Die Käseorganisation Schweiz veröffentlichte kürzlich optimistische Zahlen: Der Käseexport sei gegenüber dem Vorjahr angestiegen, hiess es. Insbesondere der Emmentalerexport "in die Normalmärkte", also zu regulären Preisen, sei um 1’278 Tonnen oder 11,4 Prozent gesteigert worden. Tatsache ist, dass insgesamt weniger Emmentaler exportiert und auch einiges weniger verdient wurde: Der Emmentalerpreis ab Käserei ist innerhalb von einem Jahr um mehr als eineinhalb Franken gesunken und liegt derzeit knapp über sechs Franken pro Kilogramm.
Ein Hoffnungsschimmer, wieder zu besseren Preisen zu kommen, war der Vorschlag zur Mengensteuerung, den der Vorstand der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland (ES) im Juni in die Vernehmlassung gab. Die ES hätte festlegen sollen, welche Käserei wie viel produziert, und sie hätte auch registriert, welche Preise vom Handel dafür bezahlt werden. Momentan bestimmen die Händler, wie viel Käse sie ihre Käsereien produzieren lassen.
Kein Interesse beim Handel
Aus der Mengensteuerung durch die ES wird nichts. "Ein Konsens in der Branche fehlt, deshalb ist die Sache gestorben", sagt Jürg Simon, Präsident der Sortenorganisation. Während eine Mehrheit der Milchbauern und Käser für eine Mengensteuerung bei der Sortenorganisation votierte, war ein grosser Teil der Händler dagegen. Der grösste Händler Emmi war dafür. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Menge allein von der Sortenorganisation kontrolliert wird, nicht wie von der ES vorgeschlagen, mit Mitspracherecht des Handels. "Die jetzige Lösung ist nicht ideal, es braucht eine wirksame Mengensteuerung, weil die Überproduktion wieder zum Problem werden könnte", sagt Emmi-Sprecher Stephan Wehrle.
Andere Händler haben sich gegen eine Mengensteuerung durch die Sorte ausgesprochen. Bei der Zuger Firma Lustenberger und Dürst etwa hält man die Idee für unnötige Symptombekämpfung. Geschäftsführer Richard Gander beklagt Grundsätzlicheres: Dass die Affinage, also die Pflege und Lagerung der Käse, zu wenig Bedeutung habe und auch in der Sortenorganisation zu wenig verankert sei. "Der Affineur verfügt in seinem Lager über eine breite Selektion von Emmentaler aus verschiedenen Käsereien und reift diese gemäss Kundenwunsch aus", schrieb er in seiner Antwort an die ES. Durch "Briefkastenaffineure" ohne eigene Ausreifung werde die Qualitätsstrategie beim Emmentaler untergraben.
Auch die Tatsache, dass ganze Käselaibe ins Ausland geliefert werden und die Vorverpackung dort geschieht, sieht Gander als Problem. Entsprechend fordert er, dass die Vorverpackung auf die Schweiz beschränkt wird und dass die Sortenorganisation eine klare Definition der Wertschöpfungsstufe "Affinage" macht, inklusive Vorgaben zum Lagerraum. Und schliesslich möchte Gander ein Mindestverkaufsalter von fünf Monaten.
Menge ist gar nicht das Problem
Käsehändler Walo von Mühlenen aus Düdingen war an der Mengensteuerung durch die ES "nicht interessiert". Von Mühlenen sieht das Problem eher darin, dass es noch zu viele Käsereien gibt – und zu viele Händler. Händler vor allem, die keine Lager haben und den Käse zu praktisch jedem Preis verkaufen müssten, wie er sagt. Die Menge habe man eigentlich im Griff, sagt von Mühlenen, deshalb brauche es gar keine Mengensteuerung.
Dem widerspricht Manfred Böbner, der im ES-Vorstand die Milchproduzenten vertritt. "Zu jeder erfolgreichen Markenpolitik gehört eine Mengenpolitik", sagt er. Die Menge habe man derzeit nur im Griff, weil der Preis so tief sei. Falls das Produkt wieder attraktiver werde und die Preise stiegen, dann bestehe ohne Mengenregelung auch wieder die Gefahr, dass zu viel produziert werde.
Vorerst geht der Preiskampf weiter, vor allem in Italien. "Dort verdienen wir fast gar nichts mehr", sagt von Mühlenen. Wer könne, versuche andere, bessere Absatzkanäle zu finden. Stephan Wehrle von Emmi geht davon aus, dass die Preise kurzfristig noch einmal sinken könnten, dass ein Plafond aber bald einmal erreicht sei. "Wir werden mit aller Kraft versuchen, den Preis zu stabilisieren." Geschehen soll dies unter anderem mit einem Splitting-Modell für den Emmentaler. Für diejenigen 30 Prozent der Menge, die zu Tiefstpreisen verkauft werden müssen, will Emmi auch einen tieferen Preis bezahlen. Ob und wann das Modell eingeführt wird, wird bei Emmi aber noch diskutiert.
Die Qualität anheben
Nachdem eine Mengensteuerung auf Stufe Käserei nicht möglich ist, bleibt nur noch eines: Qualitätsvorgaben. Laut ES-Präsident Jürg Simon soll auf Mai 2005 das Pflichtenheft für die geschützte Ursprungsbezeichnung (AOC) eingeführt werden, auch ohne AOC-Registrierung. Das Pflichtenheft würde im Wesentlichen drei Verschärfungen enthalten: Eine Verlängerung der Reifedauer auf durchschnittlich vier Monate, eine Einschränkung der Milchbeschaffung auf einen Radius von 30 Kilometer sowie Auflagen bei der Milchaufbereitung. Mit allfälligen weiteren qualitativen oder quantitativen Kriterien könnte man das Gütesiegel "Emmentaler Switzerland" weiter stärken.
Auch die Dachorganisation der Schweizer Milchproduzenten hofft auf diese Massnahme. "Händler, die diese Auflagen ab nächsten Mai nicht erfüllen, müssten sich gut überlegen, ob sie nicht die Strategie ändern wollen", sagt Böbner. Spätestens wenn die AOC registriert sei, könnten sie dann nicht mehr mit dem Begriff Emmentaler operieren. Böbner geht davon aus, dass die AOC-Registrierung nur noch eine Frage der Zeit ist. Inklusive Übergangsfrist werde es aber noch sechs bis sieben Jahre dauern, bis die AOC für die ganze Branche bindend sei. Damit während dieser Durststrecke nicht noch mehr Schaden angerichtet und die Bezeichnung Emmentaler durch Aussenseiter weiter missbraucht werde, sollte laut Böbner die vorzeitige Einführung des Pflichtenheftes mit flankierenden Massnahmen begleitet werden, etwa eine griffigere Ausgestaltung der Allgemeinverbindlichkeit. Den Entscheid über die AOC wird das Bundesamt für Landwirtschaft laut dem Sprecher Jürg Jordi irgendwann im Herbst fällen.
Auch Emmi unterstützt die Einführung des AOC-Pflichtenheftes und erhofft sich davon eine Besserung. Richard Gander von Lustenberger und Dürst dagegen glaubt nicht, dass dies reicht, um die Krise zu beheben. "Hinter dem Gütesiegel muss die Glaubwürdigkeit und die Nicht-Austauschbarkeit einer ganzen Wertschöpfungskette stehen." Er sehe nicht, dass in der Branche der Wille da sei, in diese Richtung an einem Strick zu ziehen. Und von Mühlenen ist es egal: Das Pflichtenheft bringe nicht viel, es werde heute schon mehrheitlich eingehalten. Das Problem sei, dass es gegenüber Nicht-Mitgliedern wie dem Ostschweizer Käsehändler Karl Wick nicht durchsetzbar sei, so lange die AOC nicht eingetragen sei.
Unabhängigere Käser
Fromarte-Direktor Anton Schmutz setzt auch auf die AOC, appelliert aber auch an die Käser. Er möchte, dass sie unabhängiger werden von ihren Abnehmern und sich besser untereinander organisieren. Gleichzeitig sei es weiterhin notwendig, überschüssige Produktionskapazitäten abzubauen. Es müssen also weitere Käsereien schliessen, damit die verbleibenden besser ausgelastet sind. Für Böbner dagegen haben Käsereischliessungen nicht erste Priorität. "Die Produktion kann relativ leicht wieder ausgedehnt werden, auch wenn noch viele Käsereien geschlossen werden." Einig sind sich Böbner und Schmutz, dass alle Käsereien zu gleichen Bedingungen sollten verkaufen können. Dazu wäre ein Preismonitoring hilfreich, die Käser können sich aber bisher nicht damit anfreunden.
Derweil überlegen sich viele Milchbauern und Käser, wie lange sie bei dem Trauerspiel noch mitmachen sollen. "Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern kurz nach zwölf", sagt Ernst Hunziker. Er ist Präsident der Käsereigenossenschaft im bernischen Borisried. Die Grenze sei jetzt erreicht. "Falls die Preise weiter sinken, dann werden viele Käsereien in der Umgebung schliessen müssen."
Siehe auch: "Mengensteuerung bei den Käsereien soll das Emmentaler-Desaster beenden", im LID-Mediendienst Nr. 2670 vom 10. Juni 2004, "Emmentalerexport: Tiefstpreis erreicht?" im LID-Mediendienst Nr. 2645 vom 4. Dezember 2003.