"Wir müssen ein deutliches Zeichen setzen, wenn wir wollen, dass es uns in zehn Jahren noch gibt:" Mit diesen Worten warb Anton Schmutz am vergangenen 9. Dezember in Bern vor den dort versammelten Vertretern des Käsereigewerbes um eine härtere Haltung gegenüber der Organisation der Schweizer Milchproduzenten SMP. Mit dieser liegt der Schweizerische Milchkäuferverband (SMKV), dessen Direktor Schmutz ist, seit längerem im Clinch um Milchpreise und Milchkaufbedingungen. Das "deutliche Zeichen", das Schmutz den Delegierten nun vorschlug: Sie sollten den Käsern empfehlen, inskünftig keine Inkassodienste zu Gunsten der SMP mehr zu leisten. Die Empfehlung wurde nach einigen Diskussionen mit grossem Mehr verabschiedet.
Inkasso als Druckmittel
Falls die Käser diesen Aufruf in grosser Zahl befolgen sollten, ginge damit eine jahrzehntelange Zusammenarbeit zwischen gewerblichen Käsereien und Bauernorganisationen zu Ende. Denn bisher ziehen die Käser für diese Organisationen die Beiträge ein: Das Geld wird den Bauern direkt vom Milchpreis abgezogen und an deren Verbände überwiesen. Das erspart den Milchverbänden die Mühe, ihren Mitgliedern Einzahlungsscheine und nötigenfalls Mahnbriefe zu verschicken. Bis zum Beginn der Milchmarktreform am 1. Mai dieses Jahres erbrachten die Käser diese Dienstleistung stillschweigend; als Druckmittel hätte sie wenig getaugt, da die Milchverbände sich gegenüber den Bauern auf das Gesetz berufen konnten und ohnehin zu ihrem Geld gekommen wären.
Doch seit mit den Absatz- und Preisgarantien auch der halbstaatliche Status der Milchverbände und deren nationaler Dachorganisation SMP aufgehoben wurde, ist die Mitgliedschaft für die Bauern freiwillig. Dadurch wurden die Verbände abhängig von deren Zahlungsbereitschaft. SMP-Vertreter werden denn auch nicht müde, ihre Mitglieder zur Solidarität innerhalb des Berufsstandes aufzurufen.
Des einen Schwäche ist des andern Stärke: Durch die neue Abhängigkeit der Produzentenverbände gewinnen die Inkassodienste der Käser unversehens eine politische Dimension. Denn ob diese die Beiträge einziehen oder nicht, entscheidet womöglich darüber, wie leicht und in welchem Umfang die Verbände zu ihrem Geld kommen. Sind die Bauern heute sozusagen automatisch solidarisch, stünde jeder einzelne von ihnen vor einem persönlichen Entscheid, wenn ihnen Einzahlungsscheine ins Haus geflattert kämen. Das Bank-Spielen der Käser wird so zu einem potenziellen Druckmittel, das sie im Konfliktfall anwenden könnten.
"Hetzjagd gegen die Käsereien"
Und dieser Konfliktfall ist in den Augen ihres Verbandes SMKV nun eingetreten. Mit der Notwendigkeit, die schweizerische Milch- und Käsewirtschaft wettbewerbstauglich zu machen und von Überkapazitäten und Überschüssen zu befreien, spitzen sich die Interessengegensätze zwischen den beiden Berufsständen zu. Auf beiden Seiten kämpfen viele ums Überleben und darum, wer mehr Federn lassen muss. So drängen die Käser auf tiefere Milchpreise, was viele Bauern zum Aufgeben zwingen würde. Diese andererseits wollen ihre Milch möglichst teuer verkaufen und fordern von den Käsereien einen beschleunigten Strukturwandel; bei der SMP spricht man von 100 bis 150 Emmentaler-Käsereien, die in den nächsten Jahren verschwinden müssten. SMKV-Präsident Franz Meier bezichtigt die Milchproduzenten deshalb, eine gegen die Käsereien gerichtete Politik zu betreiben. In einem im Oktober an die Bauern ergangenen Aufruf der SMP, für sie ungünstige Milchkaufverträge zu kündigen, sieht der oberste Käser gar eine "Hetzjagd gegen uns".
Gegen "Banalisierung" des Emmentalers
Den Milcheimer zum Überlaufen gebracht hat aber der Beschluss der SMP, einige tausend Tonnen überschüssigen Emmentaler zu Dumpingpreisen auf ausländischen Märkten abzusetzen. Damit werde das "Premium-Produkt Emmentaler" banalisiert, zeigten Franz Meier und Anton Schmutz sich an der SMKV-Delegiertenversammlung erzürnt. Die auf Qualität und ein Hochpreissegment setzende Strategie der Käser werde so unterlaufen. Besonders pikant an der Aktion der Milchproduzenten: Finanziert wird diese aus dem Milchstützungsfonds, für den die Käser 0,7 Rappen je Kilogramm Milch von den Bauern einziehen und an die Milchverbände abliefern.
Und genau damit begründet der SMKV das aus seiner Sicht notwendige "deutliche Zeichen": Man wolle nicht länger Geld für die SMP einziehen, "das diese dann gegen uns verwendet," brachte Schmutz den Unmut in seinem Verband auf den Punkt.
Nicht alle werden Empfehlung befolgen
Ob das Druckmittel der Inkassoverweigerung die beabsichtigte Wirkung entfalten wird, ist allerdings ungewiss. Schon an der Delegiertenversammlung des SMKV zeigte sich, dass längst nicht alle Käsereien der Empfehlung ihres Verbandes folgen werden. So stellten Berner Käservertreter klar, dass sie das bis anhin gute Einvernehmen mit "ihrem" Milchverband, der Landwirtschaftlichen Organisation Bern und angrenzende Gebiete (Lobag), nicht aufs Spiel setzen wollen. Und Westschweizer Delegierte machten geltend, sie hätten eben erst in der Interprofession Gruyère durchsetzen können, dass jene Milchstützungsbeiträge, die auf zu Gruyère verarbeiteter Milch erhoben werden, nur noch zweckgebunden zu Gunsten dieses Produkts verwendet werden dürfen – ein Erfolg, den man jetzt nicht wieder zunichte machen wolle. Auf ihren Antrag hin wurden die SMKV-Empfehlungen denn auch durch den Zusatz ergänzt, dass die Käser dort das Inkasso weiterhin betreiben sollen, wo in den Sortenorganisationen ähnlich lautende Vereinbarungen über die Verwendung der Gelder getroffen werden. Damit ge-wann das "Zeichen" an die Adresse der Milchproduzenten zwar die Zustimmung der SMKV-Delegierten, die von den Verbandsoberen gewünschte "Deutlichkeit" jedoch eher nicht.
Als "Fromart" ins neue Jahrtausend
rp. Der Schweizerische Milchkäuferverband (SMKV) nennt sich ab dem kommenden Jahr neu "Fromart, die Schweizer Käsespezialisten". Dies wurde an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung am 9. Dezember in Bern beschlossen. Gleichzeitig verabschiedeten die anwesenden Delegierten neue Statuten.
Hauptziel von Fromart wird es neben der berufsständischen Interessenvertretung sein, den Mitgliedern marktorientierte Leistungen anzubieten. Mitglied werden können gewerbliche, milchverarbeitende Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform. Die Zwangsmitgliedschaften bei Fromart und den regionalen Sektionen werden abgeschafft. Neben der Delegiertenversammlung kann neu auch eine Generalversammlung einberufen werden, die über Grundsätzliches befindet.
Der Zentralvorstand besteht aus 13 Personen, darunter neben dem Präsidenten je drei Vertreter der West-, der Zentral- und der Ostschweiz sowie der Region Bern-Mittelland. Vorgesehen ist, den Vorstand mittelfristig auf 9 Mitglieder zu verkleinern.