"Wollen Sie auch eine bessere Laktation, mehr Geld?" Mit dieser für Milchbauern verlockenden Frage warb die Firma SanaSativa im letzten November in der bäuerlichen Fachpresse für Hanf als Futtermittel. Mehr und bessere Milch versprach die Firma, die mit Futterhanf handelt, in ihren Inseraten.
Als "irreführend" bezeichnet Daniel Guidon, Leiter des Bereichs Futtermittelkontrolle an der Forschungsanstalt Agroscope ALP in Posieux FR diese Werbung. Es gebe keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die bewiesen, dass Futterhanf tatsächlich zu mehr und besserer Milch führe, erklärt er. Bewiesen sei aber, dass Tetrahydrocannabiol (THC), der Stoff, weswegen Menschen Hanf rauchen, aus dem Hanf in die Milch übertragen wird. "Untersuchungen, die wir zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit durchgeführt haben, haben dies gezeigt", sagt Guidon. Aus der Fachliteratur sei auch ein Fall bekannt, wo Büffel wilden Hanf gefressen hätten und die Milch dann THC enthalten habe.
Verbot auf Anfang März geplant
Deshalb will der Bund den Hanf als Futtermittel verbieten. Bisher ist im Sortenkatalog des Bundesamtes für Landwirtschaft festgelegt, welche Hanfsorten für die Fütterung erlaubt sind. Auf den 1. März soll die revidierte Futtermittelverordnung in Kraft treten, die für sämtliche Arten die Fütterung an Tiere verbieten wird. "THC hat gar nichts in der Milch zu suchen", sagt Olivier Félix vom Bundesamt für Landwirtschaft, "auch in kleinsten Spuren nicht."
Das Verbot sei eine präventive Massnahme. Man könne sich nicht leisten, dass irgendwann THC in der Milch nachgewiesen werde und dies von den Medien dann zum Skandal gemacht werde.
Dass Futterhanf eine positive Wirkung auf die Milchproduktion haben soll, ist für Guidon nicht nur unbewiesen, sondern auch "theoretisch schwer erklärbar". Es gebe keinen Wirkungsmechanismus, der bekannt sei. Allenfalls könne man mit Hanf-Extraktionsschrot einen Proteinmangel ausgleichen, das könne man aber ebenso gut mit Soja oder Raps. Forschungen zu diesem Thema gebe es vor allem deshalb keine, weil ausser den Verfechtern des Futterhanfes gar niemand auf solche Ideen komme, meint Guidon lakonisch.
Verfechter sehen nur Vorteile
Eben jene Verfechter aber sind überzeugt von den Vorteilen des Futterhanfes. Stefan Selinger etwa, ein Milchbauer aus dem zürcherischen Turbenthal, hat nur gute Erfahrungen gemacht mit Futterhanf: Seit er seinen Jersey-Kühen Hanf verfüttere, melke er drei Prozent mehr Milch, habe auch bessere Milchqualität und bessere Fruchtbarkeit, erklärt er. Ausserdem würden die Tiere den Hanf sehr gerne fressen, "sie gehen darauf wie die Wölfe". Selinger hat selber Hanf angebaut, der im Sortenkatalog registriert ist. Einen Teil davon hat er frisch verfüttert, den Rest hat er zu Würfeln trocknen lassen. Selinger liefert seine Milch an eine Käserei, die daraus Jersey-Käsespezialitäten herstellt. Dass die Kühe auch mit Hanf gefüttert werden, sei für den Käser kein Problem, sagt Selinger.
Dass der Bund Futterhanf verbieten will, regt Selinger auf. "Da hat man ein billiges, ökologisch sinnvolles Futtermittel, das vor der eigenen Haustüre wächst, und der Bund will es verbieten", poltert er. Damit werde die unternehmerische Freiheit der Bauern nur weiter eingeschränkt.
Ein weiterer Bauer bestätigt die positiven Effekte. Seine Mutterkühe hätten den Hanf zwar nicht besonders gern, aber es sei mehr Ruhe im Stall und auch mit der Trächtigkeit gebe es seither keine Probleme mehr. Der Bauer, der nicht genannt sein will, hat Hanf angebaut und trocknen lassen für ein Jahr, will aber mit Verfüttern aufhören, sobald es verboten werden sollte. Ihm ist noch das Gerichtsverfahren wegen seiner Hanfwürfel vom letzten Jahr in den Knochen. Er wurde zwar freigesprochen – die Würfel stellten keine Gefahr für Tier oder Mensch dar, befand das Obergericht –, will sich aber nicht mehr auf die Äste hinauslassen.
Jean-Pierre Egger dagegen, Geschäftsführer von SanaSativa und Anwalt, scheut juristische Auseinandersetzungen nicht. Er schliesst aus dem Obergerichtsbeschluss, dass die Bauern auch nach einem Verbot durch den Bund auf Futterhanf setzen und sich die Ungefährlichkeit gerichtlich jederzeit bestätigen lassen können. Egger kritisiert ferner Agroscope: Die Forschungsanstalt habe den Kühen in der Untersuchung gar nicht Futterhanf, sondern einfach eine Kapsel mit THC verabreicht. Dass THC vom Futterhanf in die Milch gelange, sei "ganz unmöglich", schreibt Egger. In der Hanfpflanze selber gebe es gar kein THC, dieser Stoff entstehe erst, wenn man den Hanf auf 230 Grad erhitze, sprich: rauche.
"Diese Aussage ist eindeutig falsch", sagt Guidon dazu. Das THC sei in der Pflanze selber enthalten, es werde in den Drüsenhaaren gebildet und finde sich überall auf der Pflanze. Dass man bei Agroscope ALP nicht Hanf, sondern nur Kapseln mit THC verfüttert habe, streitet Guidon gar nicht ab. Es spiele aber keine Rolle, eben weil das THC auch in den Pflanzen vorhanden sei.
Befürworter möchten Grenzwerte
Die Befürworter des Futterhanfes finden die Haltung des Bundesamtes unverhältnismässig und verlangen Grenzwerte für THC in der Milch. Laut dem Gesetz dürften Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln in unbedenklichen und technisch unvermeidbaren Mengen vorhanden sein, argumentiert Egger in seinem Brief. Selinger doppelt nach. "Wenn eine Kuh Äpfel vom Boden frisst und diese dann im Magen vergären, dann gelangen auch Spuren von Alkohol in die Milch", behauptet er. Wenn kleinste Mengen von THC in der Milch zu finden seien, dann sei dies für die Konsumenten ebenso ungefährlich.
Für das Bundesamt und für die Forschungsanstalt ist dies kein Argument. Für Selingers Behauptung gebe es keine Beweise, sagt Félix. Und Guidon erklärt, Toleranzwerte seien dort notwendig, wo gewisse Stoffe bei der Herstellung eines Produktes nicht zu vermeiden seien. Hanf sei aber für die Produktion von Milch überhaupt nicht notwendig.
Noch deutlicher wird Thomas Jäggi vom Schweizerischen Bauernverband. "Es kommt nicht in Frage, dass man einen Grenzwert für THC in der Milch einführt, nur damit ein paar Bauern das gute Image der Schweizer Milch gefährden können", meint er. Diese sei ein erstklassiges Produkt und werde seit je her ohne Hanf produziert. Das solle auch in Zukunft so bleiben.