
Wenn es eine Kuh nicht mehr von selber auf die Beine schafft, zum Beispiel weil sie nach der Geburt eines Kalbes an einer Kreislaufschwäche leidet, muss der Bauer mit einem Kuhlift Abhilfe schaffen. Dabei handelt es sich üblicherweise um ein einige Quadratmeter grosses Metallgerüst, welches über die Kuh platziert wird und dieser mittels verschiedener Gurte, die über eine Metallkette am Gerüst befestigt sind, zum Aufstehen verhelfen soll. Erreicht wird dies, indem die unter der Kuh liegenden Gurte mittels einer manuellen Drehkurbel langsam hochgezogen werden.
Mit einem eigens entwickelten Modell der neuen Generation brachte Peter Studer vor drei Jahren ein Gerät auf den Markt, welches das eher umständliche Prinzip bisheriger Kuhlifte verbessern sollte. Sein Gerät, das aus verschiedenen Teilelementen besteht, die sich vor Ort über der Kuh zusammenbauen lassen, fand dermassen Anklang, dass es 2013 mit dem "Suisse Tier"-Innovationspreis ausgezeichnet wurde.
Einfach, aber sicher
Auf die Idee gebracht hat Studer ein befreundeter Tierarzt. Dieser kam eines Tages auf den Landwirt zu und fragte ihn, ob es nicht möglich sei, einen Kuhlift zu bauen, der kleiner und besser transportierbar sei als die herkömmlichen. Der Arzt wollte ein Modell, das er auf seinen Einsätzen im Auto mitnehmen konnte. Für Studer war deshalb von Beginn an klar, dass es ein leichtes und mobiles Gerät sein musste - am besten eines, das sich auf der Weide zusammenstecken liess.
Der Landwirt machte sich daran, ein Gerät gemäss den Wünschen seines Kollegen zu entwickeln und schaffte es nur wenige Versuche später, dessen Ansprüche in Form eines neuen Modells umzusetzen. Das Endprodukt war ein Kuhlift, der flexibel und einfach in der Handhabung war, ohne Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen. Die Sicherheit seiner Gerätschaften ist für Studer denn auch von elementarer Bedeutung, wie er erklärt: "Bei der Entwicklung neuer Geräte ist es wichtig, dass die Handhabung einfach, aber sicher ist. Deshalb werden alle meine Geräte zuerst von der BUL, der 'Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft', geprüft".
Akkuladung statt Muskelkraft
Studers Kuhlift besteht aus vier stählernen Standbeinen, zwei Verbindungsrohren, zwei Schneckengetrieben sowie einer Anzahl von Sicherheits- und Hebegurten für das Tier. Innerhalb weniger Minuten können diese Einzelteile zu einem betriebsbereiten Kuhlift zusammengesetzt werden. Wer die eigenhändige Montage des Gerätes für zu umständlich hält, wird bekehrt, sobald er Studer in Aktion sieht - in weniger als fünf Minuten präsentiert der geübte Hobbytüftler das fertige Konstrukt. "Die Idee ist, dass der Aufbau und die Bedienung des Liftes von einer einzigen Person bewerkstelligt werden können", so Studer.
Der grösste Vorteil von Studers Innovation liegt gerade in der Zusammensetzbarkeit des Gerätes, da der in seine Einzelteile zerlegte Kuhlift bequem auf dem Beifahrersitz des Autos Platz findet. Der Transport mittels eines Autoanhängers, wie es bis kurzem üblich war, entfällt. "Dadurch", erklärt Studer, "wird auch die Beschaffung des Gerätes wesentlich einfacher. Ein Bauer, der selber keinen Kuhlift besitzt, musste früher zuerst einen Anhänger organisieren und das Gerät dann bei einem anderen Bauer mühsam aufladen. Das war aber umständlich und kostete Zeit". Möchte eine Gruppe von BäuerInnen einen Kuhlift gemeinschaftlich nutzen, reicht nun eine einfache Autofahrt.
Ein weiterer Vorteil von Studers Gerät liegt in dessen Antrieb. Musste eine Kuh mit einem durchschnittlichen Gewicht von 700kg bis anhin mithilfe der Muskelkraft des Anwenders hochgezogen werden, wird bei Studers Modell die Energie eines Bohr- oder Akkuschraubers als Antrieb verwendet. Der Bohrer wird an das Schneckengetriebe gehalten, woraufhin dieser die Umdrehungen des Bohrers in einen Zug auf die am Tier angemachten Gurte übersetzt. "Die Akkubohrer von heute sind so leistungsstark, dass man mit einer Akkuladung eine Kuh drei, vier Mal hochheben kann", so Studer.
Drei Erfindungen, drei Preise
Dass sich der Tierarzt zur Umsetzung seiner Vision gerade Peter Studer ausgesucht hat, ist kein Zufall. Bereits seit 12 Jahren tüftelt Studer nämlich auf seinem idyllischen Bauernhof im Entlebuch an technischen Innovationen. So erstellte er 2003 einen Klauenstand für Kühe, der sich per Knopfdruck von der Decke herunterfahren lässt. Die Kuh wird fixiert, während sie am fressen ist, und der Bauer kann sich in Ruhe dem Klauenschneiden widmen. Zwei Jahre später, 2005, stand bereits seine nächste Entwicklung: Ein Behandlungs- und Transportstand für Kühe, mit dem sich die Tiere einfangen und falls nötig mittels Traktor transportieren lassen. Beide Erfindungen wurden am Innovationswettbewerb von "Suisse Tier" mit Preisen ausgezeichnet. Als sich der Veterinär 2013 an Studer wandte, um einen neuen Kuhlift zu entwerfen, war dieser also längst kein Unbekannter mehr. Schliesslich liess auch die Anerkennung für seine neueste Errungenschaft nicht lange auf sich warten: 2013, im gleichem Jahr, in dem Studer mit dem Gerät an die Öffentlichkeit gelangte, gewann er mit dem Kuhlift seinen dritten Innovationspreis.
Persönliche Übergabe
Was den Verkauf seines Kuhliftes anbelangt, sagt Studer: "Die Nachfrage nach Kuhliften ist nicht riesig, jedoch konstant. Natürlich zahlt sich die Investition aber nur aus, wenn sich das neue Produkt in der Praxis bewährt und auch verkaufen lässt". Angefertigt werden die Lifte, die um die 3'000 Franken kosten, zum grössten Teil von Studer selber. "Nur die Dreh- und Fräsarbeiten sowie das Nähen der Gurte überlasse ich externen Firmen. Den Rest mache ich selber", so der Landwirt. Persönlich soll aber nicht nur die Herstellung, sondern auch die Übergabe seiner Geräte sein. "Bei jeder Übergabe stelle ich gemeinsam mit dem Käufer den Kuhlift auf, erläutere die Bedienung und trinke anschliessend einen Kaffee mit ihm. Das gibt mir die Gelegenheit, meine Kunden kennenzulernen und gewährleistet zugleich, dass das Gerät in sicheren Händen ist", so Studer.
Viele Jobangebote
Trotz seiner regen erfinderischen Tätigkeit sieht sich Studer nicht als Erfinder. Für ihn ist es selbstverständlich, als Bauer ein umfassendes technisches Know-How zu besitzen. "Handwerk ist bäuerliche Tradition", zitiert er einen alten Bauernspruch und fährt fort: "Wir Bauern müssen erfinderisch sein und zur Bewältigung unseres Alltages verschiedenste Fähigkeiten aufweisen. Auch wenn viele Bauern heutzutage kaum noch Zeit haben, sich handwerklichen Projekten zu widmen".
Studer selber interessiert sich bereits seit seiner Jugend für handwerkliche Arbeiten. Während seiner Ausbildungszeit war er als Schreiner, Maurer, Landmaschinen-Metallbauer sowie in einer Sägerei tätig, bevor er im Alter von 22 den Betrieb seiner Eltern übernahm.
Mittlerweile verbringt der Luzerner zwar etwa einen Drittel seiner Arbeitszeit mit der Weiterentwicklung technischer Gerätschaften - doch seine leidenschaftliche Nebentätigkeit in einen Hauptberuf umzuwandeln, käme ihm nicht in den Sinn. "Ich wurde schon von renommierten Firmen angefragt, an der Entwicklung neuer Produkte mitzuhelfen. Aber ich würde in einer Firma nie die Erfüllung finden, die mir die Arbeit auf dem Hof schenkt", erklärt Studer. "Ich brauche den Ausgleich auf meinem Bauernhof, die Tiere, die Jahreszeiten, die Unterstützung meiner Familie". Das Bauernleben stelle für ihn eine Berufung, nicht einen Beruf dar, bekräftigt der 57-jährige seine Aussage.
Arbeit für die Seele
Dass die Landwirtschaft für Studer keinen gewöhnlichen Job darstellt, merkt, wer sich auf seinen Hof begibt. Der Bilderbuch-Bauernhof, dessen Hauptproduktionszweig die Mutterkuhhaltung ist, ist mit einem grossen Stall für Rinder und einer Vielzahl fantasievoller Gehege für Hühner, Enten, Ziegen und Schweine ausgestattet. Man merkt, dass viel Zeit, Energie und Freude in die Gestaltung des Hofes geflossen sind. "Für mich stellt die Arbeit auf dem Hof eine Art Therapie dar", lächelt Studer. "Und zwar physisch wie auch psychisch".
Dennoch wird die Arbeit als Innovator ein fester Bestand seines Berufslebens bleiben, dessen ist sich Studer sicher. "Ich werde aber auf jeden Fall weiter machen - ich brauche das" sagt er. Er fügt allerdings an: "Aber zuerst kommt die Familie, dann der Betrieb und erst dann alles andere".


