Von Blumenkohl über Gurken, Kopfsalat, Radieschen bis Zucchetti: Trotz kaltem und nassem Frühlingswetter können Frau und Herr Schweizer aus einem reichen Gemüse- und Salatangebot auswählen. Ergänzende Importe ermöglichen dem Detailhandel, das ganze Jahr ein vielfältiges, fast gleichbleibendes Sortiment anzubieten. Gemüse und Früchte dürfen aber nicht jeder Zeit frei importiert werden. Die Agrareinfuhrverordnung (AEV) und die Verordnung über die Ein- und Ausfuhr von Gemüse, Obst und Gartenbauerzeugnisse (VEAGOG) regeln den Import im Detail (siehe Kasten).
Laufend Kompromisse schliessen
Koordiniert werden die Importanträge von der Branchenorganisation Swisslegumes. Der Verband schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP) vertritt die Interessen der Produzenten, die Swisscofel, der Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels, die Interessen des Handels. Die so genannte Importregelung finden zur Zeit zwei Mal pro Woche statt, am Dienstag- und am Donnerstagmorgen. Am Vormittag des 24. April verhandelten Thomas Wieland vom VSGP und Arnold Marti von Swisscofel unter der Leitung von Swisslegumes-Geschäftsführer Hans Hediger über 29 Produkte und stellten am Schluss für jedes einen Antrag an das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Sie diskutieren zum Beispiel, ob Zwiebeln schon am Dienstag oder erst am Mittwoch importiert werden können und ob Nüsslisalat importiert werden kann. Der Handel wollte zehn Tonnen Kontingent, die Produzenten keinen Nüsslisalatimport. Geeinigt haben sie sich auf fünf Tonnen Import. Umstritten war auch der Import von Kohlrabi und Lauch. Dafür haben sie vorläufig kein Importkontingent beantragt. "Die Importregelung ist häufig ein Kompromiss", kommentiert Wieland. Dabei fällt es ihm leichter, Hand zu einem Kompromiss zu bieten, wenn der Verkauf der Inlandproduktion an den Handel gut klappt.
Die Importregelung beginnt jedoch schon am Vortag. Jeder Händler kann am Montag- beziehungsweise Mittwochnachmittag bis um 15.00 Uhr für Salate oder Gemüse, die sich in der bewirtschafteten Phase befinden, bei der Swisscofel ein Zollkontingent beantragen. Dort werden die Anträge bearbeitet, allenfalls Rücksprache genommen. Bis um 15.30 muss der Importantrag bei der Swisslegumes eintreffen. Dort formuliert Geschäftsführer Hans Hediger die Anträge und gibt sie zur Stellungnahme an Produktion, Inland- und Importhandel sowie an die zuständige Amtsstelle weiter. Die Stellungnahmen müssen bis am nächsten Morgen um 8.15 Uhr bei der Swisslegumes eintreffen. Strittige Punkte werden anschliessend wie beschrieben diskutiert.
Bringt Hediger keine Einigung zu Stande, gibt es eine Telefonkonferenz zwischen den Beteiligten und je einem Vertreter der BLW-Sektion Ein- und Ausfuhr und Spezialkulturen. In diesem Jahr war bisher keine Telefonkonferenz nötig. Letztes Jahr gab es laut Hediger rund 15 Konferenzen. Wenn alles geregelt ist, publiziert die Sektion Ein- und Ausfuhr den Entscheid über Fax und Internet. Ziel ist, dass die Entscheide spätestens um viertel vor zehn Uhr publiziert werden können.
Detaillierte Zahlen über Verkauf und Ernte vorhanden
Beim Argumentieren für und gegen Importe können sich die Beteiligten einerseits auf das Marktvolumen, andererseits auf die Wochenmeldungen abstützen. Das Marktvolumen sagt, wie viel Salat, Tomaten oder Blumenkohl die Konsumentinnen und Konsumenten voraussichtlich in dieser Woche kaufen. Errechnet werden die Zahlen von der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau (SZG) auf Grund der Importe und der Inlandmeldungen der vergangenen drei Jahre. Die Wochenmeldungen basieren auf Meldungen der Produzenten an die SZG über die erwarteten Erntemengen. Die Zentralstelle stellt diese wöchentlich am Montag zusammen.
