12 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche, etwas Wald, 12 Mutterkühe, 99 Obstbäume: Der Bauernbetrieb von Vreni und Toni Kipfer im bernischen Stettlen ist von mittlerer Grösse. 1998 haben sie den drei Jahre zuvor übernommenen Betrieb auf Bio umgestellt. Die Tiere bekämen kein Getreide, sondern ausschliesslich Grünfutter zu fressen, betont Vreni Kipfer. Das meiste Fleisch verkaufen sie an Kunden in der Region. Jährlich organisiert die Familie Kipfer ein Fest, zu dem alle Kunden eingeladen sind. Der direkte Kontakt sei ihnen wichtig. Viel Herzblut hätten sie in ihren Betrieb "Hofacker" investiert, den ihr Sohn Michael demnächst übernehmen wolle.
Doch nun droht Ungemach: "Kommt die Agrarpolitik 2014/17 in der vorliegenden Form durch, gilt unser Betrieb nicht mehr als landwirtschaftliches Gewerbe", erklärt Vreni Kipfer. Will heissen: Die Hofübergabe kann dann nicht mehr zum Ertrags-, sondern müsste zum Verkehrswert erfolgen. Die Übernahme des Hofs käme Sohn Michael dann teurer zu stehen.
Dass Kipfers Hof bald nicht mehr als landwirtschaftliches Gewerbe gelten könnte, hat mit der Absicht des Bundesrates zu tun, die Berechnung der Standardarbeitskraft (SAK) im Rahmen der Agrarpolitik 2014-17 neu zu regeln. Begründet wird dieser Schritt mit dem technischen Fortschritt: Dank heutiger Landtechnik können Bauern ihre Betriebe immer rationeller bewirtschaften.
Betroffenen sind kleinere und mittlere Betriebe, die nun Gefahr laufen, keine Direktzahlungen mehr zu erhalten oder die Anforderungen für den Erhalt von Investitionshilfe nicht mehr erfüllen (siehe Kasten).
Die Kleinbauern-Vereinigung rennt denn auch Sturm gegen das Vorhaben des Bundesrates. "Wie die SAK berechnet wird, entscheidet über Sein oder Nichtsein eines Betriebes", erklärte Regina Fuhrer, Präsidentin der Kleinbauern-Vereinigung, an einer Medienorientierung auf dem Hof der Familie Kipfer. Die Berechnung der SAK sei theoretisch-bürokratisch und widerspiegle den tatsächlichen Arbeitsaufwand nicht. Faktoren wie Verarbeitung oder Direktvermarktung von Hofprodukten würden nicht berücksichtigt. Das sei stossend, zumal Betriebe wie derjenige der Familie Kipfer der Stossrichtung der neuen Agrarpolitik entsprechen würden: vielfältig, innovativ, marktorientiert und kundennah. Die Kleinbauern-Vereinigung hofft nun, dass der Ständerat, der demnächst die neue Agrarpolitik berät, entsprechende Korrekturen macht.
"Wir wollen Anerkennung und Wertschätzung von der Politik", fordert Vreni Kipfer. Auch kleine Betriebe hätten eine Daseinsberechtigung.
Tausende Bauernbetriebe betroffen
Die Standardarbeitskraft (SAK) ist eine zentrale Grösse in der Landwirtschaft. Sie entscheidet beispielsweise, ob ein Bauernbetrieb Direktzahlungen oder Investitionshilfen erhält. Die SAK ist ein Mass für die Arbeit, die nötig ist, um einen Betrieb zu bewirtschaften. Allerdings handelt es sich um eine administrative Grösse, der den effektiven Arbeitsaufwand nur annähernd widerspiegelt. Bei der Berechnung spielt die Nutzfläche, Tierbestände, aber auch Faktoren wie Hanglage, Bio-Landbau oder Hochstammbäume eine Rolle. Mit der geplanten Änderung bei der Berechnung der SAK würden rund 4'800 Betriebe nicht mehr als landwirtschaftliches Gewerbe gelten; 9'700 Betriebe hätten kein Anrecht mehr auf Investitionshilfen.
