1,47 Mio. Tonnen – so viel Kraftfutter haben Schweizer Bauern im Jahr 2009 an ihre Kühe, Rinder, Schweine und Hühner verfüttert. Damit ist der Einsatz von Kraftfutter in den letzten rund 20 Jahren relativ stabil geblieben. Denn 1990 landeten 1,4 Mio. Tonnen in den Futtertrögen der Nutztiere. Was sich aber verändert hat: Das Kraftfutter kommt immer häufiger aus dem Ausland. 2009 betrug der Import-Anteil 53 Prozent, 1990 waren es lediglich 28 Prozent (siehe Grafik).
Dass sich die Kraftfutter-Einfuhren in den letzten 20 Jahren beinahe verdoppelt haben, hat viele Gründe: Im Gefolge der BSE-Krise hat der Bund im Jahr 2001 ein totales Verfütterungsverbot von Tiermehl ausgesprochen. Und seit letztem Juli dürfen Schweinehalter keine Speisereste ("Schweinesuppe") mehr an ihre Tiere verfüttern. Vor allem aber produzieren die Schweizer Bauern immer weniger Futtergetreide. Die Anbaufläche ist in den letzten 20 Jahren um 40'000 Hektaren (-40 Prozent) geschrumpft. 40'000 Hektaren, wo Kunstwiesen angelegt wurden, weil das Direktzahlungssystem entsprechende Anreize schafft. Schuld für diese Entwicklung trage deshalb der Bund: "Die Verknappung der inländischen Produktion von Futtergetreide ist primär auf die Agrarpolitik zurückzuführen", kritisierte Fritz Glauser, Vizepräsident des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV), kürzlich an einer von der landwirtschaftlichen Beratungsstelle Agridea organisierten Tagung zum Thema Futtermittel. Der Anbau von Futtergetreide rentiere sich heute nicht mehr.
Tierfutter: 90 Prozent kommt aus der Schweiz
Rund 90 Prozent des Nutztierfutters werden nach Angaben des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV) im Inland produziert. Davon sind 80 Prozent Raufutter wie Heu, Gras oder Silage. Der Rest ist Kraftfutter. Der Selbstversorgungsgrad beim Futtergetreide beträgt 67 Prozent. Mit lediglich 16 Prozent ist er bei den Eiweissträgern besonders gering. Die Einfuhren von Soja und anderen Ölsaaten haben denn auch stark zugenommen in den letzten Jahren. Zugelegt haben aber nicht nur die Importe von Kraftfutter, sondern auch die Einfuhren von Heu. Diese erreichten im letzten Jahr mit 166'700 Tonnen einen neuen Höchststand.
Swissness fördert Absatz
Dass in Schweizer Fleisch und Milch immer mehr ausländisches Kraftfutter steckt, verträgt sich jedoch schlecht mit dem Bild einer nachhaltigen Landwirtschaft, das der SBV gerne zeichnet. Erst recht verträgt es sich nicht mit der im Zusammenhang der Swissness-Vorlage immerzu erhobenen Forderung "Nur wo Schweiz drin ist, darf Schweiz drauf stehen." Sollte der Anteil an Import-Kraftfutter weiter zunehmen wie bisher, könne das den Konsumenten nur sehr schwierig erklärt werden, betonte Peter Hinder, Leiter des Geschäftsbereichs Frischfleisch bei der Migros-Tochter Micarna, an der Tagung. Swissness sei ein Trumpf, mit dem hiesige Milch- und Fleischprodukte besser vermarktet werden könnten.
Das weiss auch der Bauernverband. Anfangs 2011 hat er deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge machen soll, wie der Anbau von inländischem Futtergetreide gefördert werden kann. Bis ins Jahr 2020 will man die Futtergetreidefläche um rund 25'000 Hektaren (+30 Prozent) und diejenigen von Eiweissträgern um 15'000 Hektaren erhöhen. Ziel ist es, den Selbstversorgungsgrad beim Kraftfutter um 15 auf 65 Prozent zu steigern. Mehr Swissness im Futter will auch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Mit der Agrarpolitik 2014/17 soll die Attraktivität des Ackerbaus und insbesondere der Futtergetreideproduktion erhöht werden, erklärte BLW-Vizedirektor Christian Hofer. Die Benachteiligung des Ackerbaus solle eliminiert werden, so dass keine Anreize mehr bestehen, im besten Ackerland Raufutter zu produzieren. Zudem will der Bund eine Grasland-basierte Milch- und Fleischproduktion fördern, um so den Einsatz von Kraftfutter zu begrenzen. Gefördert werden soll auch der verantwortungsvolle Konsum, etwa mittels Einführung einer Kennzeichnung von nachhaltig hergestellten Produkten. Und schliesslich will der Bund den Kulturland-Verlust eindämmen, nach Hofer der Hauptgrund, warum heute weniger Futtergetreide angebaut wird.
Getreidebauern sehen schwarz
SBV-Vizepräsident Fritz Glauser, der zudem dem Schweizerischen Getreideproduzentenverband vorsteht, glaubt nicht, dass die AP 2014/17 zu einem Anstieg der Futtergetreideproduktion führt. Im Gegenteil: Der Flächenrückgang werde weitergehen, zumal ein spezifischer Förderbeitrag für Futtergetreide nicht vorgesehen sei. Die Getreideproduzenten hoffen nun, dass das Parlament Korrekturen an der bundesrätlichen Vorlage vornimmt.