Wetter als Spielverderber
Diese Zahlen allein reichen aber nicht aus, denn das Wetter beeinflusst sowohl das Wachstum als auch den Konsum von Gemüse. So wurde am Dienstag kein Importe für Kopfsalat beantragt, obwohl das Marktvolumen 489 Tonnen beträgt, die Produzenten voraussichtlich nur 259 Tonnen ernten werden. "Weil es so kalt ist, essen Frau und Herr Schweizer zur Zeit weniger Kopfsalat als in anderen Jahren", erklärt Hediger. Anders beim Nüsslisalat: Marktvolumen und Wochenmeldung (je 41 Tonnen) decken sich zwar, der Handel wollte dennoch 10 Tonnen importieren. Bei kaltem Wetter sind Wintergemüse gefragter als Frühlingssalate.
Das Wetter macht es zum Teil aber auch schwierig, die Erntemengen einzuschätzen. Kohlrabi oder Rhabarber zum Beispiel wachsen bei warmem Wetter sehr schnell. Wird noch ein Kontingent bewilligt und wird es dann überraschend warm, kommt es schnell zu Überschüssen, die auf den Preis drücken. Importe sind auch dann häufig umstritten, wenn die Inlandproduktion beginnt. Dann geht es darum, genügend Importe zu bewilligen, um den Markt voll zu versorgen, aber nicht zu viel. Sonst können – je nach Preis- und Qualitätssituation – die Schweizer Produzenten ihre Salate und Gemüse kaum mehr verkaufen oder nur zu einem für sie nicht befriedigenden Preis.
Swisslegumes-Geschäftsführer Hans Hediger erinnert sich an die Situation bei Eisberg vor zwei Jahren. "Anfang Saison wurden 100 Tonnen Importe zu viel bewilligt", erzählt er. In der Folge kauften die Händler weniger Schweizer Eisberg. Die Produzenten liessen diesen länger auf den Feldern. Die Salatköpfe wurden schwerer. Die Folge: Der Markt war überversorgt, die Produzentenpreise im Keller. Solche "Fehler" sorgen jeweils für Unmut bei den nächsten Importregelungen. Das bestätigt ein BLW-Protokoll zur Importregelung vom September 1999. "Wiederholte, massive Fehleinschätzungen (des inländischen Angebotes, Anmerkung der Redaktion) gefährden das heutige System", heisst es dort. Diese Probleme scheinen sich in der Zwischenzeit entschärft zu haben. "Ich höre wenig negatives vom Handel", sagt Marti und Wieland findet die Partnerschaft mit dem Handel solider als vor einem Jahr.
Bewirtschaftet und nicht bewirtschaftet
mo. Für 85 Gemüse ist genau festgelegt, wann sie unbeschränkt zum Kontingentszollansatz importiert werden dürfen (nicht bewirtschaftete Phase) und wann Importe eingeschränkt sind (bewirtschaftete Phase). Deshalb der Name "Zwei-Phasensystem" für diese Importregelung, die inländisches Gemüse bevorzugen soll, wenn dieses Saison hat. In der bewirtschafteten Phase gibt es drei Möglichkeiten. Wenn zu wenig Schweizer Kopfsalat, Blumenkohl, Tomaten oder Zucchetti wachsen, können Ergänzungsimporte bewilligt werden. Für diese ist der Kontingentszollansatz zu bezahlen. Der Kontingentsanteil der einzelnen Importeure ist je nach Produkt abhängig von seinen Einfuhren im Vorjahr oder seinem Marktanteil (Einfuhren plus Einkäufe im Inland). Jeder Importeur ist jedoch frei, über dieses Kontingent hinaus Ware zu importieren. Für diese muss er jedoch den Ausserkontigentszollansatz bezahlen, der um ein Mehrfaches höher ist. Importieren darf man auch, wenn die Schweizer Gemüsebauern genügend ernten. Für solche Importe ist ein reduzierter Ausserkontingentszollansatz zu bezahlen.
