
Die Teilnehmer am Olma-Bauerntag waren hochkarätig: Jürg Maurer von der Migros stand für den Handel, Werner Schweizer von Hochdorf für die Verarbeiter, Nationalrat Leo Müller vertrat die Politik, der Direktor der Schweizer Milchproduzenten (SMP) Kurt Nüesch die Bauern und Christophe Eggenschwiler repräsentierte als Geschäftsführer der Mooh den Milchhandel. Die komplette Wertschöpfungskette war also versammelt um das Thema „Neue Wege im Milchmarkt“ zu diskutieren. Ein Streitgespräch wurde nicht daraus, stattdessen beantworteten alle brav die Fragen von Moderator Philipp Gemperli und waren sich einig, dass die Konsumenten für Schweizer Milchprodukte schon deshalb mehr bezahlen sollten, weil die Schweiz die schönsten Wiesen, die graslandbasierteste Produktion, die heimeligsten Strukturen und die tierfreundlichst gehaltenen Kühe hat. Wenig später beklagten sie unisono, dass der Preisabstand zum Ausland immer grösser wird. Während Leo Müller dem Lohnniveau die Schuld daran gab – „den grössten Grenzschutz haben wir bei den Löhnen“ – waren es für Eggenschwiler die teuren Produktionsbedingungen. „Das ist wie wenn die Schweizer bei einem Hürdenlauf mit Skischuhen antreten müssten, während die anderen Laufschuhe tragen.“ Die Kosten für die Pflege der Wiesen, die graslandbasierte Produktion, die kleinen Strukturen und die tierfreundliche Haltung seien einfach zu hoch. Man müsse gleichlange Spiesse haben.
Liefern, so viel man will
Eggenschwiler gab sich kämpferisch: „Wir verlieren Marktanteile und der Schweizer Milchwirtschaft fehlt es an Zukunftsglauben.“ Dabei habe speziell Käse international grosses Potential. Weil die Mooh mehr Markt und weniger Überschusslogik will, darf nun „jeder so viel Milch liefern, wie er will“, sagte Eggenschwiler in seinem Einführungsreferat. Neu ist das allerdings genauso wenig, wie dass die Mooh allfällige Überschüsse selbst verkäsen oder als Butter exportieren will. Neu ist jedoch, dass das Solidaritätsprinzip bei den Transport- und Verwaltungskosten aufgehoben und durch eine Einzelkostenabrechnung ersetzt wurde. „Jeder Produzent weiss nun ganz genau, was die Abholung seiner Milch kostet.“ Dazu kommt eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Monatsliefermodell und einer gänzlich freien Liefermenge. „Die Milchindustrie wünscht eine konstante Versorgung mit Milch, deshalb belohnen wir diejenigen, die marktkonform Milch liefern mit einem Bonus.“ Diesen Bonus auf den saisonal schwankenden Basispreis beziffert Eggenschwiler fürs nächste Jahr mit 1,5 Rappen pro Kilo Milch. Den Basispreis – nicht zu verwechseln mit den Richtpreisen der Branchenorganisation Milch – will Mooh mit einem zeitnahen Abrechnungssystem transparent machen, damit die Bauern nicht mehr Restgeldempfänger sind. Künftig sollen die Bauern ein bis zwei Wochen im Voraus wissen, wie hoch ihr Milchpreis im Folgemonat sein wird. Ein Milchpreisbarometer zeigt ihnen zudem an, wohin der Milchpreis in den nächsten sechs Monaten geht. Derzeit ist das abwärts. Laut Barometer dürfte der Milchpreis im nächsten halben Jahr um sechs Rappen sinken. Mit dieser „Kostenwahrheit und Transparenz“ will die Mooh das Vertrauen der Produzenten gewinnen. Mooh peilt für die Zukunft einen „guten Milchpreis“ an. Die Vorgängerorganisation Nordostmilch hatte sich einen „überdurchschnittlichen Milchpreis für die Milchbauern“ auf die Fahne geschrieben, aber nie erreicht. Auch beim Milchpreismonitoring vom Juli, dem ersten Monat der Mooh-Aktivitäten, lag der Milchpreis im Durchschnitt.
