Der Bund will die Raumplanung auf eine neue Gesetzesgrundlage stellen. Am 19. Dezember 2008 gab das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) die Revision des Raumplanungsgesetzes in die Vernehmlassung. Was aus Sicht der Landwirtschaft als erstes ins Auge fällt: Den Begriff der "Landwirtschaftszone" gibt es im Gesetz nicht mehr. Neu unterscheidet der Bund nur noch zwischen Bauzonen und Nicht-Bauzonen, letztere fasst er unter dem Begriff "Kulturlandzone" zusammen. Sie dienen "der Sicherung der Ernährungsbasis des Landes, der Erholung sowie dem Natur- und Landschaftsschutz", wie es in der Vernehmlassungsunterlage heisst.
Mit dem Naturschutz in einem Topf
Weil die Landwirtschaftsflächen innerhalb der Kulturlandzonen mit Naturschutz- und Erholungsgebieten in einen Topf geworden werden, ist man beim Schweizerischen Bauernverband (SBV) besorgt. "Innerhalb der Kulturlandzone muss dann trotzdem differenziert werden", sagt SBV-Raumplanungsspezialist Ulrich Ryser. "Man kann ja nicht überall Golfplätze bauen. Deshalb frage ich mich, weshalb das überhaupt zusammengefasst wird." Der Schutz von Landwirtschaftsland müsse weiterhin eine Priorität sein.
Die Befürchtungen seien unbegründet, sagt Stephan Scheidegger vom Bundesamt für Raumentwicklung. Die Kulturlandzone sei nur ein Oberbegriff, der auf Bundesebene relevant sei. Auf Kantonsebene werde weiterhin in Landwirtschafts- und andere Zonen unterschieden, um sinnvolle gesetzliche Regelungen machen zu können. "Es gibt auch eine Priorisierung in Bezug auf die landwirtschaftliche Kulturfläche", sagt Scheidegger. Im Entwurf sei festgehalten, die Kantone müssten "vorab sicherstellen, dass genügend Flächen für die landwirtschaftliche Produktion und den Schutz der biologischen und landschaftlichen Vielfalt zur Verfügung stehen." Ryser anerkennt dies, hält aber fest, entscheidend sei letztlich die konkrete Umsetzung in den Kantonen. Und da sei er aus der Erfahrungen der Vergangenheit eher skeptisch.
Schwacher Schutz für Landwirtschaftsflächen
lid. Der Wald ist in der Schweiz sehr gut geschützt, die landwirtschaftlichen Kulturflächen weniger. Das ist eine der Schlussfolgerungen einer Studie der Forschungsanstalt Agroscope ART in Tänikon. Die Untersuchung zeigt, dass Gemeinden mit einer grossen Waldfläche eine weniger starke Ausdehnung der Siedlungs- und vor allem der Verkehrsfläche haben als Gemeinden mit einer hohen landwirtschaftlichen Fläche. "Acker- und Grünlandflächen stellen nachgerade eine Einladung dar, Einfamilienhäuser und ähnliches zu bauen", schreibt der Autor Stefan Mann.
Einziges Instrument gegen die Versiegelung sind die Fruchtfolgeflächen. Für die Versiegelung von bis zu drei Hektaren Fläche ist die Zustimmung des Kantons notwendig, für grössere Flächen braucht es ein Ja des Bundesamtes. Aber selbst das Bundesamt stellt fest, dass "die Interessenabwägung bei Vorhaben von nationalem Interesse in den letzten Jahren praktisch immer zu Ungunsten der Fruchtfolgefläche ausgefallen ist".
Quelle: "Was beeinflusst die Flächenversiegelung?" von Stefan Mann, in: Agrarforschung Nr. 15 (4) 2008, S. 184-189.
Besserer Schutz der Äcker
Grundsätzlich jedoch hält Ryser den Gesetzesentwurf für positiv. "Es hat viele gute und durchdachte Ansätze", sagt er. Erfreulich sei etwa der verbesserte Schutz der Fruchtfolgeflächen, also der fruchtbaren Ackerböden. Diese werden heute durch Regelungen auf Verordnungsstufe nur ungenügend geschützt (s. Kasten "Schwacher Schutz für Landwirtschaftsflächen"). Künftig sollen die Kantone die Fruchtfolgeflächen genau ausweisen müssen und kartografisch festhalten. Daneben sollen Regeln für eine bessere Ausnützung der Bauzonen für weniger Druck auf die Fruchtfolgeflächen und auf die Landwirtschaftsböden generell sorgen. All das gehe sicher in die richtige Richtung, sagt Ryser. Die Frage sei, ob die Regeln genügend griffig seien.
Ähnliche Befürchtungen hat er, was die Bewilligung von Umbauten für paralandwirtschaftliche Angebote angeht. Der Entwurf sehe hier sogar mehr Freiraum für die Landwirte vor. Störend sei aber, dass beim Gesetzesentwurf die Kantone in diesem Bereich Kompetenzen erhalten sollen. Erfahrungsgemäss würden die Kantone die Regeln des Bundes noch restriktiver formulieren und den Bauern zusätzliche Hindernisse in den Weg stellen.
Scheidegger vom ARE meint, es sei in der Raumplanung schwierig, Regeln zu machen, die unbesehen von regionalen Gegebenheiten gelten. Deshalb sei es sinnvoll, dass die Kantone auch in diesem Bereich gewisse Kompetenzen hätten.
Unterstützung im Kampf gegen zu viel Föderalismus erhält der Bauernverband von den Trägern der Landschaftsinitiative. "Wir möchten, dass für alle Regeln ausserhalb der Bauzone weiterhin der Bund zuständig ist", sagt Marcus Ulber von Pro Natura. Es sei zu wenig klar, was alles unter Erholung falle. Schlimmstenfalls würden dann in der Kulturlandzone grosse Sportanlagen gebaut.
Antwort auf die Landwirtschaftsinitiative
lid. Das neue Raumentwicklungsgesetz ist ein Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative, die am 14. August 2008 eingereicht wurde. Diese verlangt, dass die Gesamtfläche der Bauzonen während 20 Jahren nach Annahme der Initiative nicht vergrössert würde. Der Bundesrat könnte in "begründeten Fällen" Ausnahmen bewilligen. Ferner will die Initiative auch ausdrücklich das Kulturland erhalten.
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) hat zur Landschaftsinitiative noch nicht offiziell Stellung genommen. Man konzentriere sich einstweilen auf den Gegenvorschlag, sagt Ueli Ryser vom SBV. Die Stossrichtung der Initiative sei aber grundsätzlich im Interesse der Bauern.
Marcus Ulber von Pro Natura sagt, man wolle mit der Initiative ausdrücklich auch die Landwirtschaftsflächen schützen. Mit dem Bauernverband sei man im Gespräch und versuche zu überzeugen, dass die Initiative den Landwirten nicht weniger Freiheiten bringen würde.
Siehe auch: www.landschaftsinitiative.ch
