Neben dem Regal mit den Eiern ein Foto des Produzenten mit einem glücklichen Huhn auf dem Arm, auf der Käseverpackung der Name der bekannten Dorfkäserei. Wer regionale Produkte einkauft, liegt im Trend. "Der Globalisierung zum Trotz stehen regionale und natürlich erzeugte Lebensmittel ganz oben auf der Liste der beliebtesten Nahrungsmittel", zitierte Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, an einer Tagung des Verbandes des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels Swisscofel am 23. November 2009 in Bern aus einer aktuellen Studie der Universität St. Gallen. Die hohe Bedeutung des Kriteriums "Regionalität" zeige auf, dass Schweizer Konsumenten die Herkunft der Produkte als Qualitätsgarant und Gütesiegel beim Lebensmitteleinkauf betrachteten.
"Regionalisierung schützt nicht vor Grenzöffnung"
Dass das Argument Regionalität bei den Kunden zieht, wissen die Grossverteiler schon lange. Migros verkauft unter dem Label "Aus der Region. Für die Region." eine ganze Palette regionaler Produkte, Coop vermarktet unter ihrem Biolabel Naturaplan Früchte und Gemüse direkt aus der Region.
Skeptisch gegenüber diesem Regionalisierungstrend ist Christian Häberli, Forschungsbeauftragter am World Trade Institute (WTI) in Bern. "Je nach Ausgestaltung kann das Konzept der Regionalisierung gefährlich werden", sagt er gegenüber dem LID. Zwar komme der Region unbestritten eine Bedeutung zu, weil ein Teil der Konsumenten solche Angebote bevorzuge. Auch er kaufe seinen Honig gerne aus seinem Dorf. Jedoch würde eine Marktabschottung im Stil "Berner Konsumenten gehören den Seeländer Bauern" die falschen Strukturen erhalten. Eine Grenzöffnung würde dann die ganze Landwirtschaft noch härter treffen.
Zudem würden durch die Regionalverkaufsprogramme die Konsumenten mit dem Argument "natürlich und frisch" an der Nase herumgeführt, sagt Häberli. Zwar seien kürzere Transportwege durchaus in Ordnung. Doch sei damit noch nicht gewährleistet, dass regionale Produkte frischer seien oder auf ökologischere Weise produziert würden. Es könne sein, dass ein kleiner Seeländer Gemüsebauer für die Beheizung seines Gewächshauses viel mehr Energie verpuffe als sein Genfer Kollege.
Franziska Stössel vom Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich weiss, wie die Ökobilanzen von Tomaten, Gurken und Äpfel aussehen – in einem Forschungsprojekt hat sie sich mit der Ökobilanzierung von Gemüse und Früchten beschäftigt. Stössel ist nicht der gleichen Ansicht wie Häberli: Um ein reines ökologisches Gewissen zu haben, solle der Konsument beim Einkauf vor allem die Kriterien Regionalität und Saisonalität beachten, riet Stössel an der Swisscofel-Tagung. Dennoch räumte auch sie ein: "Wenn regionale Tomaten in einem geheizten Gewächshaus produziert werden, wird die Ökobilanz natürlich verschlechtert."
Teurer statt günstiger
Migros-Produkte, die unter dem Label "Aus der Region" verkauft werden, sind teilweise teurer als konventionelle Schweizer Produkte. Ein Liter "Aus der Region"-Trinkmilch beispielsweise kostet mit 1.40 Franken 15 Rappen mehr als ein Liter konventionelle Trinkmilch. Die teureren Preise stossen Häberli sauer auf. "Warum muss ich beim Grossverteiler mehr für Milch aus der Region bezahlen?", fragt er. "Bei kürzeren Transportwegen müsste die Milch eigentlich billiger sein." Auch würden regionale Produkte qualitativ nicht immer am besten abschneiden. "Wenn die Genfer und Tessiner Tomaten die besten und erst noch die billigsten sind – wie mir von Seiten der Gemüseproduzenten gesagt wird – sollten diese nicht durch die regionalen, qualitativ schlechteren und teureren Tomaten verdrängt werden. Die Tessiner Tomatenbauern können schliesslich nichts dafür, dass sie im Tessin sitzen."
Wenn dem Kunden ein Mehrwert geboten werde, dann sei ein teurerer Preis durchaus gerechtfertigt, sagt hingegen Johann Züblin, Leiter Standards und Social Compliance beim Migros-Genossenschaftsbund. Welchen Mehrwert regionale Produkte bieten, lässt Züblin offen: "Jedem Kunden ist etwas anderes mehr wert."
"Regionalisierung als Gift für die Entwicklungsländer"
Wie schädlich oder wie nützlich die Förderung von Regionalprodukten für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft ist, ist umstritten. Bei einem Blick über die Schweizer Grenze bringt Häberli vom World Trade Institute ein anderes Argument gegen das Konzept der Regionalisierung auf den Tisch. Besonders kontraproduktiv könne sich die Regionalisierung auf die Entwicklungsländer auswirken, meint er. "Insbesondere für die ärmsten Länder und ihre Hoffnung auf eine handelsbasierte Entwicklung ist Regionalisierung Gift, wenn damit eine Ausgrenzung verbunden ist." Viele der immer zahlreicheren Auflagen der Abnehmer seien ein Distanzschutz zugunsten der Inlandproduktion. Jedenfalls sei noch kein kenyanischer Bauer in der Lage, seine Bohnen ab Feld in die Migros-Schächteli abzupacken oder einen Convenience-Salat zu liefern.
