Einmal mehr steht die Schweizer Landwirtschaft einem Strukturwandel gegenüber, der das Bild der bäuerlichen Betriebslandschaft wesentlich prägen könnte. Anlass zu dieser Annahme gibt die geplante Agrarpolitik für die Jahre 2014-17, welche die Verteilung der öffentlichen Gelder unter den Landwirten neu regeln soll. Umstritten ist dabei das Vorhaben des Bundes, in Zukunft jenen BäuerInnen, welche für ihre landwirtschaftlichen Tätigkeiten lediglich einen Spezialkurs für Landwirtschaft im Nebenerwerb (NELA) absolviert haben, nicht mehr mit Direktzahlungen unter die Arme zu greifen. Die NELA-Ausbildung, die in der Schweiz an 12 Standorten angeboten wird, dauert etwas mehr als ein Jahr und ist für Interessenten gedacht, welche sich im Nebenerwerb der Führung eines Bauernbetriebes widmen möchten. Im Rahmen der neuen Landwirtschaftspolitik sollen jedoch nur noch diejenigen Landwirte ein Anrecht auf finanzielle Unterstützung durch den Staat haben, die zumindest eine zweijährige Grundausbildung abgeschlossen haben.
Adrian Beer-Seiler hält diese Strategie für unverständlich. Der einstige Automechaniker hat 2010 gemeinsam mit seiner Frau eine landwirtschaftliche Nebenerwerbsausbildung absolviert und ist heute Teilzeit auf dem Bauernhof seiner Schwiegereltern tätig. Beer-Seiler kann die Aberkennung der NELA als finanzierungsberechtigte Ausbildung nicht nachvollziehen. "Die Qualität der Ausbildung ist sehr hoch und das Angebot sehr breit: Von betriebs- bis agrarwirtschaftlichen Inhalten kann alles gelernt werden, was für die Führung eines Bauernbetriebes von Nutzen ist." Zudem sei der Zugang zu solchen Kursen nicht jedermann gewährleistet: Um die landwirtschaftliche Nebenerwerbsausbildung absolvieren zu können, müssen die Teilnehmenden eine Matura oder eine abgeschlossene Berufslehre sowie Berufserfahrungen im Agrarbereich vorweisen können.
Viele KleinbäuerInnen im Nebenerwerbs-Segment tätig
Die Nebenerwerbsausbildung wird vor allem von KleinbäuerInnen absolviert, denen sich oftmals nicht die Möglichkeit bietet, genügend Einkommen mit der Führung ihres Hofes allein zu erzielen und die deshalb auf weitere Einkommensquellen ausserhalb der Landwirtschaft angewiesen sind. Entfällt die Nebenerwerbsausbildung zukünftig als wirtschaftliche Stütze landwirtschaftlicher Arbeit, würde damit vielen kleinen und mittleren Betrieben eine wichtige Existenzgrundlage entzogen werden. Dies befürchtet der VKMB. Bereits heute nimmt die Anzahl kleinerer Bauernhöfe mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche unter 20 Hektaren kontinuierlich ab (siehe Grafik).
Kopfschütteln bei der VKMB
Bei der Kleinbauern-Präsidentin Regina Fuhrer sorgt die geplante Vorgehensweise für Kopfschütteln. "Grundsätzlich ist unsere Vereinigung mit den übergeordneten Zielen der neuen Agrarpolitik einverstanden. Was diesen Aspekt betrifft, herrscht aus unserer Sicht jedoch Änderungsbedarf." Die vielen kleinen und mittelgrossen Betriebe, welche in erster Linie von den mangelnden Direktzahlungen betroffen sein würden, seien ein essentieller Bestandteil der strukturellen Vielfalt der Schweizer Landwirtschaft. "Die Schweiz lebt gerade von ihren kleinräumigen Strukturen", sagt Fuhrer.
Hinzu käme, dass es dem Landwirtschaftsbereich bereits heute an Nachwuchs fehle. Die VKMB geht davon aus, dass pro Jahr 1'500 junge BäuerInnen nötig wären, um die Nachfolge aller Bauernbetriebe in der Schweiz zu gewährleisten. Laut dem Bundesamt für Statistik sind es jedoch gerade 900 Personen, welche jährlich eine landwirtschaftliche Ausbildung mit einem Berufsdiplom abschliessen. Es wird befürchtet, dass sich die Differenz zwischen den notwendigen und tatsächlich ausgebildeten Landwirten weiter vergrössern wird, sollte die bäuerliche Tätigkeit im Nebenerwerb aufgrund verringerter finanzieller Unterstützung an Attraktivität verlieren.
Probleme bei Quer- und Späteinsteigern
Problematisch findet Fuhrer auch die Tatsache, dass die neue Verteilung der Direktzahlungen es Quer- und Späteinsteigern erschwert, den Landwirtschaftsberuf zu ergreifen. Im Zuge der neuen Regelung müssten solche Menschen zuerst eine zweijährige Lehre absolvieren, bevor sie den Beruf als Landwirt ohne den Verzicht auf staatliche Unterstützung ausüben könnten. In Anbetracht des meist höheren Alters dieser Gruppe von Menschen und der mit der Lehre verbundenen Lohnsituation kommt eine solche Regelung einem Ausschluss von Quer- und Späteinsteigern aus dem Bauernberuf gleich. Dieser Ansicht ist Regina Fuhrer. "Der spätere Einstieg in den Landwirtschaftsberuf, beispielsweise erst mit 25 oder 30 Jahren, wird dadurch beinahe verunmöglicht", meint diese. Dabei sei die Einbettung eben dieser Zielgruppe in den Agrarbereich von grosser Bedeutung: "Die Integration von Menschen mit einem anderen beruflichen Werdegang in die Landwirtschaft ist wichtig, da diese Menschen oft ein grosses Innovationspotential mit sich bringen." Ein zentrales Anliegen der VKMB im Rahmen der Agrarpolitik 2014-17 sei es deshalb, Quer- und Späteinsteigern den Zugang zur Landwirtschaft weiterhin offen zu halten.
