
Der Weltmilchmarkt hustet, es gibt viel Milch, die Preise sind tief. Dies spüren Neuseelands Milchfarmer besonders stark, sie leben vom Weltmilchmarkt. Nicht nur bei der Milch. Rund 90 Prozent der in Neuseeland angebauten Landwirtschaftsprodukte werden exportiert.
Deshalb freut sich die Landwirtschaft auf der grünen Insel auch über das im Herbst 2015 abgeschlossene pazifische Freihandelsabkommen (TTP) und ist voller Optimismus. Für Neuseeland ist dies gemäss Landwirtschaftsdepartement eine der wichtigsten Handelsvereinbarungen für das Exportland. Dadurch wird sich der Fokus der Exporte aber immer mehr weg von Europa nach Asien verlagern.
Überleben dank Innovation
Der neuseeländische Agrarminister Nathan Guy verkündete unlängst am Kongress der Internationalen Agrarjournalisten (IFAJ) in Hamilton als Vision für seine Landwirtschaft, dass er den Export verdoppeln wolle. Dies trotz gegenwärtig schwierigen Verhältnissen im Milchmarkt.
Guy geht davon aus, dass der Milch- und Fleischkonsum in den Schlüsselmärkten für Neuseelands Bauern weiter steigen wird. Von 2010 bis 2030 gar um 31 Prozent und von 2030 bis 2050 um 14 Prozent. In den gleichen Zeitspannen rechnet er mit einem Wachstum der Weltbevölkerung von plus 20 Prozent. Sowohl der Agrarminister als auch Handelsminister Tim Groser gaben sich vor Journalisten optimistisch, dass die wachsende Weltbevölkerung problemlos ernährt werden könne, wenn es gelingt an den richtigen Orten der Welt zu produzieren und unnötige Handelsschranken abzubauen.
Neuseeland produziert 90 Prozent seiner Landwirtschaftsprodukte für den Export, nur rund 5 bis 10 Prozent werden im Inland konsumiert. Das Motto für Neuseelands Agrarsektor lautet gemäss Groser: "Überleben durch Innovation". Auch Jacqueline Rowarth, Professorin für Agrarökonomie an der Universität von Waikato bestätigt dem Primärsektor die weitaus höchste Innovationsrate aller Wirtschaftszweige in Neuseeland.
Schlüsselsektor der Wirtschaft
Ian Proudfoot Chef der Landwirtschaftsabteilung der Beratungsfirma KPMG in Auckland sagte, die Landwirtschaft spiele eine zentrale Rolle für die Wirtschaft Neuseelands. "Wir sind das einzige Land, das abhängig ist von der Landwirtschaft, um seine Strassen und Schulen zu finanzieren. Die Land- und Ernährungswirtschaft kann Lebensmittel für 45 Millionen Menschen produzieren, das sind zehnmal mehr, als das Land Einwohner hat."
Die Player in der Milchwirtschaft Neuseelands
mr. Der Staat spielt nur eine geringe Rolle in der Milchwirtschaft, hauptsächlich durch die Unterstützung von Forschungsprojekten, in Festlegung der Gesetze und Rahmenbedingungen, die sich auf Milchproduzenten auswirken sowie als Verantwortlicher für die Grenzkontrolle in Fragen der Biosicherheit.
Der Milchproduzentenverband Dairy NZ vertritt alle Milchproduzenten, fördert die Entwicklung der Betriebe durch Forschung und die Aus- und Weiterbildung. Der Verband arbeitet an der Umsetzung der strategischen Ziele der Milchindustrie unter dem Motto: "Making dairying work for everyone". Das geschieht durch Investitionen in Forschung, Entwicklung, Dialog und Leadership.