Keine Angst vor zu wenig Milch
Gemperles Frage ob die Podiumsteilnehmer denn keine Angst hätten, dass sie eines Tages nicht mehr genügend Milch bekämen, war durchaus berechtigt. Doch Migros-Vertreter Maurer verneinte: „Im Gegenteil, wir haben immer noch laufend Anfragen von Bauern, die mehr Milch liefern wollen.” Werner Schweizer von Hochdorf sagte: „Wenn überhaupt, dann müssten ja wir Angst haben, keine Milch mehr zu bekommen.” Der Einwurf war vermutlich rhetorisch gemeint, denn Hochdorf hat sogar in Jahren mit Milchüberschüssen Milchkonzentrat importiert. Und mit der Abschaffung des Schoggigesetzes soll der Veredelungsverkehr künftig ja noch einfacher werden. Leo Müller unternahm mit seiner Bemerkung – „die Industrie verlangt dann einfach die Öffnung der weissen Linie“ – den Versuch zu provozieren. Doch das gelang ihm nicht. Die Podiumsteilnehmer betonten viel lieber, dass in der Wertschöpfungskette alle am selben Strick ziehen müssen. In der anschliessenden Fragerunde platzte einem Zuhörer der Kragen: „Von Wertschöpfung haben wir Bauern in den letzten Jahren rein gar nichts gespürt.“
Künftig nur noch Nischenproduktion?
Darauf gingen die Gesprächsteilnehmer nicht ein. Stattdessen wechselten sie das Thema und lobten die gewerblichen Käsereien, die dem schwierigen Umfeld tatsächlich wacker trotzen und sich im Export immer noch behaupten können. Diese Käsereien zahlen in der Regel auch einen höheren Milchpreis aus. Auch im Biomilchbereich fliesst vom höheren Verkaufspreis ein höheres Milchgeld an die Produzenten zurück. Aber ob das die „Neuen Wege“ für die Schweizer Milchwirtschaft sind? Beim Milchriesen Mooh fliessen nicht einmal zehn Prozent der Menge in diese beiden wertschöpfungsstarken Kanäle. Schweizweit produzieren zwei von drei Bauern Industriemilch. Dort sind die Preise weit entfernt von kostendeckend und das nicht erst seit gestern oder heute. Trotzdem war die Stimmung auf dem Podium ziemlich locker. Einzig SMP-Direktor Nüesch mahnte zum Schluss: „Bei diesen Milchpreisen werden in Zukunft nur noch diejenigen weitermelken, die nicht anders können. Die jungen, innovativen, zukunftsorientierten Bauern werden die Milchproduktion aufgeben.“ Peter Nüesch, der Bauernpräsident des Kantons St.Gallen, hieb in dieselbe Kerbe: „Ich glaube, wir haben auf unserem Betrieb wirklich alle Register gezogen, um kostengünstig zu produzieren. Aber mit einem Milchpreis von 50 Rappen geht‘s auf Dauer einfach nicht.“ Aber da war das Podiumsgespräch bereits zu Ende.
Mooh – der neue Milchriese
ed. Das Eingangsreferat hielt Christophe Eggenschwiler, der operative Leiter der neuen Schweizer Milchvermarktungsorganisation Mooh, welche aus der Fusion von der Nordostmilch mit der MIBA hervorging. Mooh hat ihre Tätigkeit am 1. Juli dieses Jahres aufgenommen. Sie vermarktet im Jahr 550 Mio. kg Milch, davon 30 Mio. kg silofreie und 16 Mio. kg Biomilch. Zum Vergleich: In der Schweiz gehen etwa 3‘500 Mio. kg Milch in den Verkauf, davon sind rund ein Drittel silofrei und etwa sechs Prozent Bio. Die 4‘000 Familienbetriebe, die der Mooh angeschlossen sind, halten etwa 100‘000 Kühe. Das entspricht ungefähr einem Fünftel von schweizweit 20‘000 Milchviehbetriebe mit 500‘000 Milchkühen.
Mooh ist eine Genossenschaft. Die Produzentenorganisation hat „strategische Partnerschaften“ mit allen wichtigen Milchverarbeitern der Schweiz und zahlreichen kleinen Käsereien und Milchverarbeitern abgeschlossen.


