
Hochdorf gehört zu den grössten Milchverbeitern der Schweiz. Von den 3‘500 Mio. Kilo Verkehrsmilch, welche die Schweizer Bauern ihren Kühen letztes Jahr abgerungen haben, hat Hochdorf rund zehn Prozent, nämlich 336 Mio. Kilo zu Milchpulver und Rahm verarbeitet. Etwa die Hälfte des Schweizer Milchpulvers wird von Hochdorf produziert. Bezogen aufs Walzenvollmilchpulver für die Schoggiindustrie beträgt der Hochdorf-Anteil sogar 70 bis 80 Prozent. Es kann den Schweizer Milchproduzenten folglich nicht egal sein, ob es Hochdorf gut geht oder nicht. Bis Mitte 2013 war eher letzteres der Fall. Danach hat CEO Thomas Eisenring das Steuer übernommen.
Vielschichtige Gründe für den Erfolg
2014 konnte Hochdorf sowohl Umsatz als auch Ertrag deutlich steigern. An der Bilanzmedienkonferenz vom 26. März präsentierte CFO Marcel Gavillet einen Bruttoverkaufserlös von 428 Mio. und einen Reingewinn von 16 Mio. Fr.. Das gute Ergebnis ist kein Zufall: Im Geschäftsbereich Dairy Ingredients (v.a. Milchpulver) konnten die Verarbeitungsmengen erhöht und die höheren Milchpreise weitgehend am Markt umgesetzt werden. Im Bereich Baby Care (Babymilch) wurde deutlich mehr produziert und die Margen erhöht. Bei Cereals & Ingredients (Produkte aus Weizen und natürlichem Fettpulver) wurde das Sortiment gestrafft und um weniger rentable Produkte bereinigt.
Eisenring schmunzelt: "Ich komme ursprünglich aus der Automobilbranche und habe das, was ich dort gelernt habe, auf die Milchindustrie übertragen." Dazu gehört z.B. der Fokus auf eine bessere Auslastung der vorhandenen Anlagenkapazitäten am Standort Hochdorf. Oder eine langfristigere Planung, um am Standort Sulgen weniger Zeit mit Produktionsumstellungen zu verlieren. Oder das Verschlanken der Konzernstruktur, die neu als "Hochdorf Swiss Nutrition AG" auftritt. Und das Einsparen von Logistikkosten, indem die Ware vor Ort gelagert wird. Vor allem aber will Hochdorf nur noch in Bereiche investieren, die Geld bringen.
Wachstum im Ausland
Und investiert wurde letztes Jahr sehr wohl und zwar in Deutschland. Dort hat Hochdorf die Ölmühle Marbach gekauft, die einen Jahresumsatz von 10 Mio. Euro generiert. Danach hat Hochdorf eine Mehrheitsbeteiligung an der Uckermärker Molkerei in Prenzlau erworben, sowie Aktien der zugehörigen Milchhandelsunternehmen Ostmilch. Den Prenzlauer Standort lässt sich Hochdorf schätzungsweise 20 bis 25 Mio. Fr. kosten, denn mit der Uckermärker Molkerei will Hochdorf seine Kapazitäten im Bereich Babynahrung verdoppeln. "Als ich bei Hochdorf angefangen habe, war immer von Überkapazitäten die Rede. Ich habe aber bald gemerkt, dass wir im Bereich Babynahrung schnell einmal Unterkapazitäten haben", erklärt Eisenring. Tatsächlich hat sich der Umsatz mit Babynahrung in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt und stieg von 43 Mio. Fr. (2011) auf 109 Mio. Fr. (2014). Er hätte letztes Jahr sogar noch höher sein können, wenn er nicht von den Abfüllkapazitäten in Sulgen gebremst worden wäre. Aber auch so wurde ein Umsatzwachstum von über 16% bei der Babynahrung erreicht, vor allem mit bestehenden Kunden im Nahen Osten, in Nordafrika und Asien, inklusive China.
Swiss-li statt Swissness
Wenn ein Schweizer Unternehmen wachsen will, muss es auf den internationalen Markt. Allerdings lassen sich nicht überall Schweizer Preise realisieren. Eisenring hat eine Lösung für dieses Problem: "In Lateinamerika oder Nordafrika reicht es oft aus, wenn der Firmensitz in der Schweiz liegt." Statt Swissness genügt ein bisschen "swiss-li", um den Kaufentscheid zu erleichtern. Die Hochdorfgruppe will diese Märkte mit Produkten aus dem Prenzlauer Werk und dem Werk in Litauen beliefern. Denn die produzieren natürlich zu deutlich tieferen Kosten. Beim Milchpulver ist es übrigens auch nicht so, dass immer nur höchste Qualität gefragt ist, weshalb Hochdorf auch Vollmilchpulver herstellt, bei dem das teure Milchfett durch billiges Pflanzenfett ersetzt wird. Dieses Pulver dient dann u.a. als Ausgangsstoff für Analogkäse. Eisenring: "Es können sich eben nicht alle Menschen eine Pizza mit echtem Käse drauf leisten."
"Flatrate" beim Schoggigesetzfonds
ed. Wie alle Exporteure klagt auch Hochdorf regelmässig über die limitierten Beiträge im Rahmen des Schoggigesetzes. Letztes Jahr hat die Hochdorfgruppe 5.8 Mio. Franken über das Schoggigesetz vom Staat erhalten. Weil das Geld nicht reichte wurden die Milchlieferanten mit einem Preisabzug zur Kasse gebeten. Dieser Beitrag wurde nun neu verhandelt: Bisher trug Hochdorf jeweils die ersten 10% der Schoggigesetzlücke, den Rest zahlten die Bauern. Künftig soll der Anteil von Hochdorf plafoniert werden: Bis 2,8 Mio. zahlt Hochdorf, was darüber hinaus geht, müssen die Bauern finanzieren. "Das kann für die Bauern auch eine Chance sein", meint CEO Eisenring dazu, "denn wenn der Bund den Kredit erhöht, braucht es weniger Geld." Nicht verwendete Gelder aus dem Fonds werden an die Milchlieferanten zurückerstattet.