Der Fokus von Dairy NZ liegt auf den Interessen der Farmer und der Milchbetriebe. Aber auch weiterreichende Themen der Milchindustrie gehören zum Aufgabenbereich von Dairy NZ, die internationale Wettbewerbsfähigkeit, gute Arbeitsbedingungen in den Betrieben, Nachhaltigkeit, Umwelt und Tierschutz. In Neuseeland gibt es etwa zehn Milchverarbeiter - über 90% ihrer Kapazität befindet sich in Hand der Milchproduzenten selbst. Die Verarbeiter sind Genossenschaften, unter ihnen Fonterra, Westland und Tatua. Ungefähr 85% der Milch in Neuseeland wird von der Fonterra Co-operative Group weiterverarbeitet. Open Country Dairy (5%), Westland (4%), Miraka (1%) und Tatua (1%) sind die nächstgrößten Verarbeiter.
Von Europa nach Asien
Nachdem Neuseeland seit dem frühen 19. Jahrhundert zu den Hauslieferanten für Lebensmittel Grossbritanniens gehörte, verlagert sich die Blickrichtung der Agrarexporteurs immer mehr nach Asien. China gehört inzwischen zu den Hauptmärkten und der Durst nach Produkten von der grünen Insel scheint ungebrochen. Dies wurde den 85 Prozent aller Milchlieferanten die an den Milchverarbeiter Fonterra liefern zum Verhängnis, als der Milchpulvernachfrage in China zusammenbrach und den Milchpreis mit in die Tiefe riss, teilweise gar halbierte. Aber auch der Milchkonzern wurde durchgeschüttelt, von den rund 17'000 Stellen mussten 700 abgebaut werden.
Der Milchpreis im freien Fall
Im Vergleich zum Jahr 2014 sind die Exportpreise für Milch massiv tiefer im 2015. Für den Michpreis der Bauern bedeutet dies, dass sie im Herbst 2015 einen Basispreis von 3,85 NZ-Dollar erhalten im Gegensatz zu 8,60 im Februar 2014. Mit der Dividende, die Fonterra den Genossenschaftern pro Kilogramm auszahlte stieg dieser Milchpreis sogar auf 8,70. Viele neuseeländische Milchbauern haben zurzeit mit dem niedrigen Milchpreis zu kämpfen.
Der Branchenverband Dairy NZ beziffert den kostendeckenden Milchpreis für Neuseeland auf rund 5 Dollar (pro kg Inhaltstoff), um Betriebskosten, Zinszahlungen, Steuern und Arbeitsverdienst der Familie zu decken. Laut Schätzungen von Dairy NZ wird der Milchpreisrückgang für die Produzenten zu einem Einkommensverlust von rund 2,5 Milliarden NZ-Dollar (1,7 Mrd. CHF) führen, und die Wirtschaft im ländlichen Neuseeland weiter schwächen. Tim Mackle, CEO von Dairy NZ geht davon aus, dass wegen der Krise Krise gegen 90 Prozent der neuseeländischen Milchbauern zusätzliche Kredite aufnehmen müssen, um die Einnahmenrückgänge zu überbrücken.
Er betont, die Milchfarmer könnten nicht einfach in die Mutterkuhhaltung oder Rindermast wechseln, um die Verluste der Milchproduktion zu verringern. Das hänge vor allem an dem Kapital, das sie in Betrieb, Maschinen und die Ausrichtung des Betriebes investiert hätten. Es gäbe immer Möglichkeiten, effizienter zu wirtschaften und die Bauern arbeiteten daran. Grundsätzlich wechseln sie kaum ihre Produktionsweise von Milch auf Fleisch, gemäss Branchenverband.
Beispielbetriebe geben Impulse
Monica McQueen, Marketing Manager bei Dairy NZ sagt, dass die meisten Milchfarmen in Neuseeland Familienbetriebe sind und rund 400 Kühe halten im Durchschnitt. Die Profitabilität hänge stark vom Milchpreis und dem Wetter ab und ändere sich von Jahr zu Jahr, betont McQueen. "Alle Betriebe hängen, wenn auch zu unterschiedlichen Graden, vom Grasanbau ab, da 90 Prozent des Futters aus Weidegras besteht. Die Faktoren, die am meisten die Profitabilität verschiedener Farmen innerhalb einer Saison beeinflussen, sind gute Managementfähigkeiten und die richtigen strategischen Entscheidungen."
