"Wer die einheimische Arbeitskraft in der Landwirtschaft nur in Ansätzen vor Lohndumping schützen will, muss die Forderung des GBI ganz ernsthaft diskutieren", schreibt Bio-Suisse-Präsident Ernst Frischknecht in einer Pressemitteilung. Die Gewerkschaft Bau und Industrie GBI fordert einen nationalen Normalarbeitsvertrag für landwirtschaftliche Angestellte sowie einen Mindestlohn von 3,000 Franken bei einer Höchstarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche.
Bis jetzt regeln kantonale Normalarbeitsverträge die Arbeits- und Lohnbedingungen. Die Normalarbeitszeit beträgt – je nach Kanton – zwischen 49 und 66 Stunden pro Woche, der Mindestlohn bewegt sich zwischen 2,520 bis 2,920 Franken. Dass die Kantone die Rahmenbedingungen regeln, ist im Obligationenrecht (Art. 359a) ausdrücklich vorgesehen. Für einen nationalen Normalarbeitsvertrag fehlen zur Zeit die rechtlichen Grundlagen.
Angestellte würden unbezahlbar
Der Schweizerische Bauernverband SBV findet die Forderungen überrissen. "Bei der angespannten Ertragslage der Landwirtschaft würde eine derartige Verteuerung der Arbeitskraft in den allermeisten Fällen unbezahlbar" schreibt Fritz Schober, Departementsleiter Soziales beim SBV, in einer Stellungnahme. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 1997 bis 1999 verdiente ein Talbauer 3,190 Franken, ein Bergbauer 1,848 Franken.
Von der GBI-Forderungen distanziert sich auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Berufsverbände landwirtschaftlicher Angestellter ABLA. "Die Forderungen sind unrealistisch", sagt ABLA-Sekretär Alois Vonarburg. Die Arbeitsgemeinschaft will jedoch in allen Kantonen die 5 1/2-Tage Woche und maximal 55 Arbeitsstunden. "Über die Löhne sollen sich die Vertragspartner einigen", meint Vonarburg. Ein teilweise Harmonisierung der kantonalen Normalarbeitsverträge will auch der SBV. "Unterschiede, die regional begründet sind, sollen weiterhin bestehen", schreibt Schober. Das Ziel will man mit Verhandlungen erreichen. Der SBV wird die Problematik im kommenden Jahr in einer Arbeitsgruppe diskutieren und Empfehlungen zu Handen der Kantone ausarbeiten.
Die Löhne sollen aber schon jetzt verbessert werden: Der massgebende Minimallohn für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ausländischer Arbeitskräfte soll auf 2,700 Franken, das sind 180 Franken mehr als bisher, festgelegt werden. Damit reagiert der SBV weniger auf den Druck der GBI als auf einen Beschluss des Bundesrates. Dieser hat den AHV-Naturallohn für Kost und Logis von 810 auf 900 Franken erhöht. Auch hält Schober fest, dass "diese materiell gerechtfertigte Lohnanpassung für die Bauern angesichts der äusserst angespannten Ertragslage schwer zu verkraften ist".
Tiefe Löhne schaden letztlich auch den Bauern
Ernst Frischknecht, Präsident der Biodachorganisation Bio Suisse, dagegen, dankt dem GBI für die Aufnahme der Diskussion. Über die Spirale: tiefe Preise für Produkte – tiefe Löhne für die Angestellten – noch tiefere Preise zu Handen des Grosshandels anbieten – noch billigere Fremdarbeitskräfte aus Schwellenländern ... müsse zwischen Handel, Bauern, landwirtschaftlichen Angestellten und Gewerkschaften rasch gesprochen werden. Er ist sich bewusst, dass verbesserte Angestelltenlöhne für viele Landwirtschaftsbetriebe kurzfristig problematisch sind. Aber, so Frischknecht: "Langfristig ist es wohl die einzige Möglichkeit, dem Druck des Marktes nach immer billiger und schneller soweit zu begegnen, dass die landwirtschaftliche Arbeitskraft – Bauern und Angestellte – nicht noch mehr in die tiefste Kaste der Gesellschaftsordnung abfällt."