Über 100,000 Tonnen Ölsaaten wie Raps, Soja und Sonnenblumen werden in der Ölmühle von Lipton-Sais im thurgauischen Horn jährlich zu Öl verarbeitet (siehe Kasten). Doch schon bald soll damit Schluss sein. Unilever, die Muttergesellschaft der Lipton-Sais, schliesst auf Ende Jahr die Anlage, 70 Arbeitsplätze gehen in Horn verloren. Und nicht nur das: "Für uns ist der Entscheid eine wahre Hiobsbotschaft", erklärt Fritz Glauser vom Schweizerischen Getreideproduzentenverband, welcher auch die Interessen der Schweizer Ölsaatenproduzenten vertritt. Von der Schliessung betroffen sind nämlich auch in hohem Mass die Schweizer Rapsproduzenten sowie die Futtermittelproduzenten. Immerhin werde die grösste Schweizer Ölmühle geschlossen, betont Glauser. Und es sei noch keineswegs sichergestellt, dass die zwei einzigen in der Schweiz verbleibenden Ölmühlen, die Florin AG im baselländischen Muttenz und die Oleificio SABO in Manno TI, die Ölproduktion vom Werk in Horn übernehmen können. "Wir haben diesbezüglich noch keine Stellungnahme der beiden anderen Werke", erklärt Glauser. Das heisse zwar nicht, dass die Ölproduktion der Lipton-Sais verloren sei, es werde aber schwierig werden, diese zu halten.
Absatz wird grösstes Problem
"Das grösste Problem liegt im Absatz der Schweizer Pflanzenöle", glaubt Didier Peter von der Branchenorganisation Getreide und Ölsaaten (SBGÖ). 20 Prozent des inländischen Pflanzenöls fliesse in die heimische Nahrungsmittelverarbeitung. Beim Rapsöl seien es sogar 40 Prozent der Produktion. Die Ölproduktion von Lipton-Sais ist bis anhin in die Verarbeitungsbetriebe von Unilever geflossen. "Jetzt stellt sich die Frage, ob sich Unilever weiterhin mit den Schweizer Pflanzenölen solidarisch zeigt", betont Peter. Will heissen: Ob Unilever bereit ist, die Öle der Florin AG und der Sabo zu übernehmen. Sollte sich keine gute Zusammenarbeit von Unilever mit den zwei verbleibenden Ölmühlen ergeben, könnte dies für die Schweizer Ölsaatenproduzenten einen Marktanteil-verlust von bis zu 20 Prozent bedeuten, erläutert Peter.
Sonnenblumen aus Ungarn
ug. Die Ölmühle von Lipton-Sais in Horn TG ist die grösste der drei Schweizer Ölmühlen. Sie verarbeitet heute zirka 60 Prozent der Schweizer Rapsproduktion zu Öl. Soja macht in Horn mit 70,000 Tonnen den grössten Anteil der verarbeiteten Ölsaaten aus, wie Hansruedi Wirt von Lipton-Sais erklärt. Es stammt allerdings nicht aus der Schweiz, sondern wird zur Verarbeitung aus Brasilien und aus den USA importiert. "Ausschliesslich ohne gentechnisch veränderte Organismen", wie Wirt betont. Auf Rang zwei liegt mit zirka 30,000 t der Schweizer Raps. Auf Rang drei folgen mit 15,000 t die Sonnenblumen, die zum grössten Teil aus Ungarn importiert werden.
Wie viel Ölsaaten die Schweizer Landwirte zur Verarbeitung an die Ölwerke abliefern können, wird jährlich in einem Rahmenvertrag zwischen dem Schweizerischen Getreideproduzentenverband und den Ölwerken ausgehandelt. Im laufenden Jahr liegt die Vertragsmenge bei 42,000 Tonnen Raps, 15,000 Tonnen Sonnenblumen und 3,000 Tonnen Soja. Das in der Schweiz angebotene Rapsöl stammt ausschliesslich aus Schweizer Raps. Dieser lässt sich in der Schweiz aufgrund der klimatischen Bedingungen denn auch gut anbauen. Allerdings macht Rapsöl nur zirka 8 Prozent der in der Schweiz abgesetzten Speiseöle aus. Sonnenblumenöl macht zirka 48 Prozent des Speiseölverbrauchs in der Schweiz aus. Für den Anbau von Sonnenblumen sind die klimatischen Bedingungen in der Schweiz aber in vielen Gebieten nicht ideal. Ebenso wenig für Soja.
Weniger Rapsfelder
Bereits im letzten Jahr hatte der Getreideproduzentenverband die Anbaufläche von Raps um 15 bis 20 Prozent reduzieren müssen, weil die heimischen Produzenten zunehmend Marktanteile auf dem Schweizer Ölmarkt verlieren. Noch 42,000 Tonnen Raps konnten letztes Jahr an die regionalen Sammelstellen geliefert werden. "Wir sehen besorgt in die Zukunft", meint Fritz Glauser.