Um diese zu fördern betreibt der Branchenverband ein System von ausgewählten Beispielfarmen, sogenannten Fokusfarms. Eine Dairy NZ-Fokusfarm ist ein kommerzieller Betrieb, in dem Ziele, Beobachtungen und strategische Entscheidungen von einer Führungskommission getroffen werden. Die Ergebnisse der Forschung werden dann den Milchproduzenten vorgestellt. Oftmals konzentrieren sich diese Farmen auf regionale Themen und Herausforderungen, z.B. Wirtschaftlichkeit, Reproduktion der Milchviehherde, Grasmanagement, Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Leidenschaft - der Erfolgsfaktor Nr. 1
Sue und David Fish sind Milchproduzenten in Morrinsville in der wichtigsten Milchregion, Waikato bei Hamilton auf der Nordinsel. Sie betreiben drei Farmen mit 1'270 Milchkühen und 458 Hektar Grünland. Sie halten die Rassen Jersey und Holstein und Kreuzungen derselben. Da sie ihre Milch an den regionalen Verarbeiter Tatua liefern, der wertschöpfungsstarke Produkte herstellt, erhalten sie noch einen Preis von 7,10 NZ-Dollar. Bei reinen Produktionskosten von 3,80 Dollar auf ihrem Betrieb können so Mittel für die Expansion der Farm angelegt werden.
Beim Besuch auf dem Hof sagen sie, dass Kollegen zum Teil nur 2,20 NZ-Dollar erhalten hätten, das sei bedenklich. Dairy NZ sagt, der Unterschied beim Milchpreis von Verarbeiter zur Verarbeiter basiere auf den Nettoeinnahmen, die jeder für die verarbeitete und verkaufte Milch erzielt. Diese variieren meist nicht zu stark, da die Verarbeiter auf dem Weltmarkt miteinander im Wettbewerb stehen. Tatua als kleiner Spezialitätenhersteller mit hoher Wertschöpfung bildet da eine Ausnahme. Glücklich kann sich der Produzent nennen, der hier Milch liefern darf.
Sue Fish ist ursprünglich in England aufgewachsen und ist vor 20 Jahren in die Milchproduktion in Neuseeland eingestiegen. Sie sagt: "Wir haben eine Leidenschaft für die Milchproduktion und lernen täglich dazu Dinge besser zu machen." Diese Überzeugung und wirtschaftlicher Erfolg führten dazu, dass der Hof in den letzten Jahren laufend vergrössert werden konnte und Land hinzugekauft wurde. Derzeit kostet ein Hektar Weideland in der Region 50'000 CHF. David Fish meint, "Alles, was wir auf dem Hof machen versuchen wir besser zu machen, als im Vorjahr. Wir sind flexibel und wollen mit dem Wandel gehen und von Fortschritten auf allen Ebenen profitieren."

Teure Trinkmilch
Der Preis für Konsummilch im Detailhandel in Neuseeland ist nicht günstiger als in Europa, obwohl die Bauern zum Teil nur halb so viel für ihre Milch erhalten, wie ihre Schweizer Kollegen. Es scheint, als ob nur für den Weltmarkt billig Milch produziert wird und im Inland die Konsumenten zur Kasse gebeten werden. Gemäss Branchenverband werden die Preise im Einzelhandel von den Händlern gesetzt, nicht von den Milchverarbeitern. Die heimischen Preise sind stabiler als die internationalen Preise. Der Grosshandelspreise hingegen werden vom Weltmarktpreis bestimmt.
Die Farmen wachsen immer weiter
mr. Die landesweite durchschnittliche Milchviehherde in Neuseeland besteht heute aus 419 Kühen. 12% der Herden melken mehr als 750 Kühe, während die Hälfte aller Herden zwischen 100 und 350 Kühen umfasst.
Der Durchschnittsbetrieb bewirtschaftet 146 Hektar. 1990 hatte eine durchschnittliche Herde nur 164 Kühe, die auf 70 Hektar gemolken wurde. Im Jahr 2000 war diese schon auf 250 Kühe auf 96 Hektar angestiegen. In der Schweiz umfasst ein Milchbetrieb 24 Hektar und hält 24 Kühe.
