Seit April dieses Jahres läuft an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (FAL) in Zürich-Reckenholz ein Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen. Dieser Weizen ist resistenter gegen Stinkbrandpilzbefall als herkömmlicher und wird zur Zeit zur weiteren Untersuchung in einer Vegetationshalle der FAL in Töpfen angebaut. Die Wissenschaftler der FAL interessiert, ob der gentechnisch veränderte Weizen unerwünschte Auswirkungen auf Bodenorganismen und Insekten hat. Die Forschergruppe der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich, die die Pflanze entwickelt hat, möchte wissen, ob er auch unter diesen feldähnlichen Bedingungen resistenter ist.
Viele offene Fragen
Für die FAL steht in diesem Versuch die Frage nach der Sicherheit im Vordergrund. "Wir untersuchen, ob sich der Anbau der gentechnisch veränderten Pflanze zum Beispiel auf Blattläuse oder auf Organismen, die in engem Kontakt mit den Wurzeln leben, auswirkt", erklärt Franco Widmer von der Abteilung Biotechnologie. Ein Unterfangen mit vielen Unbekannten, denn von den Mikroorganismen im Boden, beispielsweise, ist nur eine sehr kleine Anzahl bekannt. Während des Versuchs müssen so laufend neue Ansätze gesucht werden, sei dies beim Untersuchungsmaterial oder bei den Methoden.
Gemeinsam weiterkommen
"Um in der internationalen Diskussion über die Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen eine Stimme zu haben, ist es wichtig, im Bereich der Forschung laufend das Wissen auszubauen und zu erneuern", meint Paul Steffen, Chef des Forschungsstabs des Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). In der Entwicklung von transgenen Pflanzen liege die Hauptleistung bei den nationalen und kantonalen Hochschulen, sagt er. "Die FAL hat aber vom Bundesrat den Auftrag sich in der Biosicherheitsforschung zu engagieren." Im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) geht es vor allem um die Begleitforschung bei Anbauversuchen von beschränkter Dauer und die Untersuchung der langfristigen Auswirkungen aufs Ökosystem.
Um finanzielle und strukturelle Ressourcen optimal zu nutzen und von Synergien zu profitieren, arbeiten die FAL und die ETH beim aktuellen Versuch zusammen. Die ETH stellt das gentechnisch veränderte Saatgut für die Sicherheitsforschung zur Verfügung, die FAL ermöglicht eine Erprobung der Resistenz unter feldähnlichen Bedingungen. Seit dem 9. April dieses Jahres ist die Zusammenarbeit der beiden Forschungsinstitutionen im Bereich von GVO nun auch vertraglich festgehalten.
Wie sieht der Versuch mit Gentechweizen aus?
rd. Im aktuellen Versuch an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau in Zürich-Reckenholz wird sowohl gentechnisch veränderter als auch herkömmlicher Weizen der Sorten Greina und Golin in Töpfen in einer Vegetationshalle angebaut. Von den insgesamt 80 Töpfen mit je zehn Pflanzen enthalten lediglich 28 gentechnisch veränderten Weizen, die restlichen unveränderten Pflanzen dienen für Kontroll- und Vergleichsuntersuchungen. Während der ganzen Wachstumsphase werden Proben genommen und analysiert. Bis Ende Jahr soll der Auswertungsbericht vorliegen. Verschiedene Sicherheitsvorkehrungen verhindern das Entweichen von gentechnisch verändertem Material: Nur berechtigtes Personal hat Zutritt, die Pflanzen sind vor Vögeln und Nagetieren geschützt und der Pollen wird am Wegfliegen gehindert, indem die Ähren einzeln in Pergamentsäckchen eingepackt und diese pollendicht abgeschlossen werden. Nach Versuchsende werden die Pflanzen vernichtet und die Erde aus den Töpfen durch Hitzebehandlung keimfrei gemacht. Aufgrund der Versuchsanordnung und der Genkonstrukte der Pflanzen wurde der Versuch vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft als risikolos eingestuft und genehmigt.
