Wo viele Schweine gehalten werden, entsteht viel phosphorreiche Schweinegülle. Gelangt zuviel Phosphor in einen See, kann dieser umkippen: Das Algenwachstum nimmt zu, der Sauerstoffgehalt im Wasser wird zu knapp, es kann zu einem Fischsterben kommen. Für den Sempachersee ist der Phosphoreintrag seit Jahren ein Problem. Das Phosphorprojekt Sempachersee, das im vergangen Jahr vom Gemeindeverband Sempachersee, dem kantonalen Amt für Umweltschutz, dem kantonalen Landwirtschaftsamt und von der Luzerner Fachstelle für Ökologie initiiert wurde, will Gegensteuer geben. Heute steht fest: Das Projekt ist ein Erfolg. Knapp 70 Landwirte haben mit der Fachstelle einen sogenannten Seevertrag (siehe Kasten) abgeschlossen. Und: Dem Sempachersee geht es wieder besser. Innerhalb der letzten 15 Jahre konnte der Phosphorgehalt im See um mehr als zwei Drittel, von 170 Miligramm Phosphor pro m3 auf zirka 50 mg gesenkt werden. So muss der See seit kurzem nicht mehr mit reinem Sauerstoff begast werden. Neuerdings genügt dazu Luft: Ihr Sauerstoffgehalt reicht aus, um den See ausreichend – nämlich mit zusätzlich ein bis zwei Tonnen täglich – zu versorgen. "Für uns ist das ein Zeichen, dass es dem See besser geht", erklärt Josef Blum von der Luzerner Fachstelle für Ökologie.
Er ladet wieder zum Bade
Heute kann im Sempachersee wieder gebadet werden. "Auch die Anwohner beobachten, dass sich der Zustand des See zunehmend verbessert", hat Blum festgestellt. Ein Problem allerdings bleibt: Nach wie vor ist die natürliche Fortpflanzung der Fische im Sempachersee unmög-lich. "Die Eier der Felchen verfaulen im Schlamm", erklärt Blum, weil in der entsprechenden Tiefenlage zuwenig Sauerstoff vorhanden ist.
Gesund ist der Sempachersee also noch nicht: Dazu müsste sein Phosphorgehalt nochmals um die Hälfte auf 20 bis 30 mg pro m3 gesenkt werden. Dieses Ziel will das Phosphorprojekt bis zum Jahr 2009 erreichen. Dann soll der See sich wieder selber regulieren und keine technischen Massnahmen mehr benötigen.
Die Landwirte im Einzugsgebiet sind also gefordert, denn sie sind zu einem grossen Teil für den schlechten Zustand des Sempachersees mitverantwortlich: Zwischen 80 und 90 Prozent des Phosphors, der in den See gelangt, stammen aus der Landwirtschaft (7 % aus Siedlungsabwässern, 5 % aus Niederschlägen). Insgesamt gelangen so jährlich 15 Tonnen Phosphor in den Sempachersee.
Der Seevertrag zum Schutz des Sees
ug. In einem gesunden See sollte der Phosphorgehalt 20 bis 30 Miligramm pro m3 nicht übersteigen und der Sauerstoffgehalt sollte zu keiner Zeit unter 4mg pro Liter sinken.
Zum Seevertrag gehören die verschiedensten Anforderungen an die Landwirte. So müssen sie an allen Gewässern, die an ihr Land grenzen, einen mindestens fünf Meter breiten sogenannten Pufferstreifen (ungedüngtes Wiesland) errichten. Mindestens fünf Prozent ihres Landes müssen sie als nicht düngbare Fläche ausscheiden. Zudem darf der Bauernhof mit Seevertrag seine Felder nicht überdüngen. Das heisst, auch Landwirte, die besonders viele Schweine halten und dadurch einen Überschuss an Gülle produzieren, dürfen die Pflanzen nur nach ihrem Bedarf düngen. Die Anforderungen des Seevertrags muss der Landwirt auf dem ganzen Betrieb erfüllen. Es können also nicht einzelne Felder überdüngt werden.
Landwirte zeigen Interesse
Seit letztem Jahr schliesst die Luzerner Fachstelle für Ökologie spezielle Verträge mit Landwirten ab, um deren Phosphorverbrauch zu senken. Ende des Jahres hatten bereits 33 Landwirte einen so genannten Seevertrag abgeschlossen. Fürs Jahr 2000 hätten 70 Betriebe einen Vertrag unterzeichnen sollen. "Aber wir werden das Ziel knapp verfehlen", schätzt Blum aufgrund der bereits vorliegenden Verträge. "Bei der Fläche haben wir das Ziel jedoch erreicht", erklärt er. 20 Prozent des Einzugsgebietes bewirtschaften die Landwirte heute im Rahmen eines Seevertrages,1999 waren es noch 12 %.
"Die Gelder, die das Projekt auszahlt, sollten als Anreiz eigentlich genügen", findet Blum. Landwirte, die einen Seevertrag abschliessen, erhalten 300 Franken pro Hektare (10,000 m2) Landwirtschaftsland und 15 Franken pro Kilogramm eingesparten Phosphor. "Wenn man rechnet, lohnt sich der Seevertrag", ist Blum überzeugt.
