
Nach acht Jahren ist Schluss. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat entschieden, den Einsatz von Streptomycin gegen Feuerbrand nicht mehr zu bewilligen. Erstmals zugelassen wurde das umstrittene Antibiotikum im Jahr 2008, nachdem im Vorjahr rund 250‘000 Bäume wegen der gefürchteten Bakterien-Krankheit vernichtet werden mussten. Seither hat der Bund den Streptomycin-Einsatz alljährlich unter strengen Vorsichtsmassnahmen per Sonderbewilligung erlaubt. Nicht so in diesem Jahr.
Das BLW begründet seinen Entscheid damit, dass man heute mehr wisse über den Umgang mit Feuerbrand als noch vor ein paar Jahren. Bei den Alternativen zu Streptomycin seien zudem Fortschritte zu verzeichnen. Weiter verweist das BLW auf die Erfolge in der Apfel-Züchtung. Mit „Ladina” stehe den Produzenten eine Feuerbrand-robuste Sorte zur Verfügung. Mit ein Grund für den Streptomycin-Ausstieg ist laut BLW zudem, dass der Einsatz des Antibiotikums zur Bildung von Resistenzen führen kann.
Ausstieg kommt zu früh
Die Obstproduzenten bedauern den Entscheid des Bundes. „Wir sind der Ansicht, dass eine erneute Bewilligung fachlich gerechtfertigt gewesen wäre“, sagt Georg Bregy, Direktor des Schweizer Obstverbandes (SOV). Über den Umgang mit Feuerbrand wisse man aktuell gleich viel wie vor einem Jahr und damals habe der Bund den Einsatz von Streptomycin bewilligt, gibt Bregy zu bedenken. Für einen Ausstieg sei es aktuell noch zu früh. Es fehle an Erfahrung mit den alternativen Pflanzenschutzmitteln.
Noch Fragezeichen bei Streptomycin-Alternativen
mw. Fünf Pflanzenschutzmittel sind derzeit als Alternative zu Streptomycin zugelassen. Die Hoffnungen der Obstbranche ruhen auf einem relativ neuen Präparat namens LMA. Die Erfahrungen damit sind bisher noch beschränkt. Die Forschungsanstalt Agroscope hat im letzten Jahr in zwei Versuchen getestet, wie wirksam LMA gegen Feuerbrand-Bakterien ist. Beim Exaktversuch erwies sich LMA als weniger effektiv als Streptomycin. Die Praxisversuche liessen keine Aussage zur Wirksamkeit von LMA zu, weil der Feuerbrand-Befall im letzten Jahr zu gering war. Die Versuche werden heuer fortgesetzt.
„Die Praxisversuche des letzten Jahres waren nicht aussagekräftig. Wir brauchen noch ein bis zwei Jahre, um die alternativen Spritzmittel eingehend zu testen”, betont auch Edwin Huber, Präsident des Thurgauer Obstverbandes. Bis dahin sollte der Streptomycin-Einsatz wenn nötig möglich sein. Huber vergleicht das Antibiotikum mit einer Notfallversicherung. Eine solche fehle nun den Obstbauern. Zum BLW-Entscheid sagt Huber: „Es ist wie bei einem Seiltänzer, dem man das Sicherheitsnetz wegnimmt.“ Der Blütezeit blicke man deshalb mit einem mulmigen Gefühl entgegen. Denn bei einer mehrtägigen Phase mit warmen Temperaturen nehme die Infektionsgefahr zu. „Wir hoffen nun auf Petrus”, so Huber.
Mit „Ladina” gebe es zwar eine Feuerbrand-robuste Apfel-Sorte, die entsprechenden Bäume seien in den Baumschulen aber nicht vorhanden, gibt Huber zu bedenken. Zudem sei ungewiss, ob diese Sorte bei den Konsumenten ankomme. Er verweist auf den Topaz-Apfel. Dieser sei zwar robust und erfordere kaum Pflanzenschutz-Massnahmen, am Markt durchgesetzt habe er sich aber nicht.
Rückläufiger Streptomycin-Einsatz
Die eingesetzten Streptomycin-Mengen seit 2008:
2008: 453 kg, max. 3 Behandlungen
2009: 303 kg, max. 3 Behandlungen
2010: 201 kg, max. 2 Behandlungen
2011: 186 kg, max. 2 Behandlungen
2012: 223 kg, max. 2 Behandlungen
2013: 0,3 kg, max. 2 Behandlungen
2014: 0 kg, max. 1 Behandlung
2015: 68 kg, max. 1 Behandlung
Bund soll Entscheid überdenken
mw. Der Thurgauer Regierungsrat Kaspar Schläpfer fordert in einem Brief das Bundesamt für Landwirtschaft auf, den Entscheid zu überdenken und Streptomycin zumindest teilweise für Baumschulen und Junganlagen zuzulassen. Obstbau sei ein wichtiger Wirtschaftszweig im Kanton Thurgau. Fast jeder dritte Apfel, der in der Schweiz gegessen werde, komme aus dem Thurgau, heisst es in einer Mitteilung. Der Obstbau sichere rund 1‘500 Arbeitsplätze im Kanton.
Imker begrüssen Streptomycin-Ausstieg
mw. Apisuisse, der Dachverband der Schweizer Imkerverbände, zeigt sich in einer Stellungnahme erfreut über den Entscheid des Bundes, das Antibiotikum Streptomycin nicht mehr zuzulassen. Als nicht nachhaltig und als potenziell gesundheitsgefährdend kritisiert Apisuisse den Streptomycin-Einsatz. Trotz aller Vorsichtsmassnahmen sei in der Vergangenheit Blütenhonig mit dem Antibiotikum verunreinigt worden. 17 Tonnen hätten in den letzten Jahren vernichtet werden müssen.
