
Wenn Katharina Jud am Dienstagnachmittag ihre gefütterte Jutetasche im Depot in St. Gallen abholt und zu Hause auspackt, wird sie Äpfel, Kartoffeln, Federkohl, Rosenkohl, Apfelsaft, Zuckerhut- und Nüsslisalat vorfinden. Typisches Wintergemüse, alles in Bio-Knospe-Qualität, knackig frisch und unter fairen Bedingungen produziert und verpackt. Katharina Jud ist Musiklehrerin und seit eineinhalb Jahren Mitglied im Verein Regioterre. "Die Mitgliedschaft im Verein ist Bedingung, wenn man sich für ein Gemüseabo entscheidet", erklärt sie. Anfangs habe sie hin und wieder gewisse Gemüsearten googeln müssen, denn Topinampur oder auch Federkohl habe sie vorher nicht gekannt, geschweige denn gegessen. Sie spricht von einer fantastischen Bereicherung für ihren Menüplan, ihre ganz persönliche Genusswelt habe sich erweitert, erzählt sie weiter.
Abnahmegarantie und Vertragssicherheit
Angefangen hat alles mit einem Flyer von Regioterre. Katharina Jud entschied sich für ein Probeabo, fand das Gemüse, die Früchte und vor allem die Idee der solidarischen Landwirtschaft, der direkten Zusammenarbeit von Produzenten und Konsumenten, hervorragend. Erst durch ihre Mitgliedschaft im Verein, als sie ein Jahresabo abschloss, und später, als man sie in den Vorstand wählte, verstand sie, wie wichtig es für die Produzentinnen und Produzenten ist, zu einem fairen Preis, mit einer Abnahmegarantie und mit einer Vertragssicherheit arbeiten zu können. "Es ist ein gutes Gefühl, unter fairen Bedingungen produziertes Gemüse zu essen, dafür bin ich auch gerne bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen", sagt Katharina Jud.
Produzent im Vorstand
Selma und Peter Fust-Hengartner bewirtschaften in Waldkirch einen Bio-Knospehof mit 23 Hektaren. Sie betreiben Milchwirtschaft, haben 50 Hühner und zwei Schweine. Auf 250 Hochstammbäumen wächst Tafel- und Mostobst, auf einer halben Hektare pflanzen sie Gemüse an. Sie verkaufen ihre Produkte im Hofladen, auf dem Markt und liefern an Regioterre. Peter Fust ist seit dem Start von Regioterre im Jahr 2011 dabei – als Produzent und Vorstandsmitglied.
Mit sechs Produzenten und 44 Konsumenten sei man im Frühjahr 2012 gestartet, nachdem eine Handvoll Frauen und Männer aus der Stadt St. Gallen die Initiative ergriffen hatten, erklärt er. Natürlich habe man bereits Vorbilder gehabt, in allen Teilen der Schweiz gab es damals schon Gemüseabos und Vereine und Genossenschaften, die mit ähnlichen Ideen mit den Produzenten zusammenspannten. Wie seine Vorstandskollegin Katharina Jud bekräftigt auch Peter Fust, dass faire Preise, eine garantierte Abnahme und sichere Verträge die Basis der Zusammenarbeit sei.

Logistik ist ganz wichtig
Aus den anfänglich 44 Konsumenten sind heute 100 Haushalte geworden, die wöchentlich eine Tasche voller Gemüse bei einem der fünf Depots in der Stadt St. Gallen abholen. Damit sei man schon bald einmal an der oberen Grenze angelangt. Der Grund dafür seien nicht die Produzenten, da liesse sich möglicherweise noch etwas aufstocken, aber die Logistik stosse an ihre Grenzen, sagt Peter Fust. Mit dem Logistikverantwortlichen Romano Andreoli arbeiten die Produzenten hervorragend zusammen und er findet nur lobende Worte für die anspruchsvolle Arbeit, die Andreoli für den Verein erledigt. Zweimal im Jahr finde eine Produktionssitzung statt, wo die Produzenten ihre Kulturen angeben. Ansonsten melden sie sich telefonisch bis spätestens am Sonntagmorgen beim Logistiker, welche Produkte am Dienstagmorgen geliefert werden.
Nach Möglichkeit werden fünf bis sechs verschiedene Produkte in die Taschen verteilt, wobei auch die Abwechslung eine Rolle spielt. Regelmässig können Konsumenten Sonderbestellungen machen. So läuft eben in dieser Woche die Auslieferung der zusätzlichen Bestellung für Rüebli, Kartoffeln und Zwiebeln. Zudem hat der Konsument die Möglichkeit, mit einem Zusatzabo Eier oder Mehl zu bestellen. Bezahlt wird quartalsweise im Voraus. Kürzlich hatte ein Produzent Suppenhühner im Angebot. Man orientierte die Konsumenten und kurzfristig konnten 20 Suppenhühner an die Konsumenten abgegeben werden.
Preise gelten das ganze Jahr
Peter und Selma Fust sind begeistert, wie die Zusammenarbeit mit dem Vorstand, aber speziell auch mit dem Logistikverantwortlichen klappt. Durch die vertraglich abgesicherten Abnahmen wissen sie ein Jahr im Voraus, wie viel sie einnehmen. An der Hauptversammlung, die jeweils im März stattfindet, melden die Produzenten ihre Produkte und den jeweiligen Preis, den sie für die Produktion brauchen. "Es hat noch nie eine Diskussion gegeben wegen der Preise", sagt Peter Fust. Diese werden den Mitgliedern vorgängig verschickt, damit sie sich mit ihnen auseinandersetzen können. "Volle Transparenz", nennt Peter Fust das Vorgehen.
Die abgemachten Preise gelten dann für das ganze Jahr, auch wenn Hagel, Hochwasser, Trockenheit oder andere witterungsbedingte Ausfälle passieren und sich dadurch die Handelspreise massiv verändern können. Der Vorstand sei verantwortlich, dass mit der Marge, die ungefähr 25 Prozent beträgt, alle Nebenkosten wie Logistik, Taschen einpacken, Werbung, Entschädigungen für die Depots und andere Nebenkosten bezahlt werden können. "Geld äufnen wollen wir nicht", sagt Fust. Dem Vorstand, der ehrenamtlich arbeitet, ist es wichtig, dass die Produzenten fair entschädigt werden und dass die Konsumenten zu einem fairen Preis frisches, gesundes Gemüse erhalten.
Konsumenten und Produzenten näher zusammenbringen
Wenn die Produzenten ihre Produkte am Dienstag um neun Uhr morgens bei der BEWO (Verein für betreutes Wohnen St.Gallen) abliefern, ist das Betreuungspersonal von den Bewohnerinnen und Bewohnern des betreuten Wohnens in St. Gallen verantwortlich, dass die gefütterten Jutetaschen mit dem richtigen Inhalt mit der zugeordneten Menge zügig gefüllt werden. "Die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen machen die Abpackarbeiten gerne", sagt Peter Fust und auch diese langjährige Zusammenarbeit klappe problemlos. Gegen Mittag werden die gefüllten Taschen an die fünf Depots in der Innenstadt und am Stadtrand ausgeliefert, wo sie von den Konsumenten abgeholt werden.
Wünsche von Konsumenten nach einem erweiterten Angebot nehme man ernst. Hingegen müsse man die gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung der Kühlkette, beispielsweise bei Milchprodukten, einhalten, was die Logistik, zumindest bis heute, noch nicht bewältigen könne. Diskutiert werde momentan mit einem Käser, der in Zukunft möglicherweise Hartkäse liefert. In den vergangenen Jahren habe man angefangen, Produzenten und Konsumenten näher zusammenzubringen, indem man Arbeitstage auf den Landwirtschaftsbetrieben organisiert habe. So habe es schon sehr spannende Begegnungen gegeben, sagt Peter Fust.
Drei verschiedene Taschen
Je nach Grösse des Haushalts können die Konsumenten aus drei verschiedenen Taschengrössen auswählen. Die Taschen haben jeweils den gleichen Inhalt an Biogemüse, nur die Menge ist unterschiedlich. Die kleine Tasche kostet 14 Franken pro Woche und reicht für eine Person. Die Mittlere Tasche kostet 20 Franken und reicht für zwei bis drei Personen und die grosse Tasche kostet 32 Franken und reicht für vier bis fünf Personen.
Aus logistischen Gründen wird keine Unterbrechung der Lieferung angeboten. Die Konsumenten organisieren bei Abwesenheit eine andere Person, die das Gemüse abholt.