Zudem ist der Zeitpunkt für die Schliessung der Ölmühle Horn für die Ölsaatenproduzenten äusserst ungünstig, denn die Ernte des Jahres 2000 ist die erste, deren Absatz der Bund nicht mehr garantiert. "Da müssen zuerst noch Vorräte abgebaut werden", erklärt Didier Peter. "Kommt dazu, dass die Weltmarktpreise für Ölsaaten im Moment sehr tief sind", ergänzt der Branchenkenner.
Hochwertiges Futtermittel geht verloren
Auswirkungen könnte die Schliessung der Ölmühle Horn auch auf die Nutztierfütterung in der Schweiz haben. Die Nebenprodukte der Rapsölgewinnung sind nämlich als hochwertige proteinhaltige Futtermittel einsetzbar. Dabei ist von Bedeutung, wie die einzelnen Ölmühlen den Raps verarbeiten. Die Anlage der Lipton-Sais ist in der Schweiz das einzige Werk, das Ölsaaten extrahiert und als Nebenprodukt sogenanntes Rapsextraktionsschrot herstellt. Dieses kann als Futtermittel bei praktisch allen Tierarten, also bei Rindvieh, Geflügel und Schweinen eingesetzt werden. Nicht so die Nebenprodukte aus Muttenz und aus dem Tessin: Hier werden die Ölsaaten zu Öl und sogenanntem Rapskuchen gepresst. Letzterer kann im Gegensatz zum Rapsextraktionsschrot nur bedingt an Schweine und Geflügel verfüttert werden.
Längere Transportwege
Die Rapsproduzenten, deren Ernte heute in Horn verarbeitet wird, sind von der Schliessung nicht stärker betroffen als andere. Sie werden ihre Ernte auch weiterhin an die regionalen Sammelstellen liefern, erklärt Nationalrat Ueli Maurer, Sekretär des Zürcher Bauernverbandes. "Auswirkungen könnte die Schliessung allenfalls auf die Transportkosten des Rohstoffs haben", meint Maurer, denn jetzt müsse auch die Ernte der Zürcher und Thurgauer Rapsproduzenten in die verbleibenden Ölmühlen nach Muttenz oder Manno transportiert werden. Auch dies keine gute Nachricht für die Rapsproduzenten, denn höhere Transportkosten dürften sich negativ auf den Produzentenpreis auswirken. Letzteren muss der Getreideproduzentenverband jeweils gemeinsam mit den Ölwerken aushandeln. Aufgrund der Verarbeitungs- und Transportkosten der Ölwerke wird der mögliche Produzentenpreis errechnet. Beim schweizerischen Bauernverband sucht man derzeit nach Lösungen, die Transporte von Agrargütern generell zu rationalisieren um Kosten zu senken. Gespräche mit den Schweizerischen Bundesbahnen sind bereits angelaufen. Konkrete Vorschläge gibt es allerdings noch keine.
Zusätzlich zur Transportproblematik kommt das Lagerproblem, ergänzt Didier Peter. Raps werde je nach Ölmühle bis zu 18 Monaten gelagert. Das verursache ebenfalls Lagerkosten.
Weitere Informationen
ug. Auskünfte zum Thema Ölsaatenmarkt können unter anderem folgende Stellen geben:
Lipton-Sais
Seestrasse 123
9326 Horn TG
071/ 844 55 55
Florin AG
Ölmühle Speiseöle und Fette
Hofackerstrasse 54
4132 Muttenz BL
061/ 466 22 22
Oleificio Sabo
fabbricazione die oli vegetali
via Cantonale
6928 Manno TI
091/ 604 58 60
Zentralverband der Schweizer Fettindustrie (ZSF)
Elfenstrasse 19
3000 Bern 19
031/ 352 11 88
Schweizerischer Getreideprouzentenverband (SGPV)
1553 Châtonnaye
026/ 658 17 80
Schweizerische Branchenorganisation Getreide und
Ölsaaten (SBGÖ)
c/o Schweizerischer Bauernverband
Weststrasse 10
3000 Bern 6
031/ 359 59 31
Chancen für Florin und Sabo
Wie es mit der Schweizer Ölwirtschaft weiter geht, wird sich weisen müssen. Didier Peter glaubt aber, dass die Florin AG und die Sabo eine Überlebenschance haben. Viel hänge nun aber auch davon ab, wie die Preise für die Rapsernte 2000 ausfallen. Sollten die Preise zu tief sein, könnte dies dazu führen, dass unzählige Landwirte aus dem Rapsanbau aussteigen.
Der Bedarf an Rapsöl für Ernährungszwecke kann vollständig aus einheimsicher Produktion gedeckt werden. Die kleine Menge des importierten Rapsöls wird für technische Zwecke (z. B. Kosmetikaherstellung) verwendet. Bei den anderen Ölfrüchten ist der Anteil der Schweizer Produktion marginal. |