Resistenter Weizen statt Pflanzenschutzmittel
Weizen ist neben Reis weltweit eines der wichtigsten Getreide und Pilzkrankheiten zählen zu seinen grössten Feinden. Der Befall einiger Pflanzen etwa mit Stinkbrandpilz kann die Ernte eines ganzen Feldes unbrauchbar machen. Stinkbrand wird heute durch eine Behandlung des Saatguts mit chemischen Pflanzenschutzmitteln bekämpft. In der Schweiz werden für Getreide jährlich rund 20 Tonnen synthetische Fungizide gebraucht. Der Anbau von stinkbrandresistentem Weizen kann somit ökologisch und finanziell interessant sein.
"Der Anbau dieses Weizens liegt noch in weiter Ferne", sagt Christof Sautter von der ETH. "Bei der Pflanze handelt es sich erst um einen Prototypen. Wir stecken mitten in einem Entwicklungsprozess und es wird noch vieles zu verbessern geben." Mit einem marktreifen Produkt rechnet er frühestens in einigen Jahren. In Ländern der dritten Welt fehlten die Mittel für die vor Stinkbrand schützende chemische Behandlung des Saatguts und so liege ein Einsatz beispielsweise in Indien, mit dessen Regierung die ETH im Falle von Weizen zusammenarbeite, nahe. Stinkbrandpilz ist eine samenübertragbare Krankheit und fällt vor allem für Bauern, die das Saatgut fürs nächste Jahr aus ihrer eigenen Ernte gewinnen, ins Gewicht. Solchen Kleinbauern in Drittweltländern soll das Saatgut unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Resistenter Weizen – wie funktioniert das ?
rd. Im Rahmen des Schwerpunktprogrammes Biotechnologie des Schweizerischen Nationalfonds wurde an der Eidgenössisch-technischen Hochschule (ETH) in Zürich Weizen mit einem Gen versehen, das ihn in Labor- und Gewächshausstudien resistenter gegen Brandpilzbefall macht, als dies unveränderte Pflanzen sind.
In der Natur existieren Abwehrstrategien gegen Pilzerkrankungen. So gibt es Viren, die spezielle Proteine bilden, welche Brandpilze am Wachstum hindern. Die Forschergruppe von Christof Sautter vom Institut für Pflanzenwissenschaften der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich benutzt das Gen, welches in der Zelle die Bildung des Proteins veranlasst, das Weizen vor Stinkbrandpilz schützt. Es wurde ins Erbgut der beiden Weizensorten Greina und Golin eingesetzt und ausführliche Untersuchungen im Labor haben gezeigt, dass die Weizenkeimlinge tatsächlich resistenter gegen Stinkbrandpilz sind, als Pflanzen von herkömmlichem Saatgut. Der gentechnisch veränderte Weizen bildet das schützende Protein selbst. Sautter weist darauf hin, dass mit diesem Weizen zum ersten Mal bei Getreide eine Resistenz in dieser Form nachgewiesen werden konnte.
"Die verwendeten Sorten Golin und Greina sind zwar auf dem Schweizer Markt gefragt, doch ist der Weg für einen Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen noch nicht bereitet", führt Sautter aus. "Wir verfolgen ähnliche Ziele wie die traditionelle Züchtung, einfach mit anderen Methoden." Im konkreten Beispiel sei eine Resistenz mit der herkömmlichen Kreuzung nicht herbeizuführen, da man die für die Produktion des schützenden Eiweisses verantwortlichen Viren nicht mit dem Weizenkreuzen könne, erklärt Sautter. "Der Einsatz der molekularbiologischen Methode der Genveränderung ist unerlässlich.
In der Schweiz ist die Stimmung gentechnologiefeindlich
Sowohl von Produzenten- als auch von Konsumentenseite sind in der Diskussion rund um die Gentechnologie kritische Stimmen zu vernehmen. Im Vorfeld der parlamentarischen Beratung der Gen-Lex-Vorlage gab der WWF-Schweiz eine Umfrage in Auftrag. Von den tausend befragten Stimmberechtigten sprachen sich 73 Prozent gegen einen Einsatz der Gentechnologie in der Landwirtschaft aus.
Durch die Fungizidbehandlung des Saatguts ist Stinkbrandpilzbefall beim Weizen hierzulande nur ein marginales Problem. Zum Glück, denn der Biolandbau, wo der Fungizideinsatz verboten ist, kennt bis jetzt nur ein sehr teures pflanzliches Mittel zur Schutzbehandlung des Saatguts. Könnte somit der aktuell im Versuch angebaute Weizen in Zeiten mit hohen Infektionsraten für den biologischen Landbau interessant werden ? Wohl eher nicht, denn dieser sieht aufgrund der aktuellen Einstellung der Konsumenten gerade in einer Landwirtschaft ohne Gentechnik grosse Zukunftschancen. So setzt sich das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick seit April 1999 im internationalen Projekt "arche noah BioGene" dafür ein, dass die biologische Produktion frei von Gentechnologie bleibt. Schwerpunkte sind die Koordination der Produktion von biologischem Saatgut, die Kontrolle und Sicherung der Warenflüsse für gentechnikfreie Futtermittel und Hilfsstoffe sowie die Bereitstellung der wichtigen Informationen in Datenbanken.
"In der Landwirtschaft macht es zur Zeit keinen Sinn, gentechnisch veränderte Produkte anzubieten", meint Paul Steffen vom BLW. "Der Konsument ist sehr kritisch eingestellt und die Nachfrage ist nicht da." Die Forschung in diesem Bereich dürfe jedoch nicht auf Eis gelegt werden, sondern gerade im Bereich der Sicherheitsabschätzung sei es wichtig, dass die Schweiz am Ball bleibe. "Die heutige Pflanzengeneration befindet sich in einem Entwicklungsprozess und wir möchten diesen begleiten um Gefahren rechtzeitig erkennen zu können", ergänzt Steffen. Er ist der Meinung, dass die Schweiz international mitreden müsse, wenn es um Entscheide bezüglich der Sicherheit und des Risikos von GVO gehe. Und dazu müsse die eigene Forschung auf dem neuesten Stand sein.
Das bringt die Gen-Lex
rd. Mit der Gen-Lex werden Rechtslücken in der ausserhumanen Gentechnologie geschlossen. Von den Änderungen betroffen ist in erster Linie das Umweltschutzgesetz, aber auch das Tierschutz- und das Landwirtschaftsgesetz. Die wichtigsten Elemente der Gen-Lex sind:
- Neue Schutzziele: Zusätzlich zum Schutz von Mensch und Umwelt werden Grundsätze für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) eingeführt. Dies sind die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, sowie die Achtung der Würde der Kreatur.
- Haftpflicht: Es wird eine Haftpflicht des Herstellers von GVO eingeführt. Die Verjährungsfrist beträgt dreissig Jahre ab dem Schadensereignis beziehungsweise ab dem ersten Inverkehrbringen von entsprechenden Produkten.
- Ethikkommission: Die eidgenössische Ethikkommission für Biotechnologie im ausserhumanen Bereich erhält eine gesetzliche Grundlage.
- Dialog und Transparenz: Die Kenntnisse und der öffentliche Dialog über die Gentechnologie sollen gefördert werden. Ein allgemeines Aktenzugangsrecht zu Informationen über den Umgang mit GVO wird eingeführt und die Einrichtung einer Dokumentationsstelle ermöglicht.
Der Bundesrat hat die Botschaft zur Gen-Lex am 1. März 2000 verabschiedet. Voraussichtlich wird die Vorlage in der Herbstsession zum ersten Mal durch die Eidgenössischen Räte behandelt.