Schon bald blühen sie wieder, die Apfel- und Birnenbäume. Am prächtigsten blühen die so genannten Hochstammbäume, welche vielerorts in der Schweiz die Landschaft prägen. Nicht nur viele Erwerbsobstanlagen waren im letzten Jahr besonders stark vom Feuerbrand betroffen, auch die Hochstammbäume (siehe Kasten) wurden nicht von der Bakterienkrankheit verschont.
Zwar hat der Bund das Antibiotikum Streptomycin zugelassen, doch damit lässt sich der Feuerbrand bei den Hochstammbäumen nicht bekämpfen. Die Stämme sind zu hoch, um das Mittel dosiert einsetzen zu können. Vielmehr wird das natürliche Bekämpfungsmittel "Blossom Protect", welches auch seit kurzem auf dem Markt ist, eingesetzt. Durch dieses Mittel wird die Oberfläche der Früchte aufgeraut, aber dies ist nicht weiter schlimm, denn die geernteten Äpfel und Birnen landen in der Mosterei. Hochstammbäume sind tendenziell weniger anfällig auf Feuerbrand als Niederstammbäume. Dennoch sind sie eine Gefahr: "Wenn ein Hochstammbaum einmal vom Feuerbrand betroffen ist, ist er ein Infektionsherd für andere, noch gesunde Bäume", erklärt Eduard Holliger von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope Wädenswil (ACW).
Roden oder doch nur zurückschneiden? Jeder Kanton entscheidet
nach seinen eigenen Kriterien. (pro natura)
Westschweiz sauber halten
Die Westschweiz ist vom Feuerbrand nicht so stark betroffen. Dort will der Bund den Feuerbranderreger tilgen, alle befallenen Pflanzen müssen gerodet werden. In Kantonen, die bereits seit mehreren Jahren vom Feuerbrand betroffen sind, ist es jedoch nicht mehr möglich, den Feuerbrand auszurotten. Deshalb lässt der Bund die Kantone selber über die Bekämpfungsmassnahmen entscheiden.
St. Gallen überlässt Entscheid den Bauern
Die wichtigen Obstbauregionen liegen in der Ostschweiz. Der Kanton St. Gallen will künftig die staatlichen Bekämpfungsmassnahmen konzentrieren, wie Roger Peterer, Leiter des St. Galler Landwirtschaftsamts, erklärt. "Die Obstbauern sollen selber entscheiden können, wie sie gegen den Feuerbrand vorgehen wollen." Umgesetzt wird dies so: Jeder Obstbauer kann seine Hochstamm- oder Niederstammanlagen bis zum 20. März 2008 beim Kanton als so genannte Schutzobjekte anmelden. Ein Schutzobjekt besteht aus einer Kernzone und einem 500 Meter breiten Umgebungsgürtel. "In den Schutzobjekten wird der Feuerbrand weiterhin rigoros bekämpft", sagt Peterer. Wenn nötig müsse auch gerodet werden.
Meldet ein Bauer seine Obstanlagen nicht als Schutzobjekt an, schreibt ihm der Kanton St. Gallen nicht mehr vor, ob und wie er den Feuerbrand bekämpfen muss. "Ausserhalb der Schutzobjekte haben Ökologie und Eigeninitiative Vorrang", sagt Peterer. Dort würden die Obstbauern mittels Beratung und Empfehlungen unterstützt. Jene Bauern, die ihre Hochstammbäume nicht roden lassen wollen, werden sich wohl auch nicht anmelden.
Das St. Galler Konzept verlangt von den Obstbauern eine gewisse Koordination, insbesondere Nachbaren sollten sich gemeinsam für oder gegen eine Anmeldung entscheiden. Interessenskonflikte sind erst ersichtlich, wenn die Anmeldungen beim Kanton auf dem Tisch liegen.
Hohe und niedrige Bäume
hs. Niederstammbäume haben keinen hohen Stamm, damit man das Obst rationeller ernten kann. Sie stehen meistens in Reih und Glied in Erwerbsobstanlagen. Hochstammbäume hingegen sind ältere Bäume mit einem weit höheren Stamm, ihre Ernte wird hauptsächlich zu Mostobst verarbeitet. Sie prägen die Landschaft in der Schweiz und sind wichtig für die Artenvielfalt, beispielsweise bieten sie Lebensraum für viele bedrohte Vogelarten.
Thurgau setzt auf Überwachung
Im Nachbarkanton Thurgau setzt man auf eine flächendeckende Überwachung. "Alle Hochstammbäume werden kontrolliert", sagt Hermann Brenner von der kantonalen Pflanzenschutzstelle. "Aufgrund der Befallsstärke und der Befallsart wird entschieden, ob der Baum zurückgeschnitten oder gerodet wird." Der Kanton Thurgau setzt primär auf das Wegschneiden von kranken Pflanzenteilen. Sei aber beispielsweise ein grosser Birnbaum vom Feuerbrand befallen, müsse dieser meistens gerodet werden. "Denn das Zurückschneiden ist bei grossen Bäumen fast unmöglich", sagt Brenner.
"Noch viel zu forschen"
hs. Zurückschneiden statt roden, das ist ganz im Sinn der Umwelt- und Naturschutzverbände – betrachten sie doch die Hochstammbäume als Garant der Artenvielfalt. Doch genau in diesem Bereich werde zu wenig geforscht, kritisierten Natur- und Umweltschutzverbände an einer Medienkonferenz vom Dienstag, 4. März 2008. Es sei noch nicht untersucht worden, ob mit einem Rückschnitt der Bäume im Sommer der Feuerbrand wirklich eingedämmt werden könne. "Denn die abgesägten Äste machen den Baum verletzlich, eine erneute Infektion mit Feuerbrand ist nicht auszuschliessen", sagt Marcel Liner von Pro Natura.
Zwar will der Bundesrat in den nächsten vier Jahren 500,000 Franken zusätzlich in die Obstbauforschung investieren, um Mittel gegen den Feuerbrand zu finden. Liner befürchtet jedoch schon jetzt, dass die praxisgerechte Forschung auch mit diesen zusätzlichen Mitteln zu kurz komme.
Reserven auf Lager
Wie viele Hochstammbäume im nächsten Sommer zurückgeschnitten oder sogar gerodet werden, ist noch nicht abzuschätzen. Noch weniger ist abzuschätzen, wie sich dies auf die Mostobsternte auswirkt. Klar ist: Tendenziell wird immer weniger Mostobst geerntet. Doch die Mostobsternte ist nicht nur vom Feuerbrandbefall abhängig. "Im letzten Jahr hatten wir trotz stark wütendem Feuerbrand eine sehr gute Mostobsternte", sagt Josiane Enggasser, Vizedirektorin vom Obstverband. "Der Grund dafür waren die guten Wetterbedingungen, die grosse und qualitativ gute Früchte heranwachsen liessen." Aber auch wenn die Mostobsternte im nächsten Herbst schlecht ausfällt, ist dies nicht weiter schlimm. "Wir haben noch Mostobstreserven vom letzten Jahr", so Enggasser.
Siehe auch: "Startbereit für Streptomycin-Einsatz" im LID-Mediendienst Nr. 2853
vom 25. Januar 2008.