Importieren dürfen grundsätzlich nur in der Schweiz ansässige Firmen. Für die meisten Produkte braucht es dazu eine Generaleinfuhrbewilligung. Diese ist zwar unbefristet gültig, kann aber nicht auf andere Importeure übertragen werden. Ferner dürfen am Ende der freien Phase keine Lager vorhanden sein. Die zuständige Sektion Inspektorat des Bundesamtes für Landwirtschaft kontrolliert das. Letztes Jahr wurden 64 so genannte Domizilkontrollen durchgeführt. In acht Betrieben wurden zu hohe Lagerbestände festgestellt.
Eingeführt wurde das Zwei-Phasensystem Mitte 1995 mit dem Inkrafttreten der GATT/WTO-Verträge, die vorschrieben, dass alle nichttarifären Einfuhrbeschränkungen in Zölle umgewandelt werden mussten. Es löste das früher gültige Drei-Phasensystem ab, das zum Beispiel bei Vollversorgung die Importe ganz verbot.
Preisunterschiede machen Importe interessant
So schwierig das Wetter für die Gemüseproduzenten zur Zeit ist, die Importregelung bringt eher weniger Probleme. Ein wichtiger Grund: Importgemüse ist kaum billiger. Importierte Kopfsalate sind sogar teurer als inländische. Das schlechte Wetter verknappt und verteuert das Gemüseangebot in ganz Europa. Importe sind deshalb nur halb so interessant. "Wenn man im Ausland bessere Qualität günstiger kaufen kann, ist die Importregelung schwierig", sagt Marti.
Von Bedeutung ist nicht zuletzt die Laufzeit eines Kontingentes. Diese beginnt für Produkte, die am Dienstag freigegeben werden, frühestens am Mittwoch und sollte mindestens drei Tage betragen. Bei nicht sensiblen Produkten sollte sie am folgenden Dienstag enden. Wenn laufende Kontingente am Dienstag enden, bevor am Mittwoch allenfalls ein neues bewilligt wird, kann effektiv kontrolliert werden, ob die Bestimmungen eingehalten werden. Vor allem bei den Produzenten stossen lange Kontingente auf wenig Gegenliebe. Gilt eine Kontingentsmenge zum Beispiel für eine Woche, kann der Importeure, die ihm zustehende Menge schon am ersten Tag importieren. Als Folge ist dann die Inlandware für ein, zwei Tage nicht gefragt – das Wachsen des Salates auf dem Feld kann aber nicht gebremst werden.
50 Prozent Unzufriedenheit erreicht
Obwohl Handel und Produzenten zum Teil gegensätzliche Interessen haben, sind beide Seiten mit dem heutigen System grundsätzlich zufrieden. "Der Handel hat kein Interesse an zu viel Ware", sagt Marti. Die Produzenten haben durch das System eine faire Chance, ihre Produkte zu Schweizer Preisen verkaufen zu können. "Ohne Zwei-Phasensystem würde die Schweiz unkontrolliert von ausländischer Ware überschwemmt", meint Wieland.
Zufrieden ist man auch auf der politischen Seite. In den nächsten Jahren ist gemäss Diskussionen in der Arbeitsgruppe Märkte kaum mit Gesetzesänderungen zu rechnen. Veränderungen sind jedoch als Folge der laufenden WTO-Runde möglich. Die Schweiz hat in ihrer Eingabe offeriert, von Fall zu Fall und von Produkt zu Produkt eine Zollreduktion zu prüfen.
Auswirkungen des Zwei-Phasensystems auf die Produktion sind beschrieben in "Schweizer Gemüse: Wie lange kann die Saison werden?" im LID-Mediendienst Nr. 2464 vom 11. Mai 2000.