Wo gelangen die Produkte aus der Landwirtschaft zum Endverbraucher? - Die Antwort lautet gemäss der kürzlich erschienenen Analyse der Betriebszählung 1995 des Bundesamtes für Statistik (BFS)*: Vor allem und in zunehmendem Mass an jenen Orten, welche die Konsumentinnen und Konsumenten ohne grossen Aufwand mit privaten oder öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. Vorallem entlang der Autobahnachsen und in den Städten an sogenannten Transitlagen hat die Verkaufsfläche im Lebensmitteldetailhandel in den Jahren 1985-1995 markant zugenommen, wie das BFS ermittelt hat. Dies zeigt laut den Statistikern, dass bei der Frage nach der Standortgunst von Verkaufsgeschäften die Distanz in Kilometern heute eine geringere, die Erreichbarkeit dagegen eine immer grössere Bedeutung hat. Zusammen mit anderen Faktoren wie Flächenbedarf und die damit verbundenen Kosten führte diese Tendenz zu einem markanten Strukturwandel im Detailhandel, der im Lebensmittelbereich bereits seit Jahrzehnten im Gang und unter anderem als "Lädelisterben" bekannt ist.
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS) |
6,400 Fachgeschäfte sind verschwunden
So werden Fachdetailhandelsgeschäfte wie Bäckereien und Metzgereien zunehmend von Läden verdrängt, die ein Gemischtwarenangebot führen, das heisst vor allem von Grossverteilern. 1995 existierten rund 6,400 weniger Fachgeschäfte als 1985, während 2,500 zusätzliche Läden mit gemischtem Angebot anzutreffen waren. Nicht weniger als 77 Prozent der reinen Fachgeschäfte sind zwischen 1985 und 1995 entweder verschwunden, oder sie haben ihren Sitz verlegt, sich mit andern zusammengeschlossen oder ihr Angebot vergrössert und sind damit zu Gemischtwarengeschäften mutiert. Letztere haben anzahlmässig im untersuchten Jahrzehnt um ganze 79 Prozent zugelegt, obschon nur 40 Prozent nach 1985 eröffnet wurden.
Insgesamt 25 Prozent mehr Verkaufsfläche
Insgesamt nahm die Verkaufsfläche im Food-Bereich von 1985 bis 1995 um rund 650,000 m2 oder um 25 Prozent auf 3,5 Mio m2 zu . Der Fachdetailhandel verlor jedoch in dieser Zeit 220,000 m2 Verkaufsfläche und umfasste 1995 noch 830,000 m2. Demgegenüber legte der Lebensmittelbereich als Hauptrichtung in Gemischtwarengeschäften um 870,000 m2 zu und wies 1995 eine Verkaufsfläche von 2,65 Mio m2 auf. Davon entfielen rund 1,7 Mio m2 oder 64 Prozent auf die Grossverteiler. Tendenziell bleiben Fachgeschäfte aber charakteristisch für kleinere Läden mit Verkaufsflächen von weniger als 100 m2,, schreiben die Statistiker; Lebensmittel-Verkaufsflächen von über 100 m2 finden sich dagegen meist in Gemischtwarenläden.
In der Schweiz existierten 1995 rund 150 Verbrauchermärkte mit mehr als 2,500 m2 Verkaufsfläche. Zusammen mit den Supermärkten (400 bis 2,500 m2) entfallen 76 Prozent der Verkaufsflächen auf Läden, die grösser als 400 m2 sind. Von den 2,160 Läden, die kleiner als 100 m2 sind, gehören die meisten keiner Ladenkette an. Sie umfassen nur 4 % der Verkaufsfläche.
Von den knapp 9,000 Fachgeschäften im Lebensmitteldetailhandel sind rund 4,000 im Bereich Backwaren, 2,300 im Fleischverkauf und 900 im Getränkeverkauf tätig. Mehrheitlich werden die Fachgeschäfte als Einzelbetriebe geführt. Aus dem Rahmen fallen die Läden im Bereich Backwaren, die fast zur Hälfte als Ladenketten organisiert sind. Vor allem bei den sehr kleinen Fachgeschäften war das "Lädelisterben" zwischen 1985 und 1995 massiv: Das BFS ermittelte hier einen Rückgang um 43 %.
Unterschiedliche Lebensmittelversorgung
Die Verkaufsfläche pro Kopf im Lebensmitteldetailhandel vergrösserte sich in den letzten zehn Jahren um 13 Prozent. Die flächenmässige Versorgung verbesserte sich durch Gemischtwarenläden um 38 Prozent, während sie durch Fachgeschäfte um 27 % zurückgging.
Die verschieden grossen Lebensmittelanbieter tragen auch unterschiedlich zur Versorgung der Regionen bei. Supermärkte und Verbrauchermärkte versorgen vorwiegend die Bevölkerung in den Städten und ihren Agglomerationen. In den Bergregionen sind dagegen die kleinen Geschäfte überdurchschnittlich vertreten.
Grossstädte und Arbeitsplatzgemeinden (z.B. Rümlang, Gossau, Igis oder Morges) sind laut BFS besonders bedeutend für die Lebensmittelversorgung: Hier beträgt die durchschnittliche Verkaufsfläche pro Kopf rund 0,75 m2, während das gesamtschschweizerische Mittel bei knapp 0,5 m2 liegt. Darüber liegt der Versorgungsbeitrag auch in den Klein- und Mittelzentren sowie in den touristischen Orten. Schwerpunktregionen hat das BFS entlang des Genfersees, entlang der A1 von Zofingen bis Rorschach sowie in einzelnen verkehrsgünstigen Lagen wie Luzern, dem unteren Glarnerland, Werdenberg, Neuenburg und Bellinzona ausgemacht.
Städte für Fachgeschäfte ein gutes Pflaster
In den städtischen Zentren scheint das "Lädelisterben" im Lebensmittelbereich weniger stark um sich zu greifen. Entegegen dem Trend im übrigen Detailhandel verzeichnete das Lebensmittelangebot in kleinen Spezialgeschäften hier eine starke Zunahme. Vor allem an "Transitlagen" wie Bahnhöfen, Passantenlagen und in Büroquartieren verzeichneten diese auch hohe Umsätze.
Grossflächige Lebensmittelanbieter verlieren in den Grossstädten dagegen an Bedeutung. Sie expandieren dafür in besser erreichbaren Einkaufsorten etwa in den äusseren Agglomerationen.
*) Betriebszählung 1995: Detailhandelsstrukturen in der Schweiz 1985-1995. Autor: Wüest & Partner. Herausgeber: Bundesamt für Statistik, Bern 1998.