"Proud to be Scottish. Delighted to be United", steht auf einem Plakat an der Schnellstrasse zwischen Inverurie und Aberdeen geschrieben. Der zweite Satz ist mittels Spraydose durchgestrichen worden. Das Thema Unabhängigkeit und ihre Folgen bewegt die Schotten und sie sind sich uneins. Zwar sind die Felder nicht so zugepflastert mit Parolen wie vor Abstimmungen in der Schweiz, dennoch sieht man immer wieder Voten pro und kontra. Diese beschränken sich aber stets auf ein "Yes" oder ein "No". Mehr als diese Schlagworte braucht es in diesem emotionalen Abstimmungskampf scheinbar nicht. Auch wenn zumindest in Aberdeenshire die Yes-Plakate Überhand haben, das Rennen ist knapp.
Befürworter erwarten mehr Geld für Farmer
Auch in der Landwirtschaft sind sich die Akteure keinesfalls einig und das Thema wird heftig diskutiert. Denn die Auswirkungen auf die Farmer könnten gravierend sein – je nach Ansicht positiv oder negativ. Die National Farmers Union Scotland (NFUS) hat im letzten Halbjahr Streitgespräche organisiert, die von knapp 2‘000 Bäuerinnen und Bauern besucht wurden. Die Befürworter der Unabhängigkeit sehen insbesondere das Verhältnis zur EU als wichtigen Grund für eine Abspaltung. 2019 werden schottische Farmer mit 128 Euro Direktzahlungen pro Hektar (ca. 154 Franken) so wenig EU-Gelder wie kein EU-Mitgliedsstaat erhalten. Die Befürworter gehen deshalb davon aus, dass man als eigenständiges EU-Mitglied deutlich mehr aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) herausholen könnte. "Bei den letzten GAP-Verhandlungen wurde Schottland von Ministern aus Grossbritannien vertreten. Schon fast wie durch ein Wunder haben sie es geschafft, dass Schottland sowohl bei den Direktzahlungen als auch bei den Geldern zur ländlichen Entwicklung ganz unten auf der Liste steht", sagte Alex Salmond, Ministerpräsident von Schottland und Vorsitzender der Scottish National Party, kürzlich am Kongress der Internationalen Agrarjournalistenvereinigung (IFAJ). Salmond geht davon aus, dass ein unabhängiges Schottland für die aktuelle GAP-Periode zusätzliche Gelder in Milliardenhöhe hätte herausholen können, wenn es denn eigenständiges EU-Mitglied wäre.
Whisky und Fleisch
Rund 75 Prozent der Fläche Schottlands wird für die Landwirtschaft genutzt. Einerseits wird viel Vieh gehalten – bekannt sind vor allem die Schafe, die Angus-Rinder oder die Schottischen Hochlandrinder – sowie Pflanzenbau betrieben. So verfügt der Osten Schottlands über einen idealen Mix aus Regen und Sonne um Braugerste anzubauen. Diese ist ein wichtiger Bestandteil bei der Herstellung des weltbekannten schottischen Whiskys, der in rund 200 Länder exportiert wird und der schottischen Wirtschaft über 4 Milliarden Pfund pro Jahr einbringt. Dieser Exporterfolg darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass schottische Farmer nicht unter einfachen Bedingungen arbeiten: Rund 85 Prozent der Landwirtschaftsfläche gilt nach EU-Kriterien als Less-favourable Area (LFA), also als naturbedingt benachteiligte Gebiete.
Zahlreiche Unsicherheiten
Unter den Farmern, die sich für die Unabhängigkeit aussprechen, geht auch die Angst um, dass das Vereinigte Königreich bald in einer Abstimmung den Austritt aus der EU geben wird. Sie fürchten dann massive Verluste, weil gar keine EU-Gelder mehr fliessen würden. Und dies aufgrund einer Abstimmung, die im bevölkerungsreichen Süden des Landes entschieden würde.
Doch all diese Argumente basieren darauf, dass Schottland nach Erlangung der Unabhängigkeit überhaupt noch Mitglied der EU sein wird. Während Alex Salmond betont, Schottland bleibe automatisch Mitglied, sieht die EU-Kommission dies anders. Ihrer Meinung nach wäre Schottland kein Mitglied mehr und müsste einen Antrag auf Aufnahme stellen. Zustimmen müsste dem auch das verbliebene Vereinigte Königreich.
Genau diese Unsicherheiten verleiten auch zahlreiche Farmer dazu, ein Nein in die Urne zu legen. Denn noch ist vieles unklar: EU-Mitgliedschaft, Währung, Militär, und auch die künftigen Exportmärkte. So fürchten viele in der Landwirtschaftsbranche ein Absatzproblem gewisser Produkte. Denn der gesamtbritische Markt ist für Schottlands Ernährungsindustrie wichtiger als derjenige der ganzen restlichen Welt zusammen.
Agrarjournalisten aus aller Welt in Schottland
Vom 4. bis zum 8. September fand der Kongress der International Federation of Agricultural Journalists (IFAJ) im schottischen Aberdeen statt. Teilgenommen haben 212 Journalisten aus 37 Ländern von Guatemala über Kamerun, der Schweiz bis Australien. Die Journalisten konnten mit Besuchen auf Farmen die Eigenheiten der schottischen Landwirtschaft erleben, wichtige internationale Kontakte knüpfen und Erfahrungen sammeln. Zudem wurden zahlreiche Referate gehalten, unter anderem von Nigel Miller, Präsident des Bauernverbandes NFU Scotland sowie als Höhepunkt von Alex Salmond, Ministerpräsident Schottlands. An der Delegiertenversammlung wurde LID-Geschäftsführer Markus Rediger für zwei weitere Jahre als Präsident des IFAJ bestätigt.


