Im Jahr 2001 hatte ein Drittel der Schweizer Gemeinden nicht mehr als 500 Einwohner. Gegenüber grossen Gemeinden verfügen diese über weniger Arbeitsplätze in der Gemeinde, und die Hälfte dieser wenigen Arbeitsplätze bietet die Landwirtschaft (siehe Grafik 1). Das zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BfS), klassiert nach Gemeindegrösse. Ferner liegen die kleinen Gemeinden mehrheitlich im Berggebiet.
Dort verschwinden gegenwärtig zehn Betriebe pro Woche, wie die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) in ihren neusten Publikation "Engagiert für die Berglandwirtschaft" schreibt. Zwischen 1990 und 2000 waren es gemäss BfS-Zahlen im Schnitt sogar 27 Bergbetriebe pro Woche. In den Bergzonen eins bis vier ist in diesem Zeitraum ein Drittel der Betriebe verschwunden. Die Zahl der Haupterwerbsbetriebe hat um ein Viertel (6,379 Betriebe) abgenommen. Von den Nebenerwerbsbetrieben wurden vier von zehn (8,118 Betriebe) aufgegeben. Verschwunden sind vor allem Betrieb mit weniger als fünf Hektaren Land. Zugenommen hat die Zahl bei den Betrieben mit mehr als 20 Hektaren (siehe Grafik 2). Über die ganze Zeit sind zwar mehr Nebenerwerbs- als Haupterwerbsbetriebe aufgegeben wurden. Im Vergleich mit dem Talgebiet hat jedoch in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre bei den Haupterwerbsbetrieben im Berggbiet ein stärkerer Strukturwandel stattgefunden. Zu diesem Schluss kommt der Schweizerische Bauernverband bei seinen Auswertungen im "Situationsbericht 2002".
Dezentrale Besiedlung gefährdet
Ist damit der Verfassungsauftrag der Landwirtschaft gefährdet, einen Beitrag zur dezentralen Besiedlung des Landes zu leiten? Ja, findet der Schweizerische Bauernverband im "Situationsbericht 2002". Gerade in strukturschwachen Regionen sei die dezentrale Besiedlung gefährdet. Dazu gehören ländliche Regionen des zentralen und östlichen Alpenraums sowie im Jura. "Ferner verzeichnen viele Gemeinden im Gotthardgebiet, im Goms, im Haslital, im Kanton Uri, in der Surselva, im Bleniotal und in der Leventina zum Teil beträchtliche Einwohnerverluste", zitiert der SBV eine Medienmitteilung des Bundesamtes für Statistik vom Oktober 2002. Die Bevölkerung gehe aber auch im Emmental, im Entlebuch und in den Gebieten vom Vallée de Joux über die Neuenburger Hochtäler und die Ajoie bis in den Berner Jura zurück.
Gesunde Wirtschaft sichert Überleben
Der Bauernverband nimmt als Massstab für die Vitalität der Gemeinden, die Änderung der Bevölkerung und der Schülerzahlen. Gemeinden, die viele Einwohner und Schüler verlieren, sind stark gefährdet. Er stellte fest, dass in stark gefährdeten Gemeinden mehr als ein Viertel der Einwohner von der Landwirtschaft leben. Gleichzeitig ist in diesen Gemeinden der Tourismus schwach entwickelt und es gibt wenige Beschäftigte in der Industrie. In diesen Gemeinden wurden zwischen 1990 und 2000 am meisten Haupterwerbsbetriebe aufgegeben. In leicht gefährdeten Gemeinden sind nur ein Achtel der Einwohner Bauern und der Tourismus ist stark entwickelt.
Um die dezentrale Besiedlung in den Berggebieten zu sichern, sei deshalb eine gesunde Landwirtschaft wichtig, meint der Bauernverband. Er betont gleichzeitig, dass die Landwirtschaft alleine dem Verfassungsauftrag nicht gerecht zu werden vermag. Landwirtschaft, Tourismus und Arbeitsplätze im Dienstleistungs- und Industriesektor bedingen sich gegenseitig: Die Landwirtschaft sorge für eine intakte Landschaftsstruktur, welche wieder Grundlage bilde für den Tourismus. Tourismus und weitere wirtschaftliche Aktivitäten ausserhalb der Landwirtschaft ihrerseits böten Arbeitsplätze und ermöglichten so den Bauern eine Erwerbskombination, heisst es im "Situationsbericht 2002". Eine unbefriedigende wirtschaftliche Situation im Industrie- und Dienstleistungssektor veranlasse ferner auch Nicht-Bauern und -Bäuerinnen zum Abwandern. Dadurch werde es schwierig, die Dorfgemeinschaften zu erhalten. Der Bauernverband leitet daraus ab, dass es für Randregionen wichtig ist, dass der Bund die Raum- und Regionalpolitik besser vernetzt.
Ein gesundes Dorf braucht eine minimale Anzahl Bauernhöfe
Koordiniert werden müssten ferner Regional- und Landwirtschaftspoliitk, fordert die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). Sie regt an, strukturschwache Regionen mit einer neuen Regionalpolitik zu unterstützen. Sie stellt in ihrer Broschüre aber auch konkrete Forderungen an die Agrarpolitik 2007. Die Milchkontingentierung soll nicht generell aufgehoben werden, das heutige Fleischimportsystem sei beizubehalten, vor allem das Prinzip der Inlandleistung. Zufrieden ist sie mit den Vorschlägen im Bereich der Investitionshilfen.
Für den Bauernverband ist die entscheidende Frage, wie viele Bauern es braucht, um die Pflege der Kulturlandschaft zu gewährleisten, das lokale Wissen und ein soziales Netzwerk zu erhalten. Für den Bauernverband braucht es dafür "eine minimale Anzahl von Betrieben, die trotz eines verstärken wirtschaftlichen Druckes in der Landwirtschaft bleiben". Gerade in der Klasse der stark gefährdeten Gemeinden stelle sich die Frage, ob das in Zukunft der Fall sei. "Das Ausmass des landwirtschaftlichen Strukturwandels in diesen Gemeinden wird für deren Zukunft von grösser Bedeutung sein", schreibt der SBV im "Situationsbericht 2002".