
Anhaltende Minustemperaturen, tagelang Schnee: Der Januar 2017 war der kälteste Januar seit 30 Jahren. Dass die Schweiz über längere Zeit einem Gefrierschrank glich, könnte sich für die Obstbauern als Segen erweisen. Denn die vielen Eistage dürften der Kirschessigfliege - ein vor wenigen Jahren eingewanderter Schädling, gegen den es noch kein Patentrezept gibt - zugesetzt haben. "Die Kirschessigfliege ist zwar eine Überlebenskünstlerin, sie leidet aber sehr stark unter tiefen Temperaturen", sagt Stefan Kuske von der Forschungsanstalt Agroscope.
Der Wissenschaftler geht davon aus, dass die Kälte den Bestand an Kirschessigfliegen dezimiert hat. "Das heisst aber nicht, dass sie weg sind", präzisiert Kuske. Er gibt zu bedenken, dass seit Tagen Schnee liegt, der isolierend wirkt. Die Kirschessigfliege könnte dadurch Unterschlupf gefunden haben und die Kälte überstehen. Eine Prognose, wie der Befallsdruck während der Obst-Saison sein wird, will Kuske nicht wagen. "Entscheidend sind die Temperatur- und Witterungsentwicklung in den nächsten Monaten."
Laut Kuske haben andere Schädlinge wie etwa der Apfelwickler, die besser an das hiesige Klima angepasst sind als die Kirschessigfliege, weniger Mühe mit der Kälte.
Mäuse passen sich an
Auf den Mäusebestand dürfte der aussergewöhnlich kalte Januar 2017 nur einen geringen Einfluss gehabt haben. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass es den Mäusen ganz gut geht unter dem Schnee und dass sie trotz tiefer Temperaturen gut über die Runden kommen", sagt Cornel Stutz von der Forschungsanstalt Agroscope. Die aktuell trocken-kalte Witterung mit der isolierenden Schneedecke sei für Mäuse weniger schlimm als nass-kaltes Wetter ohne Schnee. Laut Stutz legen Mäuse in ihren Gängen Reserven aus Löwenzahnwurzeln, Klee und verschiedenen Gräsern an, die als Nahrung dienen. Die Nager seien gut angepasst, so der Mäuseexperte. Bei tiefen Temperaturen würden sie ihre Aktivitäten reduzieren und erst wieder zu graben beginnen, wenn es wärmer sei.
Im Futterbau erwartet Stutz aktuell keine Auswinterungsschäden. Die Schneedecke schütze kälteempfindliche Gräser, erklärt der Agronom. Allerdings dürfe der Schnee nicht zu lange liegen bleiben, weil einige Gräser es nur schlecht vertragen, wenn sie zu lange im Dunkeln liegen, gibt Stutz zu bedenken.
Gefragtes Brennholz, teureres Gemüse
Die über Wochen anhaltende Kälte hat die Nachfrage nach Brennholz angekurbelt. "Der Bedarf an Energieholz und Pellets ist massiv gestiegen", meldet die Holzbranche.
In Südeuropa haben die frostigen Temperaturen Ernteausfälle beim Gemüse verursacht. Als Folge der Knappheit ist Importgemüse wie Eisbergsalat, Fenchel oder Broccoli teurer geworden, um 50 bis 100 Prozent, wie der Tages-Anzeiger berichtet. Eine rasche Erholung der Angebotssituation erwarten Gemüsehändler nicht, leere Gestelle würden aber trotzdem nicht drohen. Die Schweizer Gemüsebranche verzeichnet derweil wegen des teureren Import-Gemüses eine stärkere Nachfrage nach einheimischem Lagergemüse wie Rüebli, Sellerie oder Chinakohl.
Schafe fühlen sich wohl
"Tiefe Temperaturen sind für Schafe kein Problem", sagt Rita Lüchinger Wüest vom Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer. Die Wolle schütze die Tiere vor Kälte. Beobachtungen zeigten, dass Schafe – wenn sie zwischen Stall und Weide wählen könnten – meist draussen blieben, auch wenn es Schnee habe. Schafe, so Lüchinger Wüest, könnten zudem Gras unter einer geschlossenen Schneedecke hervorkratzen, wenn diese nicht zu dick und festgefroren sei.
Beim Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer gehen immer wieder Klagen von Leuten ein, die besorgt sind um Schafe, die im Winter draussen sind. Man habe deshalb im letzten Jahr Infotafeln anfertigen lassen, die Passanten darauf aufmerksam machen, dass Schafe mit Kälte und Schnee gut umgehen können, so Lüchinger Wüest.