
Am 4. Juni 2018 befasst sich der Nationalrat mit der Gesamtschau des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik. Die vorberatende Kommission beantragt ihrem Rat, den Bericht zurückzuweisen.
Eine Rückweisung wäre ganz im Sinn des Schweizer Bauernverbands. Mitte Mai hat er – zusammen mit dem Schweizer Tierschutz und dem Pommes-frites-Hersteller Kadi – Argumente gegen die Gesamtschau präsentiert und eine Breitseite auf den Bundesrat abgefeuert. Die Rede war von Konzeptlosigkeit, Nichtbeachtung des Volkswillens und einem Frontalangriff auf die Landwirtschaft.
Die Allianz weist den Bericht rundum zurück. Der Bundesrat solle das Papier überarbeiten und ohne die internationale Komponente nochmals vorlegen. Freihandelsabkommen seien separat zu behandeln und von der Agrarpolitik zu trennen.
Was die Bauern an der Gesamtschau stört, ist in einem Satz verdichtet. Bauernpräsident Markus Ritter nannte ihn den "matchentscheidenden Satz". Dieser steht auf Seite 59. Er lautet: "Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat in der mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik einen Grenzschutzabbau im Agrarberiech anstreben, der die Preisdifferenz zwischen dem In- und Ausland um 30 Prozent bis 50 Prozent reduziert."
Rabenschwarzer Tag
Markus Ritter bezeichnete den 1. November 2017 als einen der rabenschwärzesten Tage. Er meinte damit die Veröffentlichung der Gesamtschau. Der CVP-Nationalrat erinnerte daran, dass das Stimmvolk sich im letzten Jahr mit überwältigendem Mehr für die Ernährungssicherheit und damit für einen auf die inländische Lebensmittelproduktion ausgerichteten Markt ausgesprochen habe. Ritter erwartet vom Bundesrat, dass er den neuen Verfassungsartikel sowie eine Analyse der Agrarpolitik ab 2014 in seinen Bericht einfliessen lässt. Ebenso müssten aktuelle Volksinitiativen (Fair-Food, Trinkwasser, Ernährungssouveränität) berücksichtigt werden. Die Bauernfamilien wünschten sich nach diversen Reformrunden endlich Stabilität und Planungssicherheit, so Ritter.
Hormone in der Tiermast
Hansuli Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes (STS), warf der Landesregierung Konzeptlosigkeit, Nichtbeachtung des Volkswillens sowie eine zynische Argumentation vor. "Er weiss, dass sich Ökologie und Tierwohl in der Landwirtschaft bei offenen Grenzen nicht durchsetzen können", sagte Huber. Nichtsdestotrotz wolle der Bundesrat die Grenzen öffnen und damit den Import von Nahrungsmitteln ankurbeln, die in keiner Weise den Umwelt-, Tier- und Konsumentenschutzstandards der Schweiz entsprechen würden. Hinsichtlich der aktuellen Freihandelsdiskussion mit den Mercosur-Staaten sagte Huber: "Umfassende Tierschutzvorschriften zur Haltung von Rindern und Schweinen sowie von Geflügel fehlen in der Gesetzgebung der Mercosur-Staaten." In Argentinien und Brasilien würden Hormone, Antibiotika und gentechnisch veränderte Futtermittel in der Tiermast eingesetzt, warnte Huber. In Brasilien jage ein Lebensmittelskandal den anderen. Nur höre man hierzulande nie davon.
Konsequenzen unklar
Gegen die Gesamtschau wetterte auch Christof Lehmann, Geschäftsführer des Pommes-frites-Produzenten Kadi. Er kritisierte, dass der Bundesrat in seinem Bericht nicht aufzeige, welche Auswirkungen seine Pläne für die Verarbeiter und die Konsumenten hätten. Gerade die Lebensmittelindustrie sei in starkem Masse vom Abbau der Zölle betroffen – und nicht nur die Landwirtschaft. Den Bericht wertete Lehmann als einen "Frontalangriff auf unsere Ernährung". Kadi sei auf eine starke Schweizer Landwirtschaft angewiesen, betonte Lehmann. Über 25'000 Tonnen Kartoffeln beziehe man von hiesigen Landwirten.
7 Prozent fürs Essen
Colette Basler, Co-Geschäftsführerin Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband, warnte, dass höherer Importdruck noch mehr Bauernfamilien zur Aufgabe ihrer Höfe zwinge. Und Ökologie und kleine Betriebe auf der Strecke blieben. Bauernverbands-Direktor Jacques Bourgeois betonte, dass weltweit niemand weniger fürs Essen ausgebe als die Schweizer Bevölkerung – gerade mal 7 Prozent des Einkommens.
