"Gestalten wir dort, wo wir es selbst in der Hand haben, leisten wir Überzeugungsarbeit dort, wo wir beeinflussen können, und machen wir Druck dort, wo,s nicht anders geht." Für dieses Vorgehen plädierte Präsident Peter Gfeller an der Delegiertenversammlung der Dachorganisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Das Heft in die Hand nehmen will die SMP mit Blick auf das Ende der Milchkontingentierung im Jahr 2009. Erstes Anliegen ist, dass die Milchproduzenten straff organisiert sind. Ferner will die SMP nur noch so viele grosse Milchverarbeiter wie grosse Detailhändler, also noch zwei statt fünf wie heute. Ausserdem strebt sie nach dem Ausstieg eine Vertragsmengenregelung an. So will die Dachorganisation verhindern, dass mehr Milch gemolken wird, als der Markt verkraften kann.
Verbindliche Solidarität
Von einer straffen Organisation sind die Produzenten aber noch weit entfernt: Die Milchbauern planen den vorzeitigen Ausstieg in einem Jahr nicht, wie von der SMP gewünscht, in höchstens sechs bis acht Organisationen, sondern in schätzungsweise 20 Zusammenschlüssen. "Die Aussicht auf persönliche Vorteile wird heute oftmals noch höher gewichtet als die drohenden Einkommenseinbussen für alle", bemerkte der SMP-Präsident in seiner Eröffnungsrede am 13. April im Kursaal Bern. Oder mit anderen Worten: Weil sich Einzelne einige Rappen mehr für ihre Milch erhoffen, könnte der Milchpreis für alle auf 50 bis 60 Rappen sinken.
Um dies zu verhindern will die SMP, dass der Bund die Milchbauern verpflichtet, einer Organisation beizutreten, und dass alle gleich bestraft werden, wenn sie mehr melken, als vertraglich abgemacht ist. Ausserdem schlägt sie vor, dass der grösste Teil der Überlieferungsabgabe neu in den Milchstützungsfonds der SMP fliesst anstatt in die allgemeine Bundeskasse. Das sei nur logisch, weil nicht mehr der Bund, sondern die SMP die Verwertung saisonaler Überschüsse über den Milchstützungsfonds finanziere.
Konkret schlägt die SMP vor, dass die Produzenten neu 40 Rappen pro Kilogramm zu viel gelieferte Milch in den Milchstützungsfonds bezahlen und 10 Rappen dem Bund abliefern. Heute zahlen die Produzenten 60 Rappen in die allgemeine Bundeskasse. Der Bund nimmt so jährlich eine bis drei Millionen Franken ein.
Konfrontation mit dem Bundesamt
Hier muss denn auch schon die Überzeugungsarbeit einsetzen. Ein Statement von Jacques Chavaz, Vizedirektor im Bundesamt für Landwirtschaft, machte klar, dass der Bund andere Vorstellungen hat. Er führte juristische und politische Gründe gegen die SMP-Anliegen an. Auf keinen Fall solle die öffentlich-rechtliche Milchkontingentierung durch eine private nationale Mengenregelung abgelöst werden. "Sie wollen den Ausstiegsbeschluss über die Hintertüre rückgängig machen", vermutete Chavaz. Ein SMP-Delegierter entgegnete, das Bundesamt wolle möglichst viel Konkurrenz, damit möglichst viele Milchproduzenten aufgäben.
Die 164 anwesenden Delegierten haben einstimmig den Weg des SMP-Vorstandes unterstützt und die Statuten entsprechend angepasst. Ferner sind sie weiterhin bereit, pro Kilogramm Milch fast einen Rappen für die Verbandsarbeit, für gemeinsames Marketing und Käsewerbung zu bezahlen. Mit einem weiteren Rappen alimentieren sie den Milchstützungsfonds, 0,3 Rappen weniger als im laufenden Milchjahr. Das gibt gut 30 Millionen Franken, um Milchpulver- und Rahmexporte zu verbilligen und den Käseabsatz zu unterstützen. In den letzten Jahren wurden dafür 40 bis 60 Mio. Franken pro Jahr eingesetzt und so für einen Zehntel der produzierten Milch ein tieferer Milchpreis verhindert.
Beeinflussen wollen die Milchproduzenten auch die Agrarpolitik 2011. Erstens müsse der Rahmenkredit für 2008 bis 2011 so hoch sein wie der laufende, plus Teuerung, forderte Gfeller. Ferner sollten die Umlagerung von Marktstützungsmitteln in Direktzahlungen verbindlich zugesagt und die Zulagen für verkäste Milch sowie für den Siloverzicht bei der Fütterung beibehalten werden. Viertens sollte die Bindung der Direktzahlungen an die Fläche gelockert werden. Ein Teil des Flächenbeitrags sollte in Zukunft an die Arbeitskräfte gebunden werden. Und nicht zuletzt argumentiert die SMP mit dem Recht auf Ernährungssouveränität und verlangt einen griffigen Grenzschutz.
Frischer Wind im Vorstand
mo. Neben dem Ausstieg aus der Milchkontingentierung hatten die 164 Delegierten der Dachorganisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP) auch verschiedene statutarische Geschäfte zu erledigen. Neu in den SMP-Vorstand wählten sie am 13. April im Kursaal Bern Peter Bühlmann, Emmenbrücke LU, Christian von Känel, Lenk BE und Hansruedi Scheuner, Schwarzenegg BE. Ein Sitz bleibt bis im Herbst vakant. Als Suppleanten bestimmten sie Franziska Borer von der Berner Bauernorganisation Lobag, Claudio Guarise vom Tessiner Milchverband LATI und Urs Guntern vom Walliser Milchverband.
Ohne Diskussion genehmigte die Delegiertenversammlung auch die Verbandsrechung sowie die Abrechungen des Marketingfonds und des Milchstützungsfonds.
"Geiz ist dumm"
Erfreulicher als die mittelfristigen Perspektiven sind die kurzfristigen Aussichten. Die Mehrproduktion im letzten Jahr konnte verkauft werden, im Sommer oder Frühherbst könnte die Milch sogar knapp werden. Deshalb wehrt sich die SMP vehement dagegen, dass die Milchbauern den Preiskrieg der Grossverteiler mit tieferen Milchpreisen finanzieren müssen. "Jede zusätzliche Preissenkung ist unnötige Wertschöpfungsvernichtung", monierte SMP-Direktor Samuel Lüthi. Geiz sei eben nicht geil, sondern dumm.
Mit den Milchverarbeitern verhandeln jedoch die Vertreter der regionalen Produzentenorganisationen und Milchringe. Die SMP hat aber im Hintergrund wesentlich stärker Druck gemacht als in den letzten Jahren. Sie dokumentierte die Verhandlungsdelegationen mit Zahlen zum Milchmarkt und die SMP-Spitze sprach mit den Spitzen von Grossverteilern und Milchverarbeitern. "Falls die gesetzten Ziele nicht erreicht werden, scheuen wir auch vor Aktionen nicht zurück", betonte SMP-Präsident Gfeller. An einen Milchboykott dachte er aber nicht. Die Risiken eines Boykotts seien zu gross und nicht kalkulierbar.
Wie effektiv der Druck der SMP ist, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Es könnte aber durchaus auch sein, dass viele Bauern beim Start des neuen Milchjahres am 1. Mai noch nicht wissen, wie viel sie für ihre Milch erhalten werden.