Noch am 11. Mai riss der Bundesrat bei der Teilrevision des Waldgesetzes einen Stopp und schickte das Geschäft zurück an die Verwaltung – mit der Option, die Unterstützung des Bundes für den Wald gleich ganz wegzulassen. Darauf hagelte es scharfe Kritik. Der Schweizer Verband der Förster reagierte "erstaunt und wütend" – es dürfe nicht sein, dass der Bund seine Aufgaben im Wald an die Kantone, Gemeinden und Waldbesitzer abschiebe. Auch die Naturschützer befürchteten Schlimmes: Ohne öffentliche Unterstützung, so der Tenor, verliere der Wald im Berggebiet seine Schutzfunktion vor Lawinen und Geröll. Max Binder, Präsident des Waldwirtschaftsverbandes, zog den Schluss: "Ohne Geld vom Bund braucht es gar kein Waldgesetz."
Geld für öffentliche Leistungen
So weit gehen und für den Wald gar kein Geld mehr ausgeben, das mochte der Bundesrat nun doch nicht. Er schickte die Teilrevision des Waldgesetzes am 29. Juni für vier Monate in die Vernehmlassung, mehr oder weniger so, wie sie im so genannten Waldprogramm Schweiz aufgegleist worden war. Im Waldprogramm Schweiz hat das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) 2002 und 2003 gemeinsam mit allen beteiligten Kreisen die Richtung für eine künftige Waldpolitik vorgespurt.
Das generelle Ziel der Revision ist, den Wald als Schutz vor Naturgefahren zu erhalten und die biologische Vielfalt des Waldes zu sichern, also die Funktionen des Waldes zu erhalten, die der Allgemeinheit dienen, wie es in den Unterlagen heisst. Dafür verlangt der Bund von den Kantonen die Ausscheidung, die Erhaltung und Verbesserung von Schutzwäldern und Waldreservaten. Ferner legt er Anforderungen für den Waldbau fest. Der Wald soll nicht nur nachhaltig, sondern auch naturnah bewirtschaftet werden. Damit soll erreicht werden, dass möglichst viel Wald zertifiziert werden kann, sei es nach dem Schweizer Label Q oder nach dem internationalen und etwas strengeren FSC-Label (Forest Stewardship Council). Fernziel ist für den Bund, dass der ganze Schweizer Wald zertifiziert ist.
Für die Holzproduktion fällt die staatliche Unterstützung grösstenteils weg. Damit will der Bund die Effizienz in den Wäldern erhöhen. "Es ist anzunehmen, dass die Bewirtschafter in diesem Bereich ihre Strukturen und Arbeitsweise so effizient wie möglich gestalten", schreibt der Bund dazu. Damit soll ein Problem der heutigen Forstwirtschaft entschärft werden: Die zu kleinen und ineffizienten Strukturen der Forstbetriebe. Der Bund rechnet damit, dass durch den so forcierten Strukturwandel im Wald mehrere hundert Arbeitsplätze verloren gehen – heute arbeiten 7,000 Personen im Wald, 80,000 weitere in den nachgelagerten Bereichen. Es sei jedoch anzunehmen, dass ein Teil des Abbaus durch Neuschaffung von Arbeitsplätzen in privaten Forstunternehmen kompensiert werden wird.
Im Gegenzug erhalten die Betriebe mehr Freiheiten bei der Bewirtschaftung. Künftig sollen Kahlschläge bis zu zwei Hektaren erlaubt sein. Diese Neuregelung wird von den Naturschützern bekämpft und von den Waldbesitzern begrüsst, sie würde ermöglichen, dass die Holzerntemaschinen effizienter genutzt werden können. Ferner will der Bund die Absatzmöglichkeiten verbessern, indem für forstwirtschaftliche Produkte und deren Verarbeitungsprodukte geschützte Herkunftsangaben (AOC) eingeführt werden. Im Kanton Jura gibt es bereits ein Projekt zur Einführung einer AOC "Bois du Jura".
Die Österreicher kommen
wy. Im Schweizer Wald bewegt sich was: Zwei Grosssägereien sind geplant, damit mehr Schweizer Holz geschlagen und effizient verarbeitet werden kann. Eine in Luterbach SO und eine in Untervaz GR. Hinter beiden Projekten stehen österreichische Investoren, die österreichische Waldwirtschaft ist seit Jahren auf Wachstumskurs. In Luterbach wird mit einer anfänglichen Holzmenge von 600,000 Kubikmeter pro Jahr gerechnet, die verarbeitet werden sollen. Bei Vollauslastung sollen es eine Million Kubikmeter werden, das Werk in Luterbach wäre damit eines der ganz grossen in Europa. Die Kosten betragen insgesamt 140 Millionen Franken, die Hälfte davon will der österreichische Initiant Andreas Kogler beisteuern, der Rest soll in der Schweiz beschafft werden. Unter den Waldbesitzern läuft derzeit eine Umfrage darüber, ob sie sich an dem Sägewerk beteiligen wollen.
Im waldreichen Bündnerland möchte die österreichische Firma "Holzindustrie Stallinger" ein Grosssägewerk erstellen. Auch der Kanton ist daran interessiert und will die Ansiedlung des Werkes unterstützen. Als Standort wurde zuerst Untervaz bekannt gegeben, dort gibt es aber ein Problem, weil ein Bauer, der dafür sein Land verkaufen müsste, dazu nicht bereit ist. Deshalb ist jetzt auch Donat/Ems im Gespräch. Vorgesehen ist eine Verarbeitungskapazität von 600,000 Kubikmeter pro Jahr.
Investitionen für Forstbetriebe
Die Gesetzesrevision soll, angesichts der finanziellen Situation des Bundeshaushaltes, finanzneutral sein. Nach dem Entlastungsprogramm 03, das heisst ab 2006, stehen für den Wald knapp 160 Millionen Franken zur Verfügung, gut 80 Millionen davon für die Waldpflege und Bewirtschaftung, knapp 50 Millionen für Schutzwälder, 16 Millionen für Strukturverbesserungen und Erschliessungen.
Weiterhin gewährt werden sollen Investitionshilfen für Forstbetriebe, also zinslose Darlehen für die Beschaffung von neuen Maschinen und anderem. Diese machen aber insgesamt nur rund drei Millionen Franken aus. Eine Ausdehnung dieser Investitionshilfen auf die nachgelagerte Holzindustrie, wie sie im Waldprogramm Schweiz gefordert wurde – und wie sie auch das Buwal möchte –, will der Bundesrat allerdings nicht. Man verzichte darauf "aus ordnungspolitischen Überlegungen", heisst es. Der Bund wolle hier nicht in die Marktwirtschaft eingreifen. Der Waldwirtschaftsverband Schweiz will sich in der Vernehmlassung weiterhin für Investitionshilfen auch in der Industrie einsetzen, wie Verbandsdirektor Urs Amstutz sagt. Es sei wichtig, dass nicht nur im Wald effizienter gewirtschaftet werde, sondern auch bei den Sägereien und dass damit die Nachfrage gestärkt werde.
Wechsel der Ideologie
Der zuständige Bundesrat Moritz Leuenberger sprach vor den Medien von einer "Flexibilisierung der Walderhaltung" und von einer neuen Ideologie. Habe früher der alttestamentarische Grundsatz gegolten "ein Baum für einen Baum", also pro gefälltem Baum ein neu gepflanzter, gelte nun: "Fällt rechts ein Baum, dann fälle den linken auch noch." Es brauche in vielen Fällen keine Ersatzaufforstungen mehr, denn der Wald wachse rasch und könnte noch viel stärker genutzt werden, betonte Leuenberger. Der Wald breitete sich in den letzten 15 Jahren um mehrere Prozent aus.
Lediglich im Talgebiet und in alpinen Zentren soll durch das Gesetz sichergestellt werden, dass Waldflächen sich nicht verkleinern. Im Berggebiet soll es dagegen möglich sein, dass vom Wald verdrängte Alpweiden wieder freigelegt und bewirtschaftet werden können, ohne dass an einem anderen Ort aufgeforstet werden muss. Bisher galten solche eingewachsenen Flächen nach einer gewissen Zeit als Wald – wurden sie gerodet, musste Realersatz geleistet werden, dass heisst, an einem anderen Ort musste aufgeforstet werden.
Siehe auch: "Schlechte Zeiten für die nachwachsende Bauernbank" in LID-Mediendienst 2652 vom 5. Februar 2004 und "Die Holzbranche muss rentabler werden", im LID-Mediendienst Nr. 2595 vom 5. Dezember 2002.