"Die Fakten sprechen für uns, wir müssen sie nur glaubwürdig in einfacher und in verständlicher Weise verbreiten – und daran mangelt es", sagte Jürgen Abraham an der Eröffnung der Internationalen Grünen Woche in Berlin am 20. Januar. Der Chef des Branchenverbandes der Deutschen Ernährungsindustrie forderte die Betriebe zu mehr Offenheit auf; die Konsumenten sollten angesichts des Dioxin-Skandals besser über die Entstehung der Produkte aufgeklärt werden.
Wie das konkret funktionieren kann, zeigt sich im norddeutschen Münchehofe. Das kleine Dorf liegt eine Fahrtstunde von Berlin entfernt. Am Dorfrand steht ein modernes Gebäude, das nebst den beschaulichen Einfamilienhäusern etwas fremd wirkt: ein riesengrosser Quader aus Lärchenholz und mit grossen Fenstern. Auch im Inneren erinnert zunächst nichts an eine Molkerei: Das in Weiss gehaltene Foyer ist lichtdurchflutet und hell. Nur der Duft verrät, dass hier Milch verarbeitet wird.
Besonders ist nicht nur die Architektur, besonders ist auch das Konzept: "Besucher können bei uns den Herstellungsprozess von Butter, Milch und Käse direkt mitverfolgen, von der Anlieferung bis zum fertigen Produkt", erklärt Thomas Kröber von der gläsernen Molkerei. Mit der Schaumolkerei wolle man näher an die Konsumenten und damit die Glaubwürdigkeit stärken. Grund: "Viele Leute in Deutschland wissen nicht mehr, woher die Milch kommt und wie sie verarbeitet wird." Ein Besuch der gläsernen Molkerei sei denn auch oft mit einem Aha-Erlebnis verbunden. Seit der Eröffnung vor einem Jahr sind rund 10'000 Besucher gekommen; Kröber ist sehr zufrieden damit, zumal man kaum Werbung gemacht habe.
Nischenprodukt Bio-Milch
2009 produzierten Deutschlands knapp 96'000 Bauern 28'613 Mio. Tonnen Milch. Der Bio-Anteil ist mit 1,7 Prozent gering. In der Schweiz beträgt er fünf Prozent. Das hat damit zu tun, dass Deutschland viel Bio-Milch und Bio-Milchprodukte importiert, vor allem aus Österreich und Dänemark. Nachdem in den vergangenen Jahren der Bio-Markt rasant gewachsen ist, weil alle Detaillisten Bio-Milch ins Sortiment aufnahmen, hat sich inzwischen das Wachstum deutlich verlangsamt.
Gläserne Molkerei setzt auf Schweizer Technik
Die Besichtigung beginnt im 1. Stock. Raumhohe Fenster zu beiden Seiten der Galerie geben den Blick frei auf die Produktion. Auf der rechten Seite sieht man, wie die Milch aufbereitet und abgefüllt wird – blitzschnell und vollautomatisch, 6'000 Liter in der Stunde. Sieben verschiedene Milchsorten hat die Gläserne Molkerei im Sortiment, von der Vollmilch über fettarme Milch bis hin zur Demeter-Heumilch. Letztere stammt von Kühen, die im Sommer mit Gras und im Winter vorwiegend mit Heu gefüttert werden. Der Einsatz von Silage ist nicht erlaubt. Dadurch hat ist der Gehalt an den gesundheitlich wertvollen Omega-3-Fettsäuren höher als bei der herkömmlichen Milch.
Auf der linken Seite wird Käse produziert. 6'000 Liter Milch passen in die riesigen Kessi; pro Jahr werden rund 6 Mio. Liter Milch zu sechs Sorten Käse verarbeitet – vom jungen Landkäse bis zum würzigen Hartkäse. Aufbewahrt werden diese in den Reifekammern, die Platz für 35'000 Laibe bieten. Dort werden sie zwischen sechs Wochen und sechs Monaten gelagert und regelmässig gewaschen – von "Toni", einem aus der Schweiz stammenden Roboter.
Auf Informationstafeln wird den Besuchern viel Wissenswertes rund um die Produktion von Butter, Milch und Käse vermittelt. So erfährt man etwa, von welchen Bauernbetrieben die Milch stammt, dass diese bei der Pasteurisierung während 30 Sekunden auf 75 Grad C erhitzt wird oder dass dem Bio-Joghurt keine künstlichen Aromastoffe beigegeben werden. Und dann, zum Schluss des Rundgangs, darf man die Milchprodukte dann auch noch kosten.
Nur Milch in Bio-Qualität
Die gläserne Molkerei verarbeitet ausschliesslich Bio-Milch – in Münchehofe jährlich rund 35 Mio. Liter. Damit ist sie eine der grössten Bio-Molkereien Deutschlands. Der Rohstoff stammt von rund 100 Bauern aus Nord- und Ostdeutschland, die die Molkerei direkt beliefern. Pro Liter gibt es derzeit 41 Cent, 12 Cent mehr als für konventionelle Milch gezahlt wird.
Zu kaufen gibt es die Bio-Produkte der gläsernen Molkerei in fast ganz Deutschland, vor allem in Reformläden und Bio-Supermärkten, aber auch bei Discountern. Dass die Geschäfte mit der Bio-Milch gut laufen, zeigen die Zukunftspläne: So soll in der Nähe von Hamburg eine weitere Molkerei gebaut werden – eine gläserne.
Grüne Woche Berlin
Anlässlich der Internationalen Grünen Woche hat das Auswärtige Amt Deutschlands eine Gruppe internationaler Journalisten nach Berlin eingeladen, um ihnen die Deutsche Land- und Ernährungswirtschaft zu zeigen. Die Grüne Woche, die vom 21. bis 30. Januar in Berlin stattfand, ist die weltgrösste Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau.
