Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne scheint, es ist heiss. Ein kühles Lüftchen wäre willkommen, doch kein Hauch ist zu spüren. Kein Hauch? Das kann nicht sein! Denn auf dem Stalldach von Christian Schwarz dreht sich ein Windrad, es sieht aus wie ein grosser Ventilator. Schwarz schmunzelt: "Ja, die Turbine dreht eigentlich immer." Dabei ist die Gemeinde Tägerwilen nicht gerade dafür bekannt, dass sie im Windkanal liegt. Doch der Hof befindet sich leicht erhöht am Hang und die Windturbine reagiert sehr sensibel. Schon bei einem lauen Lüftchen fängt sie zu drehen an. Das war mit ein Grund, warum sich Schwarz ausgerechnet für diese Bauform entschieden hat.
Dabei ging es Schwarz nicht darum, noch mehr Strom zu verkaufen. Seine Photovoltaikanlagen machen ihn bereits zum Energiewirt. Die Anschaffung der 110 Kilo schweren, zwei Meter hohen 2,25 kW-Anlage erfolgte eher aus Gwunder. Denn Schwarz ist überzeugt davon, dass viele kleine, dezentrale Anlagen mehr bringen als wenige grosse. Schwarz: "Ohnehin hat der Trend zu immer Grösserem die Lebensqualität noch nie verbessert."
Leise und beinahe unsichtbar
Tatsächlich kann die kleine Windturbine gegenüber grossen Windrädern mit allerhand Trümpfen aufwarten: Zum einen läuft sie praktisch geräuschlos, weil das Windrad selbst der Generator ist, was ein Getriebe überflüssig macht. Zum anderen sind keine Probleme mit dem Naturschutz bekannt: Vögel und Fledermäuse scheint die Turbine nicht zu stören. Die Rotoren sind komplett ummantelt, sie drehen innerhalb eines gut erkennbaren Rings. Das Landschaftsbild wird dennoch nicht beeinträchtigt. Die Windturbine auf dem Stalldach erkennt eigentlich nur, wer genau hinschaut. Dazu kommt, dass die Kleinwindkraftanlage vergleichsweise günstig ist. Und sie könnte noch viel günstiger werden, wenn die Nachfrage steigen würde. Schwarz: "Nicht das Material macht ja den Preis, sondern die Stückzahlen."
Weltweit sind laut Herstellerangaben bislang 1'500 Windturbinen dieses Typs in Betrieb. Vier davon in der Schweiz: Die erste wurde in Berschis installiert, direkt neben der Autobahn zwischen Walenstadt und Sargans. Die zweite in Tägerwilen, auf dem Hof von Christian Schwarz. Zwei weitere im Baselland. Bernhard Etter von der Vertriebsfirma Clever Grid in Zug kann sich über mangelndes Interesse nicht beklagen: "Seit wir im Januar 2012 begonnen haben, zu akquirieren, haben wir bereits gegen 100 Anfragen erhalten." Allerdings ist auch hier oftmals die Baubewilligung die Knacknuss. Etter: "Immer wieder werden unsere kleinen Windturbinen mit den grossen dreiflügeligen Windrädern in einen Topf geworfen." Die Bewilligungspraxis ist zudem kantonal verschieden. Und dass dabei zuweilen veraltete Wind-Messdaten zu Grunde gelegt werden, macht die Aufgabe nicht gerade einfacher.
Sonne und Wind als "Treibstoff"
Schwarz hatte Glück: Tägerwilen fördert die Nutzung erneuerbarer Energien. Sie erlässt den Gesuchstellern von derartigen Anlagen sogar die Kosten für das kommunale Bewilligungsverfahren. In das Experiment mit dem Wind investierte der ambitionierte Energiewirt Schwarz rund 10'000 Franken. Weil alle Handwerker die Anlage sponserten, indem sie auf Rechnungsstellung verzichteten, konnte er rund 5'000 Franken Installationskosten sparen. Schwarz: "Handwerker sind oft offen für Neues". Und sie können bei ihm Erfahrungen im Umgang mit der Windenergie sammeln.
Strom produzieren ist das eine, Strom verwenden das andere: Auf dem vielseitigen Biohof von Schwarz sind gleich mehrere Elektrogeräte mit Akkuantrieb im Arbeitseinsatz. Seine vielen Hochstammbäume bearbeitet Schwarz zum Beispiel mit E-Kettensägen mit Akku-Antrieb oder einer elektrisch betriebenen Baumsäge. Ein Elektro-Freischneider für die Arbeiten in Beerenkulturen gehört ebenfalls zum E-Geräte-Sortiment des vielseitigen Biohofes. Die E-Werkzeuge rechnen sich: "Mit zehn Rappen Strom kann ich einen ganzen Tag lang in den Bäumen arbeiten." Und weil Elektrogeräte wenig Lärm machen und keine Abgase ausstossen, ist die Arbeit erst noch angenehmer.
Mehr als nur Selbstversorgung
Wind und Sonne machen Schwarz unabhängig von Atomkraftwerken. Rund 40'000 kWh Strom braucht er im Jahr für die Haushalte mit zehn Personen und den Landwirtschaftsbetrieb samt E-Geräten. 120'000 kWh produzieren allein seine Solaranlagen. Einen schönen Teil der Energie-Ernte kann er deshalb ins Netz speisen und dafür die kostendeckende Einspeisevergütung KEV beziehen. Auch für das Klein-Windkraftwerk könnte er 20 Rappen pro Kilowattstunde KEV beantragen. Doch Schwarz winkt ab. Er hat die Anlage gar nicht erst angemeldet. Zuerst einmal will er wissen, wie viel die Anlage bringt, die er erst vor vier Monaten installiert hat. Denn noch sind nicht alle Einstellungen optimiert, er glaubt, dass noch ein paar Prozent mehr Leistung drin liegen. Das ist die Crux bei der Windenergie: Windböen kommen stossweise und unregelmässig. Das Feintuning einer Windkraftanlage ist deshalb schwieriger als z.B. bei einer Photovoltaikanlage.
Spätestens bis Herbst will Schwarz mit konkreten Zahlen aufwarten können. Denn dann führt er erneut einen Solar-Sonntag durch, bei dem er alle Interessierten zu einem Tag der offenen Tür auf seinen Hof einlädt. Mehr dazu im Internet: www.solarsonntag.ch
LID-Dossier: Energie ab Hof
Erneuerbare Energien stehen hoch im Kurs und viele Bauern sehen eine goldene Zukunft als Energiewirt auf sich zukommen. Doch noch ist Energie zu billig und viele Energiegewinnungs-Anlagen zu teuer, um damit reich zu werden. Lohnender scheint es in jedem Fall Energie zu sparen. Auch da hat die Landwirtschaft noch Potential. Mehr zum Thema Energie und Landwirtschaft steht im Dossier 452: "Vom armen Bauern zum reichen Energiewirt?" welches soeben erschienen ist. Mediendienst-Abonnenten erhalten das Dossier kostenlos. Einzelexemplare können für 10 Franken beim LID bezogen werden. www.lid.ch

