Mit dem Anbau des nachwachsenden Rohstoffes Chinaschilf wurde in der Schweiz 1992 begonnen. Die Pioniere waren voller Optimismus, stand doch der Einführung einer neuen Kulturpflanze nichts mehr im Wege. Anfänglich wurden die Anbaupläne von Bund und Kantonen massiv unterstützt. Sogar die landwirtschaftliche Forschungsanstalt in Tänikon ZH (FAT) widmete mehrere Arbeiten dem Chinaschilf.
Die nachwachsende Kulturpflanze versprach für die Landwirte eine echte Alternative zur herkömmlichen Nahrungs- und Futtermittelwirtschaft zu werden. Die Pflanzer waren überzeugt, dass das Schilf, verarbeitet zu Verpackungsmaterial, Füllstoff oder als Plastikersatz, eine Erfolgsstory schreiben würde. Zusätzlich glaubte man an einen Doppelnutzen, indem die Materialien nach Gebrauch als Energieträger weiter genutzt werden könnten.
Fehlende Marktakzeptanz
Doch die neuen ökologischen Erzeugnisse mussten sich mit qualitativ hochstehenden und im Markt etablierten Produkten aus Plastik oder Styropor messen. Der Konkurrenzkampf in diesem Marktbereich ist brutal, und ein Aufpreis für Ökologie hat keine Chancen.
Die Markteinführung einiger Produkte scheiterte aber auch an Tests, denen die Produkte unterzogen wurden. Die erste Generation von aus Chinaschilf hergestellten Trinkbechern erlag dem sogenannten Cola-Test, bei welchem das Getränk während acht Stunden im Becher zurückgehalten werden muss, ohne dass dieser sich dabei auflöst. Dieser Anforderung waren die Öko-Becher zunächst nicht gewachsen, und der Qualitätsrückstand konnte mangels Forschungsgeldern nicht sofort aufgeholt werden.
Die Verwertungsorganisationen liessen sich von diesen Rückschlägen nicht entmutigen und suchten neue Lösun-gen. Die neue Produktepalette sah um einiges bescheidener aus als zuerst erhofft. Granulate zur Bodenlüftung, Einstreu für Pferde oder Ölbinder sind Verlegenheitslösungen und finden nicht den benötigten Absatz.
Neben Absatzproblemen erfüllten sich auch die Ertragshoffnungen der Landwirte nicht. So wären die versprochenen Hektarerträge von 20 Tonnen Trockensubstanz nur in besten Lagen mit Bewässerung möglich. Dies widerspricht jedoch der Anbauphilosophie, die vor allem auf eine sinnvolle Nutzung ökologischer Ausgleichsflächen abzielt.
Torfersatz – die Rettung?
Seit Mitte Januar 1998 keimt nun neue Hoffnung auf. Da die Hochmoore in der Schweiz geschützt und somit für die Torfgewinnung tabu sind, werden jährlich rund zwei Millionen Kubikmeter Torf aus Lettland, Russland, Polen und Deutschland importiert. Nach Überzeugung der Firma Terracomp Bioerdenwerk AG in Oensingen SO sollte ein Torfersatz jedoch auch in der Schweiz hergestellt werden können. Die Solothurner zeigen daher Interesse am Chinaschilf. Bereits dieses Jahr will die Firma in Zusammenarbeit mit der Chinaschilf-Verwertungsorganisation GSB in Kreuzlingen und dem Grenchner Komposthersteller Vollenweider AG Torfersatz aus Chinaschilf und Kompost auf den Markt bringen. 7000 Kubikmeter torffreie Bioerde sollen in diesem Jahr produziert werden, eine Steigerung auf 17‘000 Kubikmeter bis im Jahr 2000 hält Terracomp für möglich. Damit seien die rund 200 Chinaschilfpflanzer in der Schweiz ihre Absatzsorgen vorerst los, frohlockte das Bioerdenwerk im Januar in einer Pressemitteilung. Das Marktpotential schätzt die Terracomp AG indes noch weit höher ein.
Tiefer Erdölpreis als Hemmschuh
Laut Andreas Ittin, Präsident der schweizerischen Interessengemeinschat für Biorohstoffe, steht dem Durchbruch des Chinaschilfes wie bei vielen ökologischen Innovationen der tiefe Erdölpreis entgegen. Die Einführung der CO2-Steuer – von den Bundesbehörden einstweilen nur als Möglichkeit vorgesehen - würde Chinaschilf als Energieträger oder Baurohstoff schnell interessanter machen. Ittin glaubt an die Zukunft des Schilfes, weil das Produkt marktgerecht, aber leider seiner Zeit noch voraus sei.
Chinaschilf oder Miscanthus sinensis giganteus
LID/SIL. Chinaschilf mit lateinischem Namen Miscanthus sinensis giganteus stammt ursprünglich aus dem Fernen Osten und ist in Europa als nachwachsender Rohstoff ins Gespräch gekommen. Die zwei bis vier Meter grosse Faserpflanze produziert mehr Biomasse als jeder andere nachwachsende Rohstoff. Das mehrjährige Staudengras gilt dank seinen geringen Ansprüchen an Düngung, Pflege und Pflanzenschutzmitteln als ideal für ökologische Ausgleichsflächen. In der Schweiz wird Chinaschilf gegenwärtig von über 200 Bauern angepflanzt. Die grösste Anbau- und Verwertungsorganisation ist die Genossenschaft Biomasse Technologie (GSB) in Kreuzlingen TG mit 221 Genossenschaftsmitgliedern.
Chinaschilf wird von Ende April bis Mitte Mai gepflanzt und von Februar bis April geerntet. Der Erfolg hängt laut einem 1997 abgeschlossenen Forschungsprojekt des Bundesamtes für Energiewirtschaft (BEW) stark von der Entwicklung im ersten Jahr ab. Diese wird von Standort, Pflege und Boden beeinflusst. Der Anbau kann bis in einer Höhe von 700 Meter ü.M. erfolgen. Staunässe sowie verdichtete Böden sind ungeeignet, für hohe Erträge ist eine gute Wasserversorgung unerlässlich. In den BEW-Versuchen wurden unter optimalen Bedingungen Erträge zwischen 15 und über 20 Tonnen Trockensubstanz (TS) pro Hektar gemessen. In der Praxis mussten jedoch oft bis zu 3 t abgezogen werden, die als Stoppelresten auf dem Feld zurückblieben. In nicht idealen Anbaulagen – was dem Normalfall entspricht – wurden tiefere Erträge von 10 bis 15 t TS/ha erwirtschaftet.
Verwendungsmöglichkeiten für die aus Chinaschilf anfallende Biomasse werden derzeit in ganz Europa untersucht. Im Vordergrund steht dabei die Gewinnung von Treibstoff, Heiz- und Baumaterial sowie von Qualitätspapier.
* Die Autoren Roland Unternährer, Simon Küng, Raymond Petermann, Leonard Weg und Markus Schütz sind Studierende des 3. Semesters an der Schweizerischen Ingenieurschule für Landwirtschaft (SIL) in Zollikofen BE.