Erfolg zahlt sich aus
Solche Sorgen hat Eisenring nicht. Er erhielt 2014 eine Vergütung von knapp 1,1 Mio. Franken und näherte sich damit dem Lohnniveau von Emmi-CEO Urs Riedener, der letztes Jahr 1,4 Mio. Franken verdiente. Wobei Emmi mit einem Umsatz von 3,4 Mrd. Franken finanziell in einer anderen Liga spielt. Das Verarbeiten von Milch zu Pulver und von Babynahrung für Businesskunden ist eben nicht das Rentabelste, was man aus dem "weissen Gold", der Milch, machen kann. "Wenn man einen wirklichen Quantensprung erreichen will, muss man näher zum Kunden rücken", steht für Eisenring fest. "Ob sie für eine Dose Babynahrung zwei Euro von Ihrem Geschäftspartner bekommen oder zwölf Euro vom Endkunden erhalten, macht nun mal viel aus."
Das Zauberwort für einen Quantensprung bei Umsatz und Gewinn lautet "Vorwärtsintegration". Statt Babynahrung im Auftrag von Kunden in Dosen abzufüllen, will Hochdorf künftig in einzelnen Ländern Babynahrung unter einer Eigenmarke vertreiben. Für den Aufbau eines solchen Vertriebsnetzes braucht es viele Menschen ("Da sind schnell einmal 100 Leute nötig") und viel Kapital. 100 Mio. Franken liesse sich nach Eisenrings Überschlagsrechnung für diesen Bereich in absehbarer Zukunft verflüssigen. Wie in der Automobilbranche üblich, drückt er bei diesem Vorhaben aufs Gas: Er tönt an, dass die Vorwärtsintegration bereits in den nächsten 18 Monaten realisiert werden könnte. Gleichzeitig will sich Hochdorf nach weiteren Kapazitäten für die Produktion von Babynahrung umschauen ("der Turm in Prenzlau ist praktisch schon ausgelastet"), ein paar Millionen ins Litauer Werk investieren, ein Unternehmen in Uruguay gründen, das dort Babynahrung vertreibt, in der Marbacher Ölmühle das Projekt Kids-Food pushen und in der Schweiz aus Molke hochwertige Rohstoffe gewinnen. Und das ist noch lange nicht alles, was der Milchverwerter unternehmen will, um künftig richtig profitabel zu arbeiten.
Das lange Warten auf Wertschöpfung
Die Strategie klingt überzeugend. Doch das taten die früheren Strategien meistens auch. Mit Molke wollte Hochdorf eigentlich schon 2008 Geld verdienen. Damals wurde der Sprühturm der Linie 5 in Sulgen auf die Herstellung von Molkenpulver ausgerichtet. 2009 gründete Hochdorf zusammen mit der bäuerlichen Milchvermarktungsorganisation Nordostmilch extra eine AG um genügend Molke beschaffen und verwerten zu können: Die Hochdorf Swiss Whey AG. Dazu investierten beide Seiten je 1,5 Millionen Franken. 2010 liess Hochdorf verlauten, dass die neue Molkelinie in Sulgen nun zusammen mit der Ultrafiltrations-Anlage "einen wesentlichen Schritt in Richtung Eigenversorgung mit wichtigen Ingredienzien für die Produktion von Babynahrung" darstelle. Ein Jahr später hiess es, dass sich das Molkengeschäft der Hochdorf Swiss Whey AG "den Vorstellungen entsprechend" entwickle. Wiederum ein Jahr später war dann die Rede davon, dass dank Nanofiltration „Umsatz und Wertschöpfung aus der Molkeverarbeitung gesteigert werden konnten.“ Doch wenn man nachhakte war mit der Wertschöpfung nicht viel los. 2014 sollte "die Molkeverarbeitung so weiterentwickelt werden, dass Molkeproteine und Laktose für den Bereich Baby Care selbstständig hergestellt und auch an externe Kunden verkauft werden können." Es musste noch mehr investiert werden. Doch da machte die Nordostmilch nicht mehr mit und stieg aus der Hochdorf Swiss Whey AG aus. Nun soll im Juni 2015 die Anlage zur Herstellung von Laktose und Molkenprotein endlich in Betrieb gehen. Die Molkemenge scheint dank Kooperation mit der Molkerei Züger gesichert. Bisher wurde diese Molke im Veredelungsverkehr in Deutschland getrocknet. Das Beispiel ist deswegen interessant, weil sich in den sechs Jahren, in denen viel von Laktose und Molkeeiweiss geredet, aber wenig davon gewonnen wurde, der Markt verändert hat. Das Kilo Laktose ist heute auf dem Markt nicht mehr 1,20 Franken, sondern nur noch 80 bis 90 Rappen wert. Doch inzwischen sind die Anlagen gekauft und das dafür benötigte Produktionsgebäude in Sulgen ist im Bau. Hochdorf hofft, dass die Mengen, die nicht vor Ort für die Babynahrung benötigt werden, trotzdem einigermassen gewinnbringend auf dem internationalen Markt verkauft werden können. Der Milchmarkt ist schnelllebig geworden. Deshalb kann Schnelligkeit in diesem Business von Vorteil sein – wenn die Richtung stimmt. Und Hochdorf ist aktuell ja sehr schnell unterwegs.