximale Effizienz in der Produktion und eine gezielte Bearbeitung von Märkten. "Die Internationalisierung braucht Mut, Risikobereitschaft und Menschen, die zu mehr bereit sind als üblich", sagte Kambly-Direktor Anton von Weissenfluh zu seiner erfolgreichen Strategie.
Der fehlende Marktzutritt zur EU verhindert vorläufig noch die Expansion des Weichkäseherstellers Baer AG aus Küssnacht SZ. Für Direktor Stephan Baer bildet der Zugang zum EU-Markt aber die Voraussetzung, um überhaupt eine zur EU wettbewerbsfähige Kostenstruktur zu erreichen. Obwohl die Firma Baer aufgrund der Betriebsgrösse den Vergleich mit EU-Weichkäsereien nicht zu scheuen braucht, bestehen laut Stephan Baer noch grosse Kostensenkungspotentiale. "Im Vergleich zu zwei Packstrassen im durchschnittlichen EU-Betrieb benötigen wir für unsere grosse Sortenvielfalt deren 20", erläuterte er die Problematik.
Der SVIAL
de. Der Schweizerische Verband der Ingenieur-Agronomen und der Lebensmittel-Ingenieure (SVIAL) ist der Berufsverband der Absolventinnen und Absolventen der Abteilung Agrar- und Lebensmittelwissenschaften der ETH Zürich. Er wurde 1901 gegründet und vertritt die Interessen seiner Mitglieder in der Öffentlichkeit, in der Wirtschaft und gegenüber den Behörden. Die Geschäftsstelle befindet sich in Zollikofen BE. Der SVIAL organisiert jährlich zwischen 10 und 15 Weiterbildungsveranstaltungen zu Themen aus dem Agrarbereich. Mit der Landwirtschaftlichen Lehrmittelzentrale (LmZ) betreibt der Verband einen Verlag für Fachbücher und Lehrmittel für die Ausbildung von Landwirten, Bäuerinnen, Käser, Molkeristen und Gärtner.
Kleine Mengen und grosse Vielfalt als Haupthindernisse
An der Veranstaltung drang denn auch durch, dass die eher kleinen Produktionsmengen und die grossen Produktesortimente zwei der Haupthindernisse zur Erreichung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit darstellen. Als grosser Nachteil für exportwillige Verarbeiter wurde aber auch der schleppende Gang der bilateralen Verhandlungen sowie der parlamentarischen Beratung der neuen Agrarpolitik (AP 2002) genannt.
In gesättigten Märkten Erfolg haben
Wie man als Bäckerei selbst im vermeintlich gesättigten Brotmarkt Anteile dazugewinnen kann, zeigte Günther Beringer von der Rudolf Ölz Meisterbäcker GmbH auf: Ein Produkt muss seiner Meinung nach grundsätzlich marktgerecht, zielgruppenadäquat, preiswert und attraktiv verpackt sein. "Jeder muss sich die Frage stellen: Wie mache ich mich attraktiv?" Er verwies dabei auf die zwei Möglichkeiten des Massengeschäftes oder der Produktion von sogenannten Premiumprodukten. Nach Meinung von Günther Beringer wird sich der europäische Lebensmittelhandel in Richtung strategische Allianzen, Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen sowie eigenem Unternehmenswachstum entwickeln.
Tendenz zu Discount- und Premiumprodukten
Der hierzulande oft gehörte Rat zur Herstellung von Spezialprodukten erhielt an der SVIAL-Tagung eher einen Dämpfer verpasst. Vielmehr entstand der Eindruck, dass es zu einer Polarisierung zwischen Discount- und Premiumproduktion kommen könnte. Dem Markt für Spezialitäten dürfte dabei eine weit weniger gewichtige Rolle zufallen als gelegentlich behauptet wird. Mit dem Brecht-Zitat "Zuerst kommt das Fressen und dann die Moral" unterstrich Klaus J. Stöhlker, Unternehmensberater für Öffentlichkeitsarbeit aus Zürich, diese Tatsache noch zusätzlich. Den wenigen anwesenden Landwirten wurde in Triesenberg auf jeden Fall klar, dass es keinen wirklichen Weg zu geben scheint, der an Strukturveränderungen - verbunden mit massiven Kostensenkungen - vorbeiführt. Denn das, was die Verarbeitungsindustrie braucht, sind billige Rohstoffe.
Gesundheit und Genuss als Megatrends der Zukunft
de. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der SVIAL-Tagung kamen mit der Hoffnung nach Triesenberg FL, etwas über künftige Konsumtrends zu erfahren. Klaus J. Stöhlker, Unternehmensberater für Öffentlichkeitsarbeit, sieht für Schweizer Produkte auf dem EU-Markt vor allem Aussenseiter-Chancen, die aber einen hohen Imagewert hätten. "Spezialitäten sind Hochleistungsprodukte von hohem Erlebnis- und Imagewert. Die Zahl von Routineprodukten und Routinefirmen, die dem europäischen und weltweiten Wettbewerb nicht gewachsen sind, ist nämlich gross", erklärte Stöhlker. Der allgemein bekannte Trend zu sogenannten Convenience Produkten (z.B. Fertigmahlzeiten) wurde auch an dieser Veranstaltung bekräftigt. Für Meisterbäcker Günther Beringer findet eine getrennte Entwicklung in Richtung Premium- und Discountprodukte statt. "Der Anteil der Discounter wächst auch in Zukunft", erklärte Beringer und wies auf die zunehmende Anzahl von Arbeitslosen hin. Allerdings würde auch die Bereitschaft steigen, "Neuigkeiten" auszuprobieren, weshalb auch Herkunftsangaben und Garantiezeichen an Stellenwert gewinnen würden. "Insgesamt wird eine grössere Hinwendung zu pflanzlicher Nahrung stattfinden", prophezeite Beringer. Auch Walter Quakernack, Marktanalytiker des Institutes für Marktanalysen in Stans, stellt eine Tendenz in Richtung Mehrkonsum von Brot und Gemüse fest, die weg von Frischfleisch führe. Neben dem Trend zu gesünderer Nahrung sei aber auch die Preiselastizität entscheidend, fügte er hinzu.