Kiwis aus Neuseeland und Italien haben seit einigen Jahren einen festen Platz in der Schweizer Früchteschale. Waren sie vor zwanzig Jahren noch ein Luxusprodukt, haben sie den Exotenstatus heute verloren: 1995 wurden gut 4,000 Tonnen Kiwis importiert, in den letzten Jahren waren es gemäss der Eidg. Oberzolldirektion jeweils gut 10,000 Tonnen im Wert von rund 22 Millionen Franken. Den Boom verdankt die Frucht ihrem dekorativen grünen Fruchtfleisch mit den kleinen schwarzen Kernen und ihrem hohen Vitamin C-Gehalt.
Von diesem Boom profitieren die Schweizer Obstbauern kaum. Für den Verkauf ernten sie pro Jahr nur rund 300 Tonnen Kiwis, denn die Natur und der Markt lassen die Schlingpflanze mit den behaarten Früchten in unserem Lande nur spärlich wachsen.
Nur in milden Lagen
Das Klima beschränkt den Anbau auf milde, frostgeschützte Lagen, weil die Kiwipflanzen Frost nicht ertragen. Besonders hoch ist das Risiko bei Spätfrösten, weil die Schlingpflanze früh blüht, drei Wochen vor den Reben. Auf dem Markt haben Schweizer Kiwis einen schweren Stand, weil für sie kein Importschutz besteht: Die Früchte können jederzeit frei importiert werden.
Die Schweizer Kiwis werden dabei nicht von den Neuseeländern konkurrenziert. Diese haben ein halbes Jahr verschoben Saison. Konkurrenz kommt aus Italien. Die Grossverteiler bringen deshalb Schweizer Kiwis entweder im Biosortiment oder unter dem Label "regionale Produkte" auf den Markt, von Januar bis in den Frühling. Dazu kommt der Verkauf direkt ab Hof oder auf dem Wochenmarkt.
Kiwifläche 2003 | |
Waadt | 1,264 Aren |
Zürich | 97 Aren |
Luzern | 12 Aren |
Thurgau | 6 Aren |
St. Gallen | 3 Aren |
Aargau | 2 Aren |
Total | 1,388 Aren |
Quelle: Schweizerischer Obstverband SOV
Waadtländer liegen vorn
Als regionales Produkt kommen Kiwis in der Westschweiz in den Handel, denn im Kanton Waadt liegt der grösste Teil der Schweizer Anbaufläche, knapp 13 Hektaren (siehe Tabelle). "Auf dem bisherigen Höhepunkt des Schweizer Anbaus standen in der Waadt auf rund 20 Hektaren Kiwipflanzen", sagt Sandra Helfenstein vom Schweizerischen Obstverband.
Im grossen Stil wachsen die pelzigen Früchte sogar nur an einem Ort: auf der Domaine de la Pêcherie bei Allaman VD. Die ersten Kiwis wurden 1975 gepflanzt, seit zehn Jahren wird biologisch produziert. Aktuell stehen dort auf zehn Hektaren Kiwis, 500 Pflanzen pro Hektare. Aber nur 400 Pflanzen pro Hektare tragen Früchte, denn der chinesische Stachelgriffel, so heisst die Pflanze botanisch, ist zweihäusig, hat weibliche und männliche Exemplare. Pro Hektare braucht es rund 100 männliche Pflanzen, die den Samen liefern, damit die weiblichen Pflanzen Früchte tragen. In der Schweiz können Ende Oktober, Anfang November pro Pflanze rund 50 Kilogramm geerntet werden, 20 Tonnen pro Hektare.
