Ob eine Kuh mit gentechnisch verändertem oder mit konventionellem Mais gefüttert wird, kann den Milchtrinkern egal sein: Die Milchqualität unterscheidet sich nicht. Auch die Milchleistung ist fast dieselbe. Während die mit gentechnisch verändertem Mais gefütterte Kuh im Jahr durchschnittlich 7'460 Kilogramm Milch gibt, liegt die Jahresleistung der mit konventionellem Futter gefütterten Kuh bei 7'420 Kilogramm. Ebenso ist bei den getesteten Kühen weder bei der gesundheitlichen Fitness noch bei der Fruchtbarkeit ein Unterschied zu erkennen. Dies sind die Resultate einer Studie der Technischen Universität München, die Ende März 2009 veröffentlicht wurde (siehe Kasten).
Die Versuchskühe wurden mit dem gentechnisch veränderten Mais MON 810 des US-Saatgutkonzerns Monsanto gefüttert. In das Erbgut dieser Maissorte wurde ein artfremdes Gen eingeschleust. Das Gen lässt die Maispflanze ein Protein produzieren, das ihren ärgsten Feind, den Maiszünsler, tötet.
Doch genau diese Maissorte darf dieses Jahr in Deutschland nicht mehr angebaut werden. Die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat am Dienstag, 14. April 2009 ein Anbau- und Verkaufsverbot über gentechnisch veränderten Mais verhängt. Laut Aigner gibt es berechtige Gründe zur Annahme, dass die Maissorte MON 810 – die derzeit als einzige gentechnisch veränderte Pflanze in Deutschland angebaut wird – eine Gefahr für die Umwelt darstelle. Zwei neuere Studien aus Luxemburg hätten gezeigt, dass Schmetterlinge, Wasserorganismen und Marienkäfer durch den Gentech-Mais bedroht seien. Fünf EU-Staaten haben den Anbau von MON 810 bereits verboten: Österreich, Ungarn, Griechenland, Frankreich und Luxemburg.
Auch ein Spinatfeld beeinflusst die Umwelt
MON 810 soll also für die tierische und menschliche Gesundheit ungefährlich sein, jedoch die Umwelt schädigen. Zwar sind in der deutschen Fütterungsstudie die Auswirkungen des Anbaus von Gentech-Mais auf die Umwelt nicht untersucht worden, trotzdem kritisiert Studienleiter und Physiologieprofessor Heinrich Meyer den Entscheid der deutschen Landwirtschaftsministerin Aigner. "Der Anbau von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen hat immer Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Insekten", sagt er, "egal, ob es sich um ein Feld mit Spinat, Raps oder Mais handelt." Sei eine Pflanze resistent gegen Schädlinge – im Fall von MON 810 ist es der Maiszünsler – würden logischerweise auch die Nützlinge beeinflusst, weil die Insekten in Abhängigkeit miteinander lebten. "Die entscheidende Frage lautet, ob die Einflüsse auf die Umwelt und Insekten so gravierend sind, dass man von einer langfristigen Schädigung ausgehen muss", sagt Meyer.
Erste Fütterungsstudie mit Kühen über zwei Jahre
hs. "Die Erkenntnis, dass Kühe, die gentechnisch veränderter Mais fressen, normale Milch geben, ist nicht neu", sagt Heinrich Meyer, welcher die neue Studie an der Technischen Universität München geleitet hat. Doch nie zuvor hätten die Fütterungsversuche mit gentechnisch verändertem Kraftfutter mehr als 91 Tage gedauert. Meyer und sein Team haben während 25 Monaten 18 Milchkühe mit dem gentechnisch veränderten Mais MON 810 gefüttert, parallel dazu bekam eine Kontrollgruppe von 18 Kühen konventionelles Maisfutter in gleicher Menge. Weder bei der Milch noch bei der Tiergesundheit konnte die Studie Unterschiede feststellen.
Quelle: Fütterungsversuche bei Milchkühen mit MON 810-Mais. Link zur Studie: www.weihenstephan.de/fml/physio/sonstig/AG-GVO.htm
Nimmer endende Debatte
Für Jan Lucht, Geschäftsführer des schweizerischen Gentech-Lobbyverbandes Internutrition, ist Aigners Entscheid politisch gefärbt. "Politiker können sich mit dem Thema Gentechnik nicht profilieren, ausser sie sprechen sich dagegen aus", sagt er. Die Fronten in der Diskussion um die grüne Gentechnik seien verhärtet. Für Lucht sind die Resultate der deutschen Fütterungsstudie denn auch nicht überraschend. Dass mit gentechnisch verändertem Mais gefütterte Kühe ganz normale Milch gäben, sei bereits in vielen Studien nachgewiesen worden. "Man kann noch so lange forschen, Gentech-Kritiker lassen sich mit keiner wissenschaftlichen Studie überzeugen", sagt Lucht. "Viel lieber wollen die Kritiker die grüne Gentechnik für immer verbieten."
Tatsächlich setzt Daniel Ammann, Geschäftsleiter der gentech-kritischen Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG), Fragezeichen hinter die neue deutsche Fütterungsstudie, so zum Beispiel: "Ist der Gesundheitszustand der Kühe genügend untersucht worden? Sind genügend Jungtiere, bei denen sich das Immunsystem noch entwickeln muss, in die Studie miteinbezogen worden?" Wenn man bedenke, um welche neuartigen Gefährdungspotenziale es bei der Einführung der Agro-Gentechnik gehe, sei die Forderung nach möglichst vielen Forschungsergebnissen gerechtfertigt. "Ausserdem reguliert auch der europäische Gesetzgeber gentechnisch veränderte Organismen anders als die konventionelle Pflanzenzüchtung", sagt Ammann. "Dies beweist, dass die Agro-Gentechnik mit spezifischen und besonders strengen Kriterien begutachtet werden muss."
Schweiz: Politik dominiert wissenschaftliche Debatte
hs. In der Schweiz dominiert die politische Agenda die Medienberichterstattung über die grüne Gentechnik. Der wissenschaftliche Diskurs in den Medien ist weniger wichtig. Dies ist die Zwischenbilanz einer Studie des Instituts für Publizistik- und Medienwissenschaft der Universität Zürich im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 59, welche Anfangs April an einer Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Agrarwirtschaft und Agrarsoziologie (SGA) in Naters VS vorgestellt wurde. In der Mediendebatte seien Bauern und Nichtregierungsorganisationen mit ihren Argumenten gegen die grüne Gentechnik gut vertreten.
Medienschaffende im Ressort Politik sind laut Studie wissenschaftskritisch, Medienschaffende im Ressort Wissenschaft fühlten sich stärker der Wissenschaft verpflichtet und sprächen sich eher gegen das Moratorium aus.
Quelle: "Die Grüne Gentechnologie in der Öffentlichkeit. Zwischen Desinteresse und Ablehnung", von Heinz Bonfadelli und Martina Leonarz, IPMZ Universität Zürich.