Das Interesse ist gross
LID. Der Seevertrag führt zu weniger Phosphor im See, aber auch zu weniger Ertrag für die Bauern. Das Phosphorprojekt entschädigt daher Landwirte, die einen Seevertrag unterzeichnen. Entschädigt werden auch verschiedene Einzelmassnahmen. Für so genannte Pufferstreifen (ungedüngter Wieslandstreifen entlang von Gewässern) haben inzwischen 131 Landwirte für 226 Einzelflächen Verträge abgeschlossen. Vereinbarungen über einen reduzierten Phosphoreinsatz sind 23 Betriebe eingegangen. Alle diese Betriebe konnten nachweisen, dass sie weniger Phosphor einsetzten als die Pflanzen jährlich gebraucht hätten. 60 Betriebe haben Vereinbarungen für besonders bodenschonende Säverfahren abgeschlossen.
Werden die verschiedenen Massnahmen zusammengerechnet, so hat das Projekt 1999 insgesamt Beiträge von 380,000 Franken an 170 Betriebe ausbezahlt, jeder zweite Betrieb in der Region beteiligt sich am Phosphorprojekt Sempachersee. (Quelle Fachstelle für Ökologie, Sursee)
Vom Geld hängt alles ab
Dass sich dennoch nicht mehr Bauern für einen Seevertrag entschieden haben, erklärt sich Blum unter anderem mit dem derzeit relativ hohen Produzentenpreis für Schweinefleisch: "Das Projekt ist sozusagen dem Markt ausgesetzt." Sobald die Produzentenpreise für Schweinefleisch wieder sinken, oder gar der Milchpreis sinkt, wird das Projekt für die Landwirte wieder interessanter. "Als wir das Projekt geplant haben, haben wir mit tieferen Preisen gerechnet", gibt Blum zu. Dadurch ist das Projekt nun für die Landwirte doch nicht ganz so attraktiv wie ursprünglich angenommen. Zuerst seien vor allem die Betriebe eingestiegen, die am wenigsten Veränderungen auf ihren Betrieben vornehmen mussten, um die Anforderungen zu erfüllen.
Aufgrund des momentan hohen Schweinepreises bauen die Landwirte auch nur sehr vereinzelt ihre Tierbestände ab. Stillegungen seien allerdings auch nicht das Ziel des Projekts, betont Blum. Eine Phosphorreduktion könne der Landwirt auch mit phosphorreduziertem Futter erreichen. Wie ein Landwirt den Phosphor-Überschuss auf seinem Betrieb reduziert, bleibt letztlich ihm überlassen. So arbeiten einige Landwirte im Sempacherseegebiet heute mit sogenannten Abnahme-Verträgen. Dabei verkaufen sie ihre überschüssige Gülle an Betriebe, auf denen nicht genügend Gülle und Mist für die Felder anfällt. Ein gros-ser Teil der Sempacher Gülle gelangt so in den Kanton Aargau. "Da findet ein reger Transport statt", erklärt Blum. Das stört ihn aber nicht: "Für uns ist das Ziel damit auch erreicht". Man wolle den Landwirten nicht die Produktionsgrundlage entziehen, denn diese bräuchten ein genügendes Einkommen. Mit dieser Philosophie habe man im Sempacherseegebiet eine gute Zusammenarbeit mit den Landwirten erreicht.
Intensive Landwirtschaft durchaus möglich
"Wir sind überzeugt, dass eine intensive Landwirtschaft ohne überdüngte Böden und ohne jährlichen Phophorüberschuss im Einzugsgebiet des Sempachersees durchaus möglich ist", erklärt Blum. Allerdings seien heute zwei Drittel der Böden mit Phosphor überversorgt. Ziel des Projektes ist es denn auch, die Böden auf "Normalversorgung zurückzuführen". Mit den ökologischen Anforderungen, die die Landwirte von Gesetzes wegen erfüllen müssen, ist dieses Ziel nicht zu erreichen, denn mit der Integrierten Produktion (IP), die heute alle Landwirte als Mindest-Ökostandard praktizieren müssen um Direktzahlungen zu erhalten, darf noch 10 Prozent mehr Dünger ausgebracht werden, als die Pflanzen benötigen. Trotzdem ist dieser ökologische Mindeststandard auch im Sempacherseegebiet von Bedeutung. Denn so kann kein Landwirt die Anstrengungen der anderen durch überhöhtes Düngen seiner Felder zunichte machen.
Um den Baldeggersee ist es schlecht bestellt
Die positiven Erfahrungen am Sempachersee haben dazu geführt, dass jetzt auch der kranke Baldeggersee mit einem Phosphorprojekt saniert werden soll. Seit diesem Jahr schliesst ein zweites Phosphorprojekt Verträge mit den entsprechenden Landwirten ab. 30 der 300 im Einzugsgebiet lebenden Bauern machen bereits mit. Doch um den Baldeggersee ist es weit schlechter bestellt als um den Sempachersee. 100 Miligramm Phosphor pro m3 beträgt der Phophorgehalt des Baldeggersees derzeit. "Das Ziel von 20 bis 30 Miligramm werden wir nicht erreichen", schätzt Blum. Grund: Der Baldeggersee hat ein ähnlich grosses Einzugsgebiet wie der Sempachersee. Der See selbst ist aber viel kleiner und kann daher auch weniger Phosphor aufnehmen. Der Phosphoreintrag müsste auf einen nur sehr schwer zu erreichenden Wert gesenkt werden. Die Projektverantwortlichen haben daher ein Zwischenziel von 70 mg /m3 für den Baldeggersee festgelegt. "Diese 70 mg sind mit einer flächendeckenden Landwirtschaft erreichbar", schätzt Blum. Wollte man auch beim Baldeggersee den Idealwert von 20 bis 30 mg erreichen, müsste man die Hälfte der Landwirtschaft im Einzugsgebiet stilllegen. "Doch das kann nicht das Ziel sein", findet Blum.
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