Chinesische Wurzeln
Der Pflanzenname erinnert daran, dass die Schlingpflanze ursprünglich aus China stammt. Die heute bekannten Früchte sind jedoch den Neuseeländern zu verdanken, die aus den vorerst kleinfruchtigen stachelbeerartigen Beeren neue Kultursorten züchteten. Erste Versuchsplantagen begannen in Neuseeland vor knapp siebzig Jahren Früchte zu tragen. Nach 1950 begannen die Neuseeländer die Frucht zu exportieren und nannten sie "Kiwi", gleich wie die Maori einen nachaktiven Schnepfenvogel bezeichnen, dessen Gefieder an ein dunkelbraunes Fell erinnert. Zehn Jahre später entstanden in Italien, Frankreich, Spanien und Griechenland die ersten Kulturanlagen.
Dass in Allaman Kiwis wachsen, ist einem der Besitzer und der Lage der Domaine zu verdanken. "Wir haben ein mildes Klima, sandige Böden und genug Wasser um die Schlingpflanzen im Frühling vor Frost zu schützen und im Sommer zu bewässern", erzählt Dominique Streit, der seit vier Jahren Verwalter der Domaine ist. Dennoch ist auch er nicht vor Verlusten geschützt. Das bisher schlimmste Jahr liegt gerade hinter ihm. Die Hälfte der Knospen haben die kalten Aprilnächte 2003 nicht überstanden, nachdem Januar und Februar mild und der März ausgesprochen warm waren.
Den Kiwianbau wird deshalb auf der Domaine nicht aufgeben, im Gegenteil. Streit plant, weitere vier Hektaren zu bepflanzen, mit neuen Sorten, die früher reifen. Bis zu einer Vollernte müssen die Pflanzen jedoch vier bis fünf Jahre gepflegt werden. Ausserdem brauchen die Schlingpflanzen eine stabile Tragkonstruktion, weil die Äste sensibel sind. Streit hoffe denn auch, dass er in der bestehenden Anlage noch zwanzig, dreissig Jahre lang Früchte ernten kann.
Kleine Schwester ist robuster
mo. Neben den bekannten behaarten Kiwis gibt es auch unbehaarte, daumengrosse Minikiwis, im Fachjargon sibirische Stachelbeere genannt. Im Gegensatz zu ihrer grossen Schwester gedeihen diese gut in gemässigtem Klima und können ungeschält gegessen werden. Sie sind gegenüber der Winterkälte deutlich robuster, Spätfröste können aber auch dieser Kultur schaden. Minikiwis sind ferner empfindlich gegen Staunässe und brauchen im Sommer viel Wasser.
Die kleinen Kiwis sind im Verkauf noch seltener als ihre grossen Schwestern. Im Gegensatz zu dieser werden die Minikiwis von Ende September bis Anfang November genussreif gepflückt und sind kaum lagerfähig.
Angebaut werden auch die Minikiwis vor allem in der Waadt. Pionier war jedoch Markus Keller im zürcherischen Truttikon, der 1990 auf 80 Aren 900 Setzlinge pflanzte. Auf die Pflanze aufmerksam wurde er während eines Studienpraktikums in den USA durch einen Fachartikel. Keller erhielt für seine Pioniertat im Jahr 1993 den Agro-Preis.
Spät, aber nicht zu spät pflücken
Heikel sind im Kiwianbau nicht nur Winter und Frühling, Fingerspitzengefühl verlangt auch der Erntezeitpunkt: Kiwis brauchen ein paar kalte Nächte, damit die Stärke in Zucker umgewandelt wird, Fröste ertragen sie aber nicht. Deshalb werden sie so spät als möglich, jedoch vor dem ersten Frost gepflückt. Speziell an der Kiwi ist, dass sie nicht direkt ab Strauch gegessen werden kann. Bei der Ernte ist die behaarte Frucht noch hart und ungeniessbar. Um reif zu werden muss sie ungefähr zwei bis vier Wochen bei null Grad und hundert Prozent Luftfeuchtigkeit gelagert werden. Sie kann aber auch bis in den Frühling hinein gelagert werden und setzt damit Farbtupfer im einheimischen Früchtesortiment, das im Winter aus frischen Äpfel und Birnen sowie Eingemachtem und Dörrfrüchten